8. November 2015

SOL und die Flucht an Privatschulen

Bei uns begann die Revolution vor zweiJahren, als unsere Söhne in die erste Oberstufe, in die Seehalde kamen. Zu Beginn waren wir Eltern, und auch unsere Söhne begeistert vom neuen Schulsystem mit dem selbstorganisierten Lernen (SOL). Anfangs waren die Lernvorgaben klar strukturiert, die 18 unbeaufsichtigten Office-Stunden waren jedoch von Chaos geprägt. Die Jugendlichen konnten schnell mit dem iPad umgehen, sie bekamen in allen Fächern sogenannte Inputs von einer Lehrperson und wurden in den neuen Stoff eingeführt. Die Punktekonten und Kann-Listen waren übersichtlich und konnten anhand des Schulstoffes im iPad und auf Papier «abgearbeitet» werden.
Die Revolution von Niederhasli, Leserbrief, Sonntagszeitung, 8.11. von Claudia Widmer und Nicole Fuchs

Wer seine Hausaufgaben sorgfältig erledigte und alle Aufgaben löste, bekam viele Punkte und hatte zudem den Stoff verstanden, was sich auch positiv auf die Prüfung auswirkte. Sprich, wer fleissig zu Hause viele Hausaufgaben löste, konnte auch eine gute Note in der Prüfung schreiben. In der zweiten Sekundarschule wurden die Punktekonten und Kann-Listen umgekrempelt und für die Jugendlichen war wieder alles anders als zu Beginn. Die Jugendlichen wurden zunehmend unzufrieden.

Mittlerweile besuchen unsere Söhne die dritte Sekundarklasse. Seit Beginn des neuen Schuljahres sind wiederum Änderungen am SOL vorgenommen worden. Diese fortwährenden Änderungen des Systems bringen Unruhe und Hektik in den Schulbetrieb, welche sich negativ auf die Leistungen und schlussendlich auf den Lernerfolg auswirken. Das vermittelte Wissen entspricht Ende Schuljahr nicht dem gesetzlich vorgeschriebenen Lernziel.

Viele Schüler besuchen private Nachhilfestunden, um die Wissenslücken zu kompensieren. Die Fächer Physik und Chemie wurden bis heute nicht unterrichtet, obwohl diese im Lehrplan stehen. Deutsch Grammatik wurde lange gar nicht und Französisch nur lückenhaft vermittelt. Wie im Bericht beschrieben, gibt es nicht einmal mehr Inputs für die neuen Themen der verschiedenen Fächer. Sprich: Es wird kein Basiswissen vermittelt. Zum Beispiel das momentane Mathe-Thema «Lineare Funktionen» muss von den Schülern von A bis Z selbst erarbeitet werden. Es stehen ihnen lediglich iTunes-U-Kurse auf dem iPad zur Verfügung. Dort können Theorien, Aufgaben und Lösungen abgerufen werden. Wenn zu Hause Fragen auftauchen, müssen die Schüler am anderen Tag einen Termin beim Lehrer für eine Fachberatung vereinbaren - falls der Lehrer einen freien Termin hat!

Die Englisch- und Französischlehrer stehen an zwei Tagen pro Woche für Fragen zur Verfügung. Die gelösten Aufgaben müssen selber anhand der Lösungen im iPad kontrolliert werden. Erst beim «ready for test» (Standortbestimmung vor der Prüfung) sehen die Schüler, wo sie wirklich stehen. Die Einteilung der Schüler in die Stufen Basis, Fortgeschrittene und Experten hat zur Folge, dass ein «Experte» mit Einwilligung der Eltern seine Aufgaben alle zu Hause erledigen könnte und nur noch für die Prüfungen in die Schule zu kommen bräuchte. Ist es das, was wir wirklich wollen?


Durch ihr zuverlässiges und engagiertes Verhalten gehören unsere zwei Söhne zur «Idealbesetzung» für das SOLSchulsystem. Trotzdem waren sie oft überfordert und alleingelassen mit der grossen Verantwortung. Die stetige Überforderung und Ohnmacht führte bei einem der beiden sogar zu grossen gesundheitlichen Problemen. Die Tatsache, dass niemand für Probleme oder Kritik zum SOLSystem offen ist und das System nie in Frage gestellt wird, lässt uns nur einen Ausweg offen – die Flucht in die Privatschule. Obwohl unsere beiden Söhne zu den Besten in der Seehalde gehören, werden auch sie die geforderten Lernziele Ende dritte Oberstufe trotzdem nicht erreichen. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen