Jeder Schüler träumt davon: nie mehr Hausaufgaben machen. Wahr geworden
ist der Wunsch für die Mädchen und Jungen der Gesamtschule Barmen im deutschen
Wuppertal. Anstatt nach dem Unterricht zuhause zu pauken, vertiefen die Fünft-
bis Achtklässler laut dem «Stern» den
Stoff im regulären Unterricht – in sogenannten Arbeitsstunden. Offenbar sind
die Schüler trotzdem nicht schlechter: Kürzlich wurde die Institution mit dem
Deutschen Schulpreis ausgezeichnet.
Gabriel Romano: "Auch Schüler haben den Feierabend verdient", Bild: Wade Payne
"Hausaufgaben sind nicht mehr zeitgemäss", 20 Minuten, 27.6. von B. Zanni
Für Gabriel Romano, Dozent der Erziehungswissenschaften an der
Pädagogischen Hochschule Bern, hat das Wuppertaler Modell Vorbildcharakter. Er
rät den Schweizer Schulen, die Hausaufgaben sofort aus dem Lehrplan zu kippen.
Viele Studien würden zeigen, dass Hausaufgaben meist wenig Lerneffekt haben:
«Unwirksam sind vor allem jene Aufträge, die kurz vor Unterrichtsschluss
zwischen Tür und Angel verteilt werden.» Laut Romano können die Aufgaben gar
kontraproduktiv sein.
Oft handle es sich um Stoff, der aus Zeitmangel nicht mehr durchgenommen
worden sei. «Zuhause sitzen die Schüler auf dem Trockenen und sind sich selber
überlassen», kritisiert er. Mischten sich dann die Eltern ein, stehe der
Haussegen schief.
Überhaupt seien Ufzgi ein «Relikt aus vergangenen Zeiten». Die
Lektionenzahl habe heute derart zugenommen, dass sich Hausaufgaben längst
erübrigt hätten. «Die Schüler lernen tagsüber genug», sagt der Dozent und
fordert eine Trennung zwischen Schule und Privatsphäre. «Die Volksschule ist
wie ein Fulltime-Job. Auch die Schüler haben den Feierabend verdient.»
«Schüler überfordert mit Hausaufgaben»
Auch Christoph Schmid, Bildungsprofessor an der pädagogischen Hochschule
Zürich, sagt: «Was die Schule in Deutschland macht, ist nicht das Dümmste.» Es
gebe keine Daten, die bestätigten, dass es ohne Hausaufgaben nicht ginge. Auch
bestehe die Gefahr, dass schwache Schüler durch Hausaufgaben zurückfielen,
statt aufzuholen. Schmid schlägt vor, die Hausaufgaben zu personalisieren. «Die
Lehrer müssten die Schüler dort abholen, wo sie gerade sind.»
Seiner Ansicht nach überfordern die Lehrer die Schüler manchmal, indem
sie deren Selbständigkeit und Selbstdisziplin überschätzen. «Dabei ist der Sinn
der Hausaufgaben ja, dass die Kinder Vertrauen in ihr Können gewinnen und
Erfolgserlebnisse haben», betont Schmid. Zudem ist er der Meinung, dass die
Schule die ausserschulischen Interessen der Mädchen und Jungen in Form von
Hausaufgaben in Sport, Musik oder Gestaltung fördern könnten. «Es spräche auch
nichts dagegen, einen Spaziergang mit Freunden an der frischen Luft zur Aufgabe
zu machen.»
«Kantone schreiben Hausaufgaben vor»
In den Schulen stehen die Hausaufgaben derzeit allerdings nicht zur
Debatte: «Die Lehrer sind sich einig, dass Aufgaben sinnvoll sein können und
die Kantone schreiben sie vor», sagt Franziska Peterhans, Zentralsekretärin des
Lehrer-Dachverbandes. Die Schüler lernten so, selbständig zu arbeiten. Zudem
reiche die Zeit in der Schule oft nicht, um etwas zu üben, bis es sitze. Die
Hausaufgaben seien auch wichtig für den Austausch in der Familie. «So erfahren
die Eltern am besten, was die Kinder in der Schule gerade durchnehmen. Das kann
auch neue Gesprächsthemen eröffnen.»
Dennoch zeigt sie sich offen gegenüber Veränderungen. «Da zunehmend
beide Elternteile berufstätig sind und darum wenig Zeit haben, sich mit den
Hausaufgaben zu beschäftigen, könne man die Diskussion über deren Sinn führen.»
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