30. November 2015

Eckpfeiler der missratenen "Reformitis"

Die umstrittenen Reformen an der Schweizer Volksschule der letzten Jahre und ihre Bilanz in Kurzform.
Die grosse "Reformitis": Umstrittene Reformen in Schweizer Schulen, Sonntagszeitung, 29.11. 



Lesen durch Schreiben
«Lesen durch Schreiben» wurde Anfang der 1980er-Jahre vom Schweizer Reformpädagogen Jürgen Reichen entwickelt. Es lässt Kinder individuell und nach eigenem Tempo das Schreiben lernen. Rechtschreibregeln werden erst später gelernt. Das führt zu teils katastrophalen Resultaten, vor allem schwache Schüler leiden darunter. Ähnlich ist die Kritik gegenüber dem Konzept «Schreiben nach Gehör».

Integrative Schulung
Seit gut zehn Jahren gilt das Prinzip, Kinder mit Behinderungen oder mit Lernschwierigkeiten nicht mehr in Sonder- und Kleinklassen zu unterrichten, sondern möglichst in die Regelklassen zu integrieren. Die anfängliche Begeisterung ist verflogen. Weil die Integration vielerorts Teil einer Sparübung war, fehlen nun oft die nötigen Ressourcen.

Mengenlehre
«Wenn drei Leute im Raum sind und fünf rausgehen, dann müssen zwei hinein, damit der Raum wieder leer ist.» – Die Mengenlehre sollte den Mathematikunterricht in den 1970er-Jahren revolutionieren, trieb Schü- ler und Eltern aber eher zur Verzweiflung. Die Reform erreichte keines der versprochenen Ziele und wurde nach und nach aus den Schulzimmern verbannt.

Altersdurchmischtes Lernen
Statt in Jahrgangsklassen sollen die Schüler in altersdurchmischten Klassengemeinschaften lernen, also werden zwei oder drei Klassen im gleichen Schulzimmer unterrichtet. Was von den Behörden als modern und pädagogisch fortschrittlich gelobt wird, entpuppt sich in der Praxis meist als Sparübung mit schwerwiegenden Problemen für Schüler und Lehrer.

Pisa
2001 veröffentlichte die OECD ihren ersten internationalen Vergleich des Lernerfolgs. So lassen sich die Leistungen von Schülern aus Arbon am Bodensee bis Zara in der Türkei simpel auf einer eindimensionalen Skala abbilden. Erfahrungen mit der Testresultat-gesteuerten Bildungspolitik in den USA sind allerdings schlecht.

Frühe Sprachförderung
Frühenglisch oder Frühfranzösisch stehen in den Bildungsbürokratien hoch im Kurs. Doch die hohen Erwartungen konnten nicht erfüllt werden. Untersuchungen zeigen, dass der Vorsprung der Kinder mit frühem schulischem Fremdsprachenunterricht nach kürzester Zeit verschwindet und dass ein konzentrierter, späterer Fremdsprachenunterricht mehr bringen würde.

Harmos
Mit der Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule, kurz Harmos, werden die kantonalen Schulsysteme einheitlicher geregelt. Für Familien mit schulpflichtigen Kindern soll damit der Umzug von einem Kanton in einen anderen einfacher werden. Dieses Ziel wurde verfehlt, da sich die Deutschschweizer Kantone beim Fremdsprachenunterricht nicht einigen konnten.

Lehrerinnen und Lehrer

«Die Schulen sind nicht so gut wie ihre Reformen, sondern so gut wie ihre Lehrer», sagt Rolf Dubs, ehemaliger Professor für Wirtschaftspädagogik. Obwohl wissenschaftlich erwiesen ist, dass die Lehrpersonen hauptsächlich für den Lernerfolg der Schüler verantwortlich sind, kümmern sich die meisten Reformen um alles andere als um die Lehrer. Im Lehrplan 21 werden sie zu Lerncoaches degradiert, fürchten viele Lehrer.

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