Laut Gewerbeverband brauchen 60 Prozent der Berufslehren keine Fremdsprachen, Bild: Gaetan Bally
"Mehr Werken, weniger Französisch büffeln", 20 Minuten, 7.4. von J. Büchi
Manuel ist
kräftig, handwerklich begabt und hat ein gutes Auge für Masse und Formen. Ein
Blick auf einen Plan – und er weiss, was er zu tun hat. Damit entspricht der
Jugendliche dem Profil des idealen Schreinerlehrlings. Dass er in der Schule
ein Französisch-Muffel war, ändert daran nichts.
Manuel ist
nicht allein: Gemäss einer Analyse der Lehrstellen-Profile des Schweizerischen Gewerbeverbands
(SGV) sind in 60 Prozent der Lehrberufe keine Fremdsprache-Kenntnisse nötig.
Das schreibt die «NZZ am Sonntag». Politiker verschiedener Lager fordern
nun, dass diese Erkenntnis in den Lehrplan der Sekundarschule einfliesst.
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Deutsch und Werken
Der
Zürcher GLP-Politiker und Sekundarlehrer Christoph Ziegler hatte schon 2012
verlangt, dass der Französischunterricht für Sek-B- und Sek-C-Schüler in den
letzten beiden Schuljahren freiwillig wird. Nachdem der Kantonsrat ein
entsprechendes Postulat versenkt hat, doppelt Ziegler nun mit einer
parlamentarischen Initiative nach.
«Die Schule
hat den Auftrag, dass sie den Kindern mitgibt, was sie später brauchen – und
bei vielen schwachen Schülern sind das eben keine Französisch-Kenntnisse», so
Ziegler. Es sei sinnvoller, wenn die betroffenen Schüler in der deutschen
Sprache oder beim Erwerb handwerklicher Fertigkeiten gefördert würden. «Ich bin
zuversichtlich, dass die neuen Zahlen meine Ratskollegen zu überzeugen
vermögen.»
Interesse
am Handwerk wecken
In dieselbe
Kerbe schlägt SVP-Nationalrätin Verena Herzog, die im Kanton Thurgau den
Anstoss zur Abschaffung des Frühfranzösisch gegeben hatte. Es müsse zwar das Ziel
sein, dass bis Ende Sekundarschule der Grossteil der Schüler gut Französisch
spreche. Prioritär seien aber bessere Grundkenntnisse in Deutsch und
Mathematik. «Ich meine deshalb, dass wir die schwächsten Schüler in der
Oberstufe von der Französischpflicht entbinden sollten.»
Mit einem
Vorstoss im Nationalrat will Herzog zudem darauf hinwirken, dass das Fach
Werken auf dem Stundenplan und in der Lehrerausbildung wieder mehr Gewicht
erhält. «Insbesondere Schüler mit Migrationshintergrund oder grossen
sprachlichen Schwierigkeiten können davon mehr profitieren, als wenn sie
Französisch-Voci büffeln.» Zwar ist das Schulwesen kantonal geregelt – für
Herzog hat das Anliegen aber durchaus eine nationale Relevanz. Gerade, weil
jedes Jahr viele Lehrstellen im handwerklichen Bereich nicht besetzt werden
könnten, sei es im Interesse von Wirtschaft und Gesellschaft, dass bei diesen
Schülern die Freude am Handwerk geweckt werde.
«Keine
Fachidioten»
Genau vor
dieser Argumentation warnt SP-Nationalrätin und Berufsschullehrerin Martina
Munz. «Die Volksschule soll den Kindern eine Allgemeinbildung garantieren und
sie nicht zu Fachidioten machen!», ärgert sie sich. Es sei falsch, wenn schon
in der Sekundarschule die Wirtschaft den Takt vorgebe. «Insbesondere, weil
heute die meisten Leute nicht mehr lebenslang den selben Beruf ausüben.»
Munz betont,
die Sprachkenntnisse seien oft matchentscheidend, wenn es darum gehe, sich im
Beruf weiterzuentwickeln. Die Bildungspolitikerin pocht deshalb nicht nur
darauf, dass der Fremdsprachenunterricht in der Volksschule unangetastet
bleibt. Geht es nach ihr, soll er in der Berufsschule sogar ausgebaut werden.
Munz kritisiert, heute hätten beispielsweise Elektroinstallateur-Lehrlinge
keinen Fremdsprache-Unterricht mehr. «Ich finde das sehr fragwürdig. Denn so
erschwert man diesen jungen Leute die Chance, später beispielsweise die
Berufsmatur nachzuholen.»
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