30. November 2015

Überfällige inhaltliche Kritik

Das war nun wirklich überfällig. Nachdem die gesamte Linke die Kritik am Schulwesen jahrelang darauf beschränkt hat, über angeblich fehlende Mittel zu jammern, kommt nun aus dieser Ecke endlich wieder ein kritischer Ansatz inhaltlicher Art. Völlig zu Recht, denn vor bald zehn Jahren sprach sich das Volk mit überwältigender Mehrheit für eine Harmonisierung des Schweizer Bildungswesens aus. Die sogenannte Bildungsverfassung verpflichtet seither die Kantone und den Bund zur Koordination und Zusammenarbeit im gesamten Bildungsbereich. Schuleintrittsalter, Schulpflicht, Dauer und Ziele der Bildungsstufen, Übergänge im System und die Anerkennung von Abschlüssen sollten gesamtschweizerisch geregelt werden. Die Kantone sollten zwar die Schulhoheit behalten. Die Verfassung verpflichtet seither jedoch die Kantone und den Bund zur Zusammenarbeit. Alles in allem sollte das System vereinfacht werden, es sollte vor allem einfacher werden, wenn eine Familie mit Kindern von einem Kanton in einen anderen umzieht.
Die linken Schulpolitiker sind endlich aufgewacht, Sonntagszeitung, 29.11. von Arthur Rutishauser


Doch das Gegenteil ist passiert. Das Wirrwarr ist grösser denn je. Die Kantone streiten sich untereinander mit viel Herzblut, wann denn nun genau wer mit welcher Fremdsprache beginnen soll – obwohl alle wissen, dass erstens der frühe Beginn nicht viel bringt und zweitens die Jugendlichen nach der Volksschule bestenfalls Englisch können und die Kenntnisse der zweiten Landessprache, sei es nun Deutsch oder Französisch, allen Förderungsmassnahmen zum Trotz eine Katastrophe sind. Bei der Dauer und dem Ziel der Bildungsübergänge gibt es inzwischen deutlich mehr Systeme als Kantone. Das geht mittlerweile so weit, dass die Lehrmeister den Zeugnissen der Sekundarschule nicht mehr trauen und eigene Tests durchführen.

Was es braucht im Volksschulwesen, ist eine Rückbesinnung auf das Wesentliche, auch und gerade bei der Harmonisierung der Systeme. Die Eckpfeiler sind klar: Wann man mit welcher Fremdsprache beginnen soll, müsste dazugehören, denn wie soll sich sonst ein Kind in der neuen Schule zurechtfinden, wenn die Eltern den Kanton wechseln? Gleiches gilt für die Lernziele in Mathematik und in der Muttersprache. Dazu gehört auch der Zeitpunkt des Übertritts in die Sekundarstufe. Und jener ins Gymnasium und die Antwort auf die Frage, ob es dazu eine Prüfung braucht. Der Rest ist geregelt durch die Anforderungen an die Berufsabschlüsse oder die Matur. Doch all das haben die Bildungspolitiker mit ihren Beamten nicht geschafft und stattdessen einen neuen Lehrplan mit 363 Kompetenzen und 2304 Kompetenzstufen für Nebensächlichkeiten erfunden. Für Schüler gäbe es bei so einem Resultat eine 2.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen