Mehr Mitsprache beim Lehrplan, NZZ, 29.5.
Er ist rund 500 Seiten dick, und kaum jemand hat
ihn gelesen: Der Lehrplan 21 beherrscht seit Jahren die bildungspolitische
Diskussion. Und immer lauter wird die Kritik, dass Parlamente und Volk in den
Kantonen nie Gelegenheit hatten, zu dem Werk Stellung zu nehmen, das die
Volksschule in den nächsten Jahren entscheidend prägen wird. In mehreren
Kantonen wurden Volksinitiativen lanciert, die eine Mitsprache des Volkes
verlangen. Auch im Kanton Zürich starten Kritiker nun eine entsprechende Initiative.
Ein Komitee unter Führung von SVP-Kantonsrätin Anita Borer (Uster) hat sie am
Donnerstag in Zürich vorgestellt.
Mit Lerninhalten unzufrieden
Nach den Vorstellungen der Initianten soll nicht
der Bildungsrat über den Lehrplan entscheiden, wie das Volksschulgesetz das
vorsieht, sondern der Kantonsrat. Und zwar in einem referendumsfähigen
Beschluss, zu dem das Volk bei Bedarf das letzte Wort hat. Die breite
Unzufriedenheit mit den im Lehrplan 21 festgelegten Lerninhalten und Lernformen
verlange nach einer starken demokratischen Mitsprache, sagt Borer. Ein Lehrplan
müsse im Volk abgestützt sein. Zudem gehe es nicht an, dass die
Erziehungsdirektorenkonferenz in die Bildungshoheit der Kantone eingreife.
Nachdem es der Kantonsrat letztes Jahr abgelehnt hat, die Zuständigkeit für den
Lehrplan dem Parlament zu übertragen, soll das Thema nun vors Volk.
Unterstützung findet das Anliegen nicht nur bei der
SVP und Vertretern von Lehrerverbänden, sondern auch bei den Jungliberalen. Die
FDP hingegen sprach sich dagegen aus. Der Präsident der Jungliberalen, Andri
Silberschmidt, betonte bei der Lancierung, der Bildungsartikel in der
Bundesverfassung übertrage die Hoheit über die Schulen den Kantonen. Das
Harmos-Konkordat lege zwar fest, dass die Mobilität der Familien nicht
eingeschränkt werden soll. Der gemeinsame Lehrplan aber gehe weit darüber
hinaus und sei nur Ausdruck von reformerischem Übereifer der Erziehungsdirektoren.
Wettbewerb statt Zentralismus
Der Lehrplan 21 erschüttere die kantonale
Schulhoheit. Der Wettbewerb zwischen den Kantonen werde ausgehebelt durch eine
zentralistische Lösung. Dass die Einführung des Lehrplans im Kanton Zürich im
Grundsatz bereits beschlossen ist, ist für die Initianten kein Hindernis. Die
Umsetzung, die für die Zürcher Schulen verpflichtend sei, liege noch nicht vor,
sagt Silberschmidt. Über die Initiative dürfte seiner Ansicht nach entschieden
sein, wenn der konkrete Lehrplan vorliegt. Heute Freitag jedenfalls beginnt die
Unterschriftensammlung.
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