6. Juli 2015

"Von einem Flickenteppich zu sprechen, ist übertrieben"

Michael Schoenenberger kommentiert die EDK-Stellungnahme zu Harmos. Er pflichtet den Erziehungsdirektoren weitgehend bei. 
Eine knifflige Aufgabe wartet, NZZ, 2.7. von Michael Schoenenberger


Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) zieht neun Jahre nach der Annahme der Bildungsartikel in der Bundesverfassung eine positive Bilanz der Harmonisierung der Volksschule. Tatsächlich wurde in dieser Zeit viel erreicht. Das gilt es zu würdigen, umso mehr in einem Land, das gerade in Angelegenheiten der Volksschule einen ausgeprägten und berechtigten Föderalismus lebt. Das Grundziel aller Harmonisierung ist - mit einer Ausnahme - erreicht: Verlagert eine Familie mit Kindern ihren Lebensmittelpunkt in einen anderen Kanton, hat das lernende Kind keine gravierenden Nachteile für seine schulische Vita mehr zu gewärtigen. Mobilität wird heute in der Schweiz nicht mehr bestraft.
Die unschöne Ausnahme ist der Sprachenunterricht. Zwar ist der EDK zu attestieren, dass sie auch in dieser Frage mehr zustande gebracht hat, als einige erwartet haben. Das Modell 3/5 mit zwei Fremdsprachen in der Primarschule ist in 23 Kantonen etabliert oder ist auf gutem Weg. Doch ideal ist dieses Modell, bei aller Wertschätzung für einen mühsam zustande gebrachten Kompromiss, natürlich nicht. Aus der Optik der Lernenden bleiben störende Differenzen. Sie haben bei einem Umzug nach wie vor möglicherweise jahrelangen Sprachunterricht nachzuholen. Zudem gibt es Unsicherheiten: Wie der Kanton Thurgau den Sprachenunterricht regeln wird, ist derzeit offen.
Von einem Flickenteppich zu reden, ist übertrieben. Auf den federführenden, frankofonen Bundesrat Alain Berset kommt indessen eine knifflige Aufgabe zu. Zu klären ist, was in der Sprachenfrage unter Zielerreichung genau zu verstehen ist. Welche Haltung nimmt der Bund ein, wenn die Thurgauer ein Konzept vorlegen, das «beweist», dass seine Schüler am Ende der obligatorischen Schulzeit besser Französisch können als Kinder aus anderen Kantonen, weil sie zum Beispiel in der Summe wesentlich mehr Unterricht genossen haben oder die Lehrpersonen besser geschult worden sind? Staatspolitisch gesehen machte dann der Kanton Thurgau seine Aufgabe besser als andere Kantone, einfach zu einem späteren Zeitpunkt.

Doch prinzipiell gilt die Feststellung: Für ein Land wie die Schweiz bleibt es wünschenswert, dass Kinder in der Primarschule Kontakt zu einer zweiten Landessprache haben. Das sollte nicht nur von den Nidwaldnern, sondern gerade auch am Bodensee eingesehen werden.

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