29. Mai 2015

Bundesgericht schützt behinderten Schüler

Einem Sekundarschüler mit einer Schreibschwäche muss bewilligt werden, dass er für die Prüfung ans Gymnasium einen Computer als Schreibhilfe benutzen kann. Dies hat das Bundesgericht entschieden. Ein heute 17jähriger Schüler wollte vor gut einem Jahr die Aufnahmeprüfung für das Gymnasium an der Kantonsschule Burggraben St. Gallen ablegen. Im Hinblick darauf fragten seine Lehrer bei der Kantonsschule nach, ob der Sekundarschüler die Prüfung, mindestens aber den Aufsatz im Fach Deutsch, mit einem Computer absolvieren dürfe. Zur Begründung führten die Lehrer an, in Stresssituationen sei die Schrift des Schülers dermassen unleserlich, dass niemand sie entziffern könne.
Behinderter Schüler darf Computer nutzen, St. Galler Tagblatt, 28.5.

Zehn Tage vor der Prüfung eröffnete der Kantonsschulrektor den Eltern in einer Besprechung, ihr Sohn dürfe weder einen Computer benützen noch bekomme er zusätzlich Zeit für das Lösen der Aufgaben. Die prüfenden Lehrpersonen würden jedoch über die Schreibschwäche orientiert und seien angehalten, das Geschriebene zu entziffern. In der Folge wurde dem Schüler ermöglicht, den Aufsatz im Fach Deutsch im Anschluss an die Prüfung auf einen Tonträger zu sprechen. Der Schüler scheiterte und bestand die Prüfung nicht.

Daraufhin erhob der Vater des Schülers Rekurs an den Erziehungsrat, blitzte dort aber ebenso ab wie beim St. Galler Kantonsgericht. Hingegen zeigte das Bundesgericht ein Einsehen: «Einem Schüler im Sekundarschulalter, der seine Gedanken <seit jeher> aufgrund von visuomotorischen Schwierigkeiten nur unter sehr grosser Anstrengung und kaum lesbar aufs Papier bringen kann, ist es in erheblicher Weise erschwert, eine Aufnahmeprüfung, die auch Aufgaben mit längerer freier Textproduktion enthält, handschriftlich abzulegen.»

Entgegen Gleichstellungsgesetz


Eine solch erhebliche Störung bei der motorischen Umsetzung der Ideen auf Papier hat laut Bundesgericht als Behinderung zu gelten. Damit ist auch klar, dass die Verweigerung des Computers gegen das Behindertengleichstellungsgesetz verstösst. Der Schüler darf nun die Prüfung in den Fächern mit freier Textproduktion – also in Deutsch und Französisch – wiederholen und dabei einen Computer als Schreibhilfe benützen. 

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