Es war ein zwiespältiger Eindruck, den Monica Gschwind am Mittwochabend
hinterliess. Die neue Bildungsdirektorin stellte sich an der
Mitgliederversammlung des Lehrervereins Baselland (LVB) den Fragen der
Lehrerschaft. Das allein brachte ihr einen gewissen Respekt ein, war der
Freisinnigen doch bewusst, dass die Unzufriedenheit über die Sparmassnahmen im
Bildungsbereich gross ist. Auch sammelte sie Pluspunkte, weil sie ankündigte,
sich jeden zweiten Freitagmorgen für Schulbesuche freihalten zu wollen.
Wiedemann zu Gschwind:"Wärst du nicht in der Regierung, würdest du Passepartout bachab schicken", Bild: Michael Nittnaus
Sparmassnahmen: Monica Gschwind macht Zugeständnisse, Basellandschaftliche Zeitung, 24.9. von Michael Nittnaus
Die Geister der Vergangenheit
Doch im Coop-Tagungszentrum von Muttenz wurde ebenso offensichtlich,
dass die Hölsteiner Treuhänderin nach 85 Tagen im Amt noch nicht in allen
Bildungsdossiers sattelfest ist. «Jetzt muss ich meinen Joker ziehen», gab sie
während der Fragerunde das Wort gleich mehrfach an Urs Zinniker weiter, den
Abteilungsleiter Schulbetrieb beim Amt für Volksschulen. Gar nicht gut kam
Gschwind mit ihrem Versuch an, die Lehrer davon zu überzeugen, dass sie von den
im Juli vorgestellten Sparmassnahmen nicht stärker als andere Staatsangestellte
betroffen seien.
Nur zu gern wurde sie daran erinnert, dass sie noch im
Regierungswahlkampf Anfang Jahr versprochen habe, nicht im Klassenzimmer und
auch nicht bei den Lehrerlöhnen sparen zu wollen. «Ich sagte damals, dass ich
dagegen bin, wenn nur bei den Lehrern gespart wird. Nun sind aber alle
Direktionen betroffen», versuchte Gschwind sich zu erklären. «Na, das ist ein
echter Trost», kam prompt ein vor Ironie triefender Zwischenruf.
Dennoch bewies Gschwind auch, dass ihre Ankündigung in der bz von Ende
Juli, «als neue Direktionsvorsteherin hinterfrage ich alles, was bisher galt»,
nicht bloss leere Worte waren. Dass sie bei der Erarbeitung des aktuellen Sparmassnahmen-Pakets
noch gar nicht involviert war und zudem bildungspolitisch konservativer tickt
als ihr Vorgänger Urs Wüthrich (SP), zeigt sich nicht nur in ihrem «Marschhalt»
beim Lehrplan 21.
Im Schnitt zwei Schüler mehr
Als die versammelte Lehrerschaft sich echauffierte, dass die Regierung
die maximalen Klassengrössen auf den Sekundarstufen I und II auf 26 erhöhen
möchte – und das sogar im Niveau A, wo die Höchstzahl momentan bei 20 liegt –,
relativierte Gschwind: Keinesfalls sei es die Meinung gewesen, über alle
Niveaus flächendeckend diese Klassengrösse einzuführen. Dafür fehle es in
Baselland sowieso an Schulraum.
Dies genügte LVB-Präsident Roger von Wartburg allerdings nicht. Er hakte
nach: «Können Sie heute ein Bekenntnis abgeben, dass die Niveau-A-Klassen nicht
auf 26 Schüler erhöht werden, Frau Gschwind?» Und die Regierungsrätin machte
ihm den Gefallen: «Ja, 26 Schüler in einer Niveau-A-Klasse sind für mich nicht
denkbar. Es darf nicht zulasten der Schwächsten gehen.» Tosender Applaus. Dabei
schien fast etwas unterzugehen, dass Gschwind betonte, das Sparziel ihrer
Direktion von 50 Millionen Franken dennoch einhalten zu müssen und die Lehrer
wohl auch nicht mit 24 oder 25 Schülern im Niveau A zufrieden wären. Zuversichtlich
dürfte Zinnikers Ergänzung stimmen, wonach die Klassen im Schnitt um rund zwei
Schüler vergrössert werden müssten.
Gschwind stärkte den Lehrern noch an anderer Stelle den Rücken: Die
bereits umgesetzte Pflichtstundenerhöhung für Sekundar- und Gymnasiallehrer
sollte eigentlich in den Bereichen Schulentwicklung, Weiterbildung oder
Elternberatung kompensiert werden, doch im Alltag werde dies von den
Schulleitungen kaum umgesetzt. «Sie müssen darauf beharren, dass sie die
Zusatzlektion kompensieren können.» Wenig Gehör zeigte Gschwind aber dafür,
dass die Lehrer von der Politik Vorschläge erwarten, wo genau sie kompensieren
können.
Widerstand gegen Passepartout
Schonungslos aufgedeckt wurde die Unerfahrenheit der Bildungsdirektorin
beim Thema Fremdsprachenkonzept «Passepartout». Dieses didaktische Konzept für
den Französisch- und Englisch-Unterricht in der Primar- und der Sekundarschule
wird von sechs Kantonen unterstützt und ist in Baselland bereits angelaufen.
Dass alle Fremdsprachenlehrer dafür bis zu 16 Tage Weiterbildung besuchen
müssen, sei gerade beim aktuellen Spardruck unsinnig, monierten die Lehrer und
verhehlten dabei auch nicht, dass sie sich die alten Lehrmittel zurückwünschen.
Gschwind jedoch gab zu, das Konzept noch nicht genau angeschaut zu haben
(«Sie bringen mich in eine Zwickmühle») und betonte bloss, dass ein Abbruch von
«Passepartout» so früh nach dem Start nicht zu verantworten sei. Nicht unrecht
dürfte Landrat und Lehrer Jürg Wiedemann gehabt haben, als er aufstand, um der
von ihm im Wahlkampf unterstützten Regierungsrätin zu helfen: «Ich kenne Deine
persönliche Haltung, Monica. Wärst Du nicht in der Regierung, würdest Du
‹Passepartout› bachab schicken.» Darauf Gschwinds bezeichnende Antwort: «Ich
kann das Rad nicht mehr zurückdrehen.» Die Freisinnige muss sich eindeutig noch
in ihrer neuen Rolle zurechtfinden.
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