Schmerzen nach 30 Minuten Handschreiben, Bild: DPA
Handschrift von Schülern immer schlechter, FAZ, 1.4. von Heike Schmoll
Deutsche Schüler haben immer größere Schwierigkeiten, mit der Hand
zu schreiben. Das geht aus einer Umfrage hervor, die der Deutsche Lehrerverband
gemeinsam mit dem Schreibmotorik-Institut in Heroldsberg erhoben hat. 83
Prozent der Grundschullehrer gaben an, dass sich die motorischen
Voraussetzungen, die Kinder für die Entwicklung der Handschrift mitbringen, in
den vergangenen Jahren erheblich verschlechtert haben.
Das führt dazu, dass Schüler auch in den weiterführenden Schulen
kaum mehr als 30 Minuten beschwerdefrei schreiben können, weil sie offenbar zu
wenig Übung mit einer verbundenen Handschrift haben. Das gilt selbst für die
mehrstündigen Deutschklausuren von Abiturienten, die darauf häufig mit
Schreibkrämpfen und Verspannungen reagieren. Die Gründe dafür sehen die Lehrer
in einer fortschreitenden Digitalisierung, in zu geringer Übung zu Hause und in
einer schlechten Feinmotorik.
Wer gut schreibe, könne sich Sachen besser
merken
Der
Schreibmotorikforscher Christian Marquardt sagte bei der Vorstellung der
Befragung am Mittwoch in Berlin: „Schreibenlernen ist in erster Linie
Bewegungslernen, und hier brauchen viele Kinder mehr Unterstützung.“ Der
Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, forderte die
Kultusminister der Länder auf, das Schreiben mit der Hand verstärkt in den
Blick zu nehmen. „Die zunehmenden Probleme vieler Schüler mit der
Schreibschrift muss sich auch eine Schulpolitik ankreiden lassen, die dem
Schreiben und insgesamt der sprachlichen Bildung immer weniger Bedeutung
beimisst“, sagte Kraus in Berlin.
Er
verwies auf den immer weiter reduzierten Grundwortschatz von 700 Wörtern, die
Schüler am Ende der ersten vier Klassen aktiv beherrschen müssen, auf den Einsatz
von Lückentexten und vorformulierten Antworten sowie vielen Fotokopien, die
Schüler täglich erhalten. Tendenziell gebe es einen Zusammenhang zwischen
Lernleistung und Güte der Handschrift. „Wer gut und versiert schreibt, prägt
sich Geschriebenes besser und konzentrierter ein.“
Forscher gegen Einsatz digitaler Medien in
der Grundschule
In
der Tat gibt es einen in anderen Studien nachgewiesenen Zusammenhang zwischen
dem motorischen und dem visuellen Gedächtnis. Wer mit der Hand schreibt,
entwickelt eine visuelle und motorische Darstellung und steigert durch das
Zusammenwirken zweier Gedächtnisbereiche den Lerneffekt. Kraus kritisierte eine
„angestrengte Erleichterungspädagogik“, die für ständig sinkende Anforderungen
sorge.
Er
forderte die Kultusministerkonferenz auf, für mehr Einheitlichkeit beim
Erlernen der Schrift in allen Bundesländern zu sorgen. Vom Einsatz digitaler
Medien in der Grundschule, wie vom Bundestag gefordert, hält Kraus nichts.
Befragt wurde für die Umfrage eine repräsentativ ausgewählte Gruppe von 2000
Lehrern aus allen Schularten und in sämtlichen Ländern. Lehrern aus
Grundschulen und weiterführenden Schulen wurden getrennte Fragebögen vorgelegt.
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Sachsens
Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU), kündigte unterdessen an, dass die
sichere Beherrschung der Handschrift auch bei den Zusammenkünften der
Kultusminister eine Rolle spielen werde, und verwies auf die sächsischen
Erfahrungen. An den sächsischen Grundschulen sollten alle Schüler am Ende der
Grundschulzeit sicher und geläufig schreiben können. Sachsen habe
schulartübergreifend ein Gesamtkonzept „Sprachliche Bildung“ entwickelt, in dem
die Eckwerte für die Schulen festgelegt sind. Ein wichtiger Aspekt in diesem
Gesamtkonzept sei das motorische Schreiben, dessen Vermittlung auch an den
weiterführenden Schulen nicht vergessen werden dürfe. Noten gibt es an den
weiterführenden Schulen allerdings nicht mehr.
„Handschriftliches
kann man nicht einfach löschen, man muss gut überlegen, bevor man schreibt.
Damit wird das strukturierte Denken gefördert, und man ist mit dem Inhalt
intensiver verbunden“, sagte Kurth. In fast allen Bundesländern lernen die
Grundschüler zwei Schriften. Sie beginnen mit der Druckschrift, die später zu einer
Schreibschrift übergeleitet wird, die sich je nach Bundesland unterscheiden
kann. Fachleute vermuten, dass durch das Verwerfen der gerade gelernten
Druckschrift und dem Erlernen der Schreibschrift die ausreichende Übung auf der
Strecke bleibt. Sie plädieren dafür, dass möglichst nur eine verbundene Schrift
sicher gelernt wird, weil diese motorisch besser gespeichert wird. Sowohl
Rechtschreibung als auch Grammatik sind bei Schülern mit verbundener
Handschrift besser entwickelt.
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