Eine knifflige Aufgabe wartet, NZZ, 2.7. von Michael Schoenenberger
Die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) zieht neun Jahre
nach der Annahme der Bildungsartikel in der Bundesverfassung eine positive
Bilanz der Harmonisierung der Volksschule. Tatsächlich wurde in dieser Zeit
viel erreicht. Das gilt es zu würdigen, umso mehr in einem Land, das gerade in
Angelegenheiten der Volksschule einen ausgeprägten und berechtigten
Föderalismus lebt. Das Grundziel aller Harmonisierung ist - mit einer Ausnahme
- erreicht: Verlagert eine Familie mit Kindern ihren Lebensmittelpunkt in einen
anderen Kanton, hat das lernende Kind keine gravierenden Nachteile für seine
schulische Vita mehr zu gewärtigen. Mobilität wird heute in der Schweiz nicht
mehr bestraft.
Die unschöne Ausnahme ist der Sprachenunterricht.
Zwar ist der EDK zu attestieren, dass sie auch in dieser Frage mehr zustande
gebracht hat, als einige erwartet haben. Das Modell 3/5 mit zwei Fremdsprachen
in der Primarschule ist in 23 Kantonen etabliert oder ist auf gutem Weg. Doch
ideal ist dieses Modell, bei aller Wertschätzung für einen mühsam zustande
gebrachten Kompromiss, natürlich nicht. Aus der Optik der Lernenden bleiben
störende Differenzen. Sie haben bei einem Umzug nach wie vor möglicherweise
jahrelangen Sprachunterricht nachzuholen. Zudem gibt es Unsicherheiten: Wie der
Kanton Thurgau den Sprachenunterricht regeln wird, ist derzeit offen.
Von einem Flickenteppich zu reden, ist übertrieben.
Auf den federführenden, frankofonen Bundesrat Alain Berset kommt indessen eine
knifflige Aufgabe zu. Zu klären ist, was in der Sprachenfrage unter
Zielerreichung genau zu verstehen ist. Welche Haltung nimmt der Bund ein, wenn
die Thurgauer ein Konzept vorlegen, das «beweist», dass seine Schüler am Ende
der obligatorischen Schulzeit besser Französisch können als Kinder aus anderen
Kantonen, weil sie zum Beispiel in der Summe wesentlich mehr Unterricht
genossen haben oder die Lehrpersonen besser geschult worden sind? Staatspolitisch
gesehen machte dann der Kanton Thurgau seine Aufgabe besser als andere Kantone,
einfach zu einem späteren Zeitpunkt.
Doch prinzipiell gilt die Feststellung: Für ein
Land wie die Schweiz bleibt es wünschenswert, dass Kinder in der Primarschule Kontakt
zu einer zweiten Landessprache haben. Das sollte nicht nur von den Nidwaldnern,
sondern gerade auch am Bodensee eingesehen werden.
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