8. November 2015

Wie sollen Klassenassistenten ausgebildet werden?

Immer häufiger sitzen Klassenassistenten in den Schulzimmern, um Lehrer zu entlasten und Schüler zu unterstützen. Das können Pensionierte sein, Hausfrauen, Berufstätige mit Wunsch nach Abwechslung: Klare Voraussetzungen sind nicht festgelegt. Nun entzündet sich ein Zwist um die Qualifikation und das Berufsbild dieser Assistenten. Die Lehrer wollen die Ausbildung in ihrer Hoheit haben, die Politik ortet keinen Handlungsbedarf, und die Hochschulen sehen eine neue Zielgruppe für ihre Kurse.













Erstklässler in Suhr lernen Rechnen, Bild: Christian Beutler
Zwist um die Helfer im Klassenzimmer, NZZaS, 8.11. von René Donzé



Allen voran stört sich der Schweizer Lehrerverband (LCH)daran, dass die Ausbildung nicht geregelt ist. «Es braucht eine klare Definition des Berufs Klassenassistent», sagt Franziska Peterhans, Zentralsekretärin des LCH. Heute arbeiten die meisten Assistenten ohne spezifische Vorbereitung auf ihre Aufgabe. Zwar haben mehrere Pädagogische Hochschulen Weiterbildungsangebote aufgebaut, doch sind diese noch sehr jung und ganz unterschiedlich in Dauer und Umfang: So umfasst der Kurs der Pädagogischen Hochschule Zürich 10 Abendkurse, während für die Weiterbildung an der Pädagogischen Hochschule St.?Gallen 20?Halbtage eingesetzt werden müssen.

Es ist aber weniger dieser Wildwuchs bei der Ausbildung, sondern vielmehr die Angst vor einer neuen Konkurrenz, die die Lehrer veranlasste, beim Bund vorstellig zu werden. Sie befürchten, dass Assistenten mit einem PH-Zeugnis von den Gemeinden als billige Ersatzlehrer eingesetzt werden. Aus ihrer Sicht müsste diese Ausbildung nicht an den PH geschehen, sondern dort, wo die Assistenten auch eingesetzt werden: «Wir wünschen uns eine Ausbildung für Klassenassistenten in den Schulen», sagt Peterhans.

Der LCH hat sich an das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) gewandt mit der Bitte, diese neue Tätigkeit im Klassenzimmer klar zu definieren und die Ausbildung zu koordinieren. Dem LCH geht es um die Schaffung eines neuen Qualifikationsprofils im Rahmen der Berufsbildung, wie es für andere Berufslehren gilt. Dies geht aus einem Schreiben hervor, das dieser Zeitung vorliegt. Peterhans will die Vorstellungen des LCH indes nicht konkretisieren, bevor man nicht mit dem SBFI darüber diskutiert habe.

Ob es dazu überhaupt kommen wird, ist mehr als fraglich. Das SBFI hat inzwischen bei der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) nachgefragt, was sie von einem solchen neuen Berufsbild für Klassenassistenten hält. Die Antwort: nichts. In einer zweiseitigen Stellungnahme erklären die Erziehungsdirektoren dem SBFI, dass es sich bei dieser Tätigkeit um keinen eigentlich neuen Beruf handle. «Die Aufgaben sind je nach Schule, Gemeinde und Kanton ganz verschieden», sagt Susanne Hardmeier, Stellvertretende Generalsekretärin der EDK. «Darum ist es auch nicht sinnvoll, ein solches Berufsfeld zu definieren», erklärt sie.

Zudem könne diese Tätigkeit auch nicht als eigentlicher Beruf gewertet werden, der eine Berufsbildung brauche. Meist würden Assistenten zeitlich befristet und stundenweise eingesetzt, eine langfristige Vollzeitbeschäftigung könnte nicht garantiert werden, schreibt die EDK dem Bund. Damit dürfte die Angelegenheit für das SBFI erledigt sein, wie ein Sprecher auf Anfrage sagt: «Ohne das Einverständnis der Arbeitgeber kann kein neues Berufsbild geschaffen werden.» Ähnlich sieht das auch Hardmeier von der EDK: «Im Sinne einer Berufsbildung ist das Thema aus meiner Sicht vom Tisch.»

Froh um diese klare Haltung der EDK ist Erwin Beck, Rektor der Pädagogischen Hochschule St.?Gallen: «Die EDK hat zum Glück abgewinkt und diese abwegige Idee an den Adressaten zurückgesandt.» Die Angst vor einer Konkurrenz durch Absolventen von PH-Kursen sei «gewerkschaftlich motiviert und kontraproduktiv», sagt er. «Wenn schon Ausbildung, dann kann es nur um eine pädagogische Aus- oder Weiterbildung gehen, und die gehört selbstverständlich in die Hände der Ausbildungspersonen an Pädagogischen Hochschulen.»


Inwieweit diese standardisiert wird, ist offen. Für die EDK sei das im Moment kein Thema, sagt Hardmeier. Und bei Swissuniversities, der Konferenz der Hochschulrektoren, winkt man ebenfalls ab: «Zum heutigen Zeitpunkt, wo erst einzelne Hochschulen solche Kurse durchführen, ist es sinnvoll, zuerst Erfahrungen mit verschiedenen Modellen der Unterstützungsleistungen für Klassen durch Klassenassistenzen zu sammeln, bevor eine Vereinheitlichung der Qualifikation diskutiert wird», sagt die Generalsekretärin von Swissuniversities, Martina Weiss.

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