Die Schweizer Hotellerie befindet sich in einer äusserst
schwierigen wirtschaftlichen Situation. Der starke Franken hat ihre Krise
zusätzlich verschärft. Nun kommt die Hoffnung auf Rettung aus einer
überraschenden Ecke: Offenbar wählen Lehrer für ihre Schullager immer häufiger
eine Unterkunft mit Halb- oder sogar Vollpension. «Heute füllen mehr und mehr
Klassen die Hotels und sorgen so für eine gute Auslastung in schwierigen
Zeiten» (bz, 22.6.15). Die Zeitung stützt sich auf eine
Auswertung der Vermittlungsplattform für Gruppenunterkünfte, groups.ch.
Roland Stark ist ehemaliger SP-Grossratspräsident von Basel-Stadt, Bild: Basler Zeitung
Klassenlager all-included, Basler Zeitung, 25.6. von Roland Stark
Mit der Erfahrung von einigen Dutzend Sommer- und Winterlagern
auf verschiedenen Schulstufen kann ich sagen: Diese Entwicklung geht in eine
total falsche Richtung. Klassenlager «haben einen hohen pädagogischen und
sozialen Stellenwert: Sie fördern den Zusammenhalt der Klasse, vertiefen die
Beziehung zwischen Kind und Lehrperson und erleichtern die Integration von
fremdsprachigen Kindern.» Dieser Charakterisierung auf der Homepage des Basler
Erziehungsdepartements ist wenig beizufügen. Von der Absicht, dem Not leidenden
Tourismusgewerbe unter die Arme zu greifen, ist dort erfreulicherweise nichts
zu lesen. Im Vordergrund steht vielmehr die Erziehung zur Gemeinschaft, zu
Hilfsbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein.
Die Organisation und Durchführung eines Lagers bedeuten eine
Riesenbelastung. Der Zeitaufwand ist enorm und der Druck der Verantwortung
lastet schwer auf den Schultern der Lehrerschaft. Auch sind der Anteil der
Bürokratie und der Sicherheitswahn stetig angewachsen, anderseits ist die
Unterstützung, auch die finanzielle, durch die öffentliche Hand spürbar
gesunken.
Der Kanton Baselland zum Beispiel hat die Beiträge an Schullager
auf der Sekundarstufe von ehemals vier Millionen auf 2,5 Millionen Franken
gekürzt. Der Stadtkanton gefährdet mit der Streichung der läppischen
60 000-Franken-Subvention an die Basler Stiftung für Ferienkolonien den Weiterbestand
des traditionsreichen Lagerhauses in Prêles. Schon zuvor hatte Basel-Stadt unverständlicherweise
eine Reihe seiner eigenen Lagerhäuser abgestossen. Dazu kommen noch, im Rahmen
des Sparpakets, die Kürzung der Beiträge an die Sportlager und die unsinnige
Aufhebung des Materialverleihs auf dem Sportamt.
Schon vor Jahrzehnten waren in den Klassenlagern Schülerinnen und
Schüler anzutreffen (ohne Migrationshintergrund), die noch nie einen Putzlumpen
oder einen Kochlöffel in den Händen gehalten hatten. Stand auf dem Menüplan
Pizza Prosciutto, steuerte die Einkaufstruppe im Supermarkt entschlossen die
Tiefkühltruhe an. An der selbst gemachten Spaghettisauce wurde herumgemäkelt,
weil die Fertigbrühe aus der Büchse bei Mama angeblich besser schmecken würde.
Der Trend zu All-included-Klassenlagern, in denen auf die
Mitarbeit der Schüler (treffender wohl Kundschaft genannt) verzichtet wird,
zusammen mit der schleichenden Auflösung des praktischen Kochunterrichts an den
Volksschulen lässt jedenfalls nichts Gutes ahnen. Statt Sozialverhalten wird
mit dem angebotenen Service de- luxe Konsumverhalten eingeübt. Eine verhängnisvolle
Fehlentwicklung.
Die Schulbehörden können sich nicht aus der Verantwortung stehlen.
Ihre Zuständigkeit erstreckt sich weit über den Physik- oder Matheunterricht
hinaus. Klassenlager mit VIP-Verwöhnungsangeboten sollten schlicht und einfach
nicht bewilligt werden. Für pädagogischen Unfug sind Steuergelder nicht
gedacht.
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