Nein, es pressiert
überhaupt nicht. Die Eile, mit der die Schule an allen Ecken und Enden
reformiert werden soll, ist nicht nachvollziehbar. Die Schule steckt nicht in
einer Krisensituation, aus der sie sofort herausgeführt werden muss. Es ist
keineswegs dringlich, den Lehrplan 21 bereits gestern einzuführen.
Lehrplan 21 als grosse Testmanufaktur, Bild: SRF
Das letzte Wort den Volksvertretern, Basler Zeitung, 26.9. Kommentar von Thomas Dähler
Das Lamento über die
«Planungssicherheit», die für die Baselbieter Volksschule fehlt und dringend
wieder hergestellt werden muss, ist nicht mehr als eine unnötige Aufregung von
Bürokraten. Der Landrat hat sich diese Woche davon nicht beirren lassen und auf
das kommende Jahr eine Volksabstimmung über den Lehrplan 21 angesetzt. Es ist
nicht nachvollziehbar, weshalb das Volk nichts zur Volksschule zu sagen haben
soll. Bei der Abstimmung im kommenden Winter oder Frühjahr wird es darum gehen,
ob der Lehrplan 21 im Baselbiet von einem Expertengremium oder von den
Volksvertretern in Kraft gesetzt werden soll.
Dies entbehrt nicht einer
gewissen Ironie: Der Lehrplan 21 ist ein Werk, das von Experten entworfen wurde
und nun Schritt für Schritt zu einem praxistauglichen Kompass umgestaltet
werden muss. Anfänglich war es überhaupt ausgeschlossen, die Entstehung des
Lehrplans 21 öffentlich zu machen. Die mit der Ausarbeitung beauftragten
Bildungsexperten hatten die Entwürfe vorerst eifrig geheim gehalten, damit
nicht vorzeitig ein öffentlicher Diskurs vom Zaun gebrochen wurde. Doch die
Quittung folgte auf dem Fuss: Bei der Vernehmlassung erntete das monströse
Expertenwerk auf breiter Front Kritik. Inzwischen haben die Deutschschweizer
Erziehungsdirektoren eine korrigierte Version abgesegnet, von Ideologien
weitgehend befreit und umfangmässig entschlackt.
Ob die jetzt gültige
Version aber die definitive ist, kann noch nicht abgeschätzt werden. Schon nur
deswegen ist es nicht zielführend, die Einführung möglichst schnell zu
verfügen. Es ist gut möglich, dass die nach wie vor breite Opposition in vielen
Kantonen dazu führt, dass der Lehrplan 21 noch einmal überarbeitet werden muss.
Eines ist inzwischen klar: Als klassische Anleitung an die Lehrkräfte ist er
untauglich. Mehr als ein übergeordneter Kompass ist er nicht. Es wäre durchaus
sinnvoll, das Werk noch weiter nachzubessern und statt nur intellektuell
formulierte Zielsetzungen auch einige konkrete Lerninhalte zu verankern.
Lerninhalte würden, wie einst angestrebt, die Schulwechsel von Kanton zu Kanton
erleichtern.
Auch in der jetzt
freigegebenen Form ladet der Lehrplan 21 die Schulen vor allem ein, mit
regelmässigen Tests zu kontrollieren, ob vorgegebene Ziele erreicht sind. Auch
bei den Baselbieter Primarlehrern wurde bereits der Ruf nach zentralen
Checklisten für Lehrplan-21-kompatible Schülerbeurteilungen laut. Doch
glücklicherweise prägen noch keine jährlichen Kompetenzstufen den Schulalltag.
Wenn Bildungsdirektorin Monica Gschwind diese Woche an der Versammlung des
Lehrervereins dazu aufrief, Beurteilungskriterien frei und individuell
festzulegen, weist dies immerhin auf einen erfrischend pragmatischen Umgang mit
dem nationalen Schulkompass hin.
Nichts wäre verheerender
als eine gleichgeschaltete Beurteilungsbürokratie, die den Lehrkräften die
Möglichkeiten eines individuellen Unterrichts nimmt und sie stattdessen zur
blossen Lernaufsicht verpflichtet. Deshalb ist es auch zu begrüssen, wenn die
Entscheide zum Lehrplan 21 von Volksvertretern statt von Bildungsexperten
gefällt werden. Damit steigt die Chance, dass der Lehrplan 21 nur freigegeben
wird, wenn er mit den nötigen Ergänzungen für den Schulalltag versehen ist.
Diese müssen keineswegs neu erfunden werden, denn die Baselbieter Schulen haben
schon bisher Kenntnisse vermittelt, die den Schülerinnen und Schülern zu den
nötigen Fähigkeiten verholfen haben, später das private und berufliche Leben
erfolgreich zu gestalten. Ohne praktische inhaltliche Ergänzungen ist der
Lehrplan 21 nicht anwendbar.
Es ist bedauerlich, dass
auf der politischen Ebene die Schulreformen zum Zankapfel zwischen links und
rechts verkommen sind. Zwar ist es nachvollziehbar, dass im Schulalltag
gesellschaftliche Sozialisierung und Leistungsorientierung gegeneinander
abgewogen werden müssen. Doch wenn Schule Lebensschule sein will, braucht es beides.
Wer die Leistungsorientierung geringschätzt und die Schulniveaus auf der
Sekundarstufe verwässert, behindert die Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg
in den beruflichen Alltag.
Deshalb muss auch
verhindert werden, dass der Nivellierung Tür und Tor geöffnet wird. Auf die
obligatorische Schulbildung folgt die Ausbildung an einer weiterführenden
Schule oder die Berufslehre. Die Volksschule ist darauf auszurichten, dass sich
die Jugendlichen für unterschiedliche Zukunftsperspektiven entscheiden. Wenn die
Aussicht auf eine bessere politische Abstützung dazu beiträgt, dass die Schule
den Bezug zur Realität nicht verliert, kann dies auch den Bildungsexperten nur
recht sein.
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