29. September 2015

Wieder Knatsch in der Rumantschia

Im Jahr 2012 gab es eine Vereinbarung zum damals viel diskutierten Thema «Rumantsch Grischun in der Schule». Diese Vereinbarung ­basierte auf einem «Modell der ­Koexistenz», welches unter der Leitung der Lia Rumantscha zwischen Befürwortern (Pro Rumantsch) und Gegnern (Pro Idioms) der einheitlichen rätoromanischen Schriftsprache angenommen wurde.
Für die Gegner (Pro Idioms ­Engiadina und Pro Idioms Surselva) war diese Vereinbarung allerdings schnell vergessen. Sie protestierten nämlich vehement, als die Inhalte dieser Vereinbarung in die Vorschläge des Lehrplans 21 einflossen.
Die Lia Rumantscha macht nun also einen neuen Vorschlag für den Lehrplan21. Darin gibt es vom ­ursprünglichen Modell der Koexistenz nur noch einige Brotkrumen. Der neue Vorschlag kommt dem Ziel der Pro Idioms, die gemeinsame Schriftsprache ganz aus der Volksschule zu verbannen, sehr nahe.
Leserbrief, Südostschweiz, 29.9. von Maria Cadruvi


Und was machen die Präsidenten der beiden Pro Idioms? Sie beenden ihre Medienmitteilung zynisch mit den Worten: «Nach langer Diskussion erklärt sich die Pro Idioms ­bereit – um des Friedens willen – die von der Ligia Romontscha vor­geschlagene Version anzunehmen.» Und die Lia Rumantscha feiert diese Stellungnahme auch noch wie einen «Durchbruch». Diese Geschichte – ein krasser Verstoss gegen Treu und Glauben und gegen eine getroffene Vereinbarung – kann man bildhaft auch ­anders erzählen:

Zwei Kinder streiten wegen einer Wurst, welche die Mutter zubereitet hat. Die Mutter vermittelt. Gemeinsam wird vereinbart: Jedes Kind bekommt die Hälfte. Als es dann aber wirklich zum Teilen kommt, protestiert das etwas lautere Kind ganz heftig. Die Mutter lässt sich einschüchtern und macht den Vorschlag, dem lauteren Kind fast die ganze Wurst zu lassen – das leisere soll nur den kleinen Wurstzipfel ­bekommen. Das lautere Kind erklärt feierlich, es sei damit gar nicht einverstanden, aber – um des Friedens willen sei es bereit, den Vorschlag der Mutter anzunehmen. Und diese kann es nicht lassen, sich für ihre grossartige Leistung in diesem Streit auch noch selbst zu loben.

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