Bei uns begann die Revolution vor zweiJahren, als unsere Söhne in die erste Oberstufe, in die Seehalde kamen. Zu
Beginn waren wir Eltern, und auch unsere Söhne begeistert vom neuen Schulsystem
mit dem selbstorganisierten Lernen (SOL). Anfangs waren die Lernvorgaben klar
strukturiert, die 18 unbeaufsichtigten Office-Stunden waren jedoch von Chaos
geprägt. Die Jugendlichen konnten schnell mit dem iPad umgehen, sie bekamen in
allen Fächern sogenannte Inputs von einer Lehrperson und wurden in den neuen
Stoff eingeführt. Die Punktekonten und Kann-Listen waren übersichtlich und
konnten anhand des Schulstoffes im iPad und auf Papier «abgearbeitet» werden.
Die Revolution von Niederhasli, Leserbrief, Sonntagszeitung, 8.11. von Claudia Widmer und Nicole Fuchs
Wer seine Hausaufgaben sorgfältig erledigte
und alle Aufgaben löste, bekam viele Punkte und hatte zudem den Stoff
verstanden, was sich auch positiv auf die Prüfung auswirkte. Sprich, wer
fleissig zu Hause viele Hausaufgaben löste, konnte auch eine gute Note in der
Prüfung schreiben. In der zweiten Sekundarschule wurden die Punktekonten und
Kann-Listen umgekrempelt und für die Jugendlichen war wieder alles anders als
zu Beginn. Die Jugendlichen wurden zunehmend unzufrieden.
Mittlerweile besuchen unsere Söhne die dritte
Sekundarklasse. Seit Beginn des neuen Schuljahres sind wiederum Änderungen am
SOL vorgenommen worden. Diese fortwährenden Änderungen des Systems bringen
Unruhe und Hektik in den Schulbetrieb, welche sich negativ auf die Leistungen
und schlussendlich auf den Lernerfolg auswirken. Das vermittelte Wissen
entspricht Ende Schuljahr nicht dem gesetzlich vorgeschriebenen Lernziel.
Viele Schüler besuchen private
Nachhilfestunden, um die Wissenslücken zu kompensieren. Die Fächer Physik und
Chemie wurden bis heute nicht unterrichtet, obwohl diese im Lehrplan stehen.
Deutsch Grammatik wurde lange gar nicht und Französisch nur lückenhaft
vermittelt. Wie im Bericht beschrieben, gibt es nicht einmal mehr Inputs für
die neuen Themen der verschiedenen Fächer. Sprich: Es wird kein Basiswissen
vermittelt. Zum Beispiel das momentane Mathe-Thema «Lineare Funktionen» muss
von den Schülern von A bis Z selbst erarbeitet werden. Es stehen ihnen
lediglich iTunes-U-Kurse auf dem iPad zur Verfügung. Dort können Theorien,
Aufgaben und Lösungen abgerufen werden. Wenn zu Hause Fragen auftauchen, müssen
die Schüler am anderen Tag einen Termin beim Lehrer für eine Fachberatung
vereinbaren - falls der Lehrer einen freien Termin hat!
Die Englisch- und Französischlehrer stehen an
zwei Tagen pro Woche für Fragen zur Verfügung. Die gelösten Aufgaben müssen
selber anhand der Lösungen im iPad kontrolliert werden. Erst beim «ready for
test» (Standortbestimmung vor der Prüfung) sehen die Schüler, wo sie wirklich
stehen. Die Einteilung der Schüler in die Stufen Basis, Fortgeschrittene und
Experten hat zur Folge, dass ein «Experte» mit Einwilligung der Eltern seine
Aufgaben alle zu Hause erledigen könnte und nur noch für die Prüfungen in die
Schule zu kommen bräuchte. Ist es das, was wir wirklich wollen?
Durch ihr zuverlässiges und engagiertes
Verhalten gehören unsere zwei Söhne zur «Idealbesetzung» für das
SOLSchulsystem. Trotzdem waren sie oft überfordert und alleingelassen mit der
grossen Verantwortung. Die stetige Überforderung und Ohnmacht führte bei einem
der beiden sogar zu grossen gesundheitlichen Problemen. Die Tatsache, dass
niemand für Probleme oder Kritik zum SOLSystem offen ist und das System nie in
Frage gestellt wird, lässt uns nur einen Ausweg offen – die Flucht in die
Privatschule. Obwohl unsere beiden Söhne zu den Besten in der Seehalde gehören,
werden auch sie die geforderten Lernziele Ende dritte Oberstufe trotzdem nicht
erreichen.
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