Ein Mentor bespricht mit einer Studentin deren Praktikum, Bild: Dominik Wunderli
Werden Lehrer ungenügend vorbereitet? Neue Luzerner Zeitung, 23.5. von Yasmin Kunz
Immer mehr wollen Lehrer oder Lehrerin werden. Für das kommende Jahr
verzeichnet die Pädagogische Hochschule (PH) Luzern 467 Neuanmeldungen. Insgesamt
absolvieren aktuell 1889 Studenten die Lehrerausbildung (Ausgabe vom Montag).
Die PH Luzern boomt, was erstaunt angesichts der Zahlen des Bundesamts für
Statistik: Rund 16 Prozent der frisch ausgebildeten Lehrer steigen im ersten
Berufsjahr aus. In den ersten fünf Jahren verlassen landesweit sogar 30 Prozent
den Lehrerberuf.
Über 80 Prozent bleiben
Auch die Dienststelle Volksschulbildung des Kantons Luzern hat die
sogenannte Verweildauer der Lehrer mit einer unbefristeten Anstellung im Beruf
erfasst. Im Schuljahr 2013/14 haben im Kanton Luzern 161 Lehrer gekündigt. 98
davon hatten maximal fünf Jahre als Lehrer gearbeitet. Und von diesen waren 31
nicht älter als 30 Jahre. Diese Statistik ist allerdings mit Vorsicht zu
geniessen. Denn als Austritt werden alle Lehrer erfasst, die gekündigt haben,
also auch jene, die andernorts eine neue Anstellung als Lehrer antreten. Der
Kanton Luzern zählt rund 5000 Lehrer auf der Volksschule. Davon haben rund 2700
ein unbefristetes Verhältnis mit einem Pensum von über 15 Prozent.
Michael Zutavern, Prorektor der PH Luzern, bezieht sich bei den
Aussteigern auf die Zahlen der Schweizerischen Koordinationsstelle für
Bildungsforschung (SKBF). Diese zeichnen ein etwas anderes Bild als jene des
Bundes. Im SKBF-Bildungsbericht 2014 heisst es: «Die Lehrpersonenausbildung
zeichnet sich durch eine relativ hohe Berufseintrittsquote aus.» Demnach würden
80 Prozent der PH-Absolventen auch ihre erste Stelle im Bildungsbereich
antreten. Weiter schreibt die SKBF, dass während der ersten fünf Berufsjahre
nur eine geringe Ausstiegsquote festzustellen sei.
Berufsausstieg wegen Eltern
Präzise Zahlen zu Aussteigern aus dem Lehrerberuf sind also nicht
erhältlich. Dennoch kann abgeleitet werden, dass viele Lehrer ihren Beruf nach
wenigen Jahren wieder an den Nagel hängen. Warum verlassen sie teils kurz nach
dem Studium das Schulzimmer? Laut dem SKBF-Bericht sind unter anderem folgende
Austrittsgründe festgehalten: begrenzter Arbeitsvertrag, Wunsch nach einem
Berufswechsel, unbefriedigende Arbeitsbedingungen. Und was sagen Aussteiger
selber über ihre Beweggründe? Unsere Zeitung hat mehrere ehemalige Lehrer
befragt. Zwar will niemand mit Namen in der Zeitung erscheinen. Doch alle geben
an, wegen schwieriger Elternarbeit, fehlender Aufstiegsmöglichkeiten und zu
grossem administrativem Aufwand den Beruf verlassen zu haben. Auf solche
Situationen werde man im Studium zu wenig vorbereitet, sind sich die Aussteiger
einig.
Michael Zutavern sagt dazu: «Ein Viertel der Ausbildung findet in den
Praxisschulen statt. Themen wie Elternarbeit und Umgang mit Belastung haben
zudem einen hohen Stellenwert. In jedem Beruf ist der Einstieg herausfordernd –
wir versuchen aber laufend, die aktuellen Anforderungen an die Junglehrer zu
berücksichtigen.» Die PH würde eng mit den Kantonen und Praxisschulen – also
Schulen, an denen angehende Lehrer Praktika absolvieren – zusammenarbeiten, und
Dozenten seien während der Praktika viel in den Schulen, so der Prorektor.
Lehrerin: «Ungenügend vorbereitet»
Tabea Küffer (29) arbeitet seit drei Jahren als Sekundarlehrerin an
verschiedenen Schulen im Kanton Luzern. Sie erklärt, weshalb sie sich für den
Berufsalltag nicht gewappnet fühlte: «Ich wusste ganz genau, wie ich didaktisch
und inhaltlich Lektionen aufbereiten musste, doch auf die administrative Arbeit
war ich nicht genügend vorbereitet.» Die 29-Jährige fragt sich, ob die Didaktik
in der Ausbildung vielleicht nicht einen zu hohen Stellenwert erhält.
Dem pflichtet auch Livia Sabini (25) bei, welche die PH vergangenen
Januar abgeschlossen hat: «Ich habe das Gefühl, dass viele Dozenten sich nicht
im Klaren darüber sind, dass die Theorien, welche sie vermitteln, der Realität
oft nicht standhalten.»
Tabea Küffer schätzte den einwöchigen Vorbereitungskurs für Junglehrer
an der PH. «Der hat mir wirklich geholfen, im Alltag besser klarzukommen. Denn
eine offizielle Ansprechperson, ein sogenannter Mentor, hat mir in meinem
ersten Berufsjahr gefehlt.»
Armin Weingartner (56) ist in der Ausbildung an der PH in Luzern als
Mentor sowie als Praxislehrer in Neuenkirch tätig. Er betreut künftige Lehrer
unterschiedlichen Semesters. Er weiss, dass die Studenten nur am Rande mit dem
administrativen Teil des Lehrerjobs in Kontakt kommen. «Im siebten Semester
beschäftigen sich die Studierenden mit der Schule als lernendes System. Dadurch
werden sie sensibilisiert auf Prozesse, die in den Schulen neben dem
eigentlichen Unterricht ablaufen – das genügt auch, finde ich.» Weingartner
findet, dass die PH «enorm viel für zukünftige Lehrpersonen macht». Der
Berufspraxis falle ab Studienbeginn ein hohes Gewicht zu. «Ich bin sicher, dass
die PH für unsere Volksschule mittelfristig eine grosse, vielleicht gar die
entscheidende Innovationsquelle darstellt.»
Perfekte Vorbereitung «unmöglich»
Zufrieden mit seiner Ausbildung ist denn auch Oliver Marty (28), der
sein Seklehrerstudium an der PH Luzern vor vier Jahren abgeschlossen hat: «Die
PH hat mir wichtige Tipps zum Unterrichten gegeben.» Dass die PH einen optimal
auf den Unterrichtsalltag vorbereiten könne, sei unmöglich, sagt Marty, der in
Zug unterrichtet. «Ein Studium von neun Semestern reicht da schlicht nicht. Es
braucht Praxiserfahrung, um im Beruf zurechtzukommen.» Was ihm den
Arbeitseinstieg erleichtert hat, war sein Mentor. «Er hat mich sehr gut in den
Arbeitsalltag eingeführt.»
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