Mit der ihm eigenen bewundernswerten Souveränität und Kühnheit
hat Basels Bildungsminister, Topexperte in Pädagogik, Didaktik und Methodik,
Schulstratege von Gottes Gnaden seine Bildungsartillerie für die bevorstehende pädagogische
Jahrhundertschlacht ausgerüstet. Ausgerüstet hat er sie leider auf eine höchst
fragwürdige und kaum erfolgversprechende Art. Nämlich mit dem
berühmt-berüchtigten Rohrkrepierer Lehrplan 21.
Schola, quo vadis, Basler Zeitung, 20.8. von Roger Rappo
Am 17. August wurde in Basel fast feierlich andachtsvoll dieses
höchst problematische und recht umstrittene Konstrukt eingeführt. Nicht etwa
nur probeweise und in einzelnen Klassen, sondern generell und definitiv. Man
hat es gewissermassen für alle Zeiten einzementiert. In anderen Kantonen ist
das Volk offensichtlich kompetenter und kann deshalb in dieser Frage mitreden.
Das vermeintlich tumbe Basler Volk hingegen, das von dieser komplexen Materie
sowieso nichts versteht, muss natürlich bevormundet werden und darf sich dazu
nicht äussern. Wohin würde das auch führen?
Steht dahiner die väterliche Sorge eines weisen Magistraten, der
seinen unmündigen Untertanen schwere Kopfarbeit ersparen möchte? Oder handelt,
wie Alain Pichard in der BaZ vermutet, Regierungsrat Eymann nach dem Prinzip:
«Jetzt machen wir mal was, und wenn es nicht funktioniert, machen wir etwas
anderes. Vielleicht funktioniert das dann auch nicht.» Wer, ausser Christoph
Eymann selbst, kann das wissen? Eventuell weiss er es selbst nicht. Traurig ist
nur, dass schlussendlich unsere Kinder es ausbaden müssen.
Nun, während im Kanton Baselland gegen dieses aufgeblasene
Machwerk (470 Seiten Blabla, 2304 Kompetenzen) stetig wächst, ist es in Basel
nach wie vor eher bescheiden klein und diskret. Verständlicherweise. Man ist in
dieser ehrwürdigen Humanistenstadt dank der seit einem Vierteljahrhundert
grassierenden Reformitis schlicht und einfach erschöpft, erlahmt und gefügig.
Einen fatalistischen Refrain bekomme ich immer wieder von Basler Lehrern zu
hören : «Da kann man doch nichts machen.»
Ein paar Blümchen aus dem tollen Lehrplan-21-Bouquet gefällig?
Bitte sehr: Beherrschung des Einmaleins? Ist doch nicht nötig. Man muss bloss
wissen, dass es so etwas gibt. Multiplizieren und dividieren? Nur noch mit dem
Rechner. Dafür ist er doch da! Dem Unterricht aufmerksam folgen? Das ist doch
veraltet. Es reicht, «seine Aufmerksamkeit auf sprechende Personen zu richten»
(wahrscheinlich auf den sich produzierenden Klassenclown oder den munter
quasselnden Banknachbar). Fächer wie Geschichte, Geografie und Biologie? All das
ist veraltet. All das ist jetzt ersetzt durch etwas Moderneres,
Imponierenderes, durch das ebenso neblige wie grosskotzige Sammelfach «Räume,
Zeiten, Gesellschaft».
Kurz: 2304 Kompetenzen, auf 470 Seiten Phrasen und Wortgerassel.
470 Seiten bluff without stuff. Die exaltierten Lehrplan-21-Pädagogikheilsprediger
(fast durchwegs praxisferne Bildungsbürokraten und emsige Schreibtischtäter)
glauben mit ihrem ein Kilo «starken» Riesenschmöker das Tor zum pädagogischen
Paradies aufgestossen zu haben. Den über diesem Tor prangenden Vers Dantes –
aus der Divina Commedia, Inferno 3,9 – übersehen sie: «Lasciate ogni speranza,
voi ch’entrate.» Gebt alle Hoffnung auf, ihr, die ihr hier eintretet.
Roger
Rappo, Therwil, licence ès lettres der Sorbonne Paris, pensioniert, war Lehrer
am Humanistischen Gymnasium HG in Basel.
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