Lehrplan 21 kommt nicht in Grossen Rat, Südostschweiz, 22.4. von Milena Caderas
Der Lehrplan habe gar
nicht so viel Einfluss auf die Schule, hat Regierungspräsident Martin Jäger
während der Lehrplan-21-Debatte gestern im Grossen Rat betont. «Bei mir damals
hat der Lehrplan im Kasten Staub angesetzt», erinnert sich Jäger. Und er sei kein
untypischer Lehrer gewesen. «Viel entscheidender sind die Lehrmittel», so der
SP-Regierungsrat. Und jene des Zürcher Lehrmittelverlags, die im Kanton mit
Abstand am meisten verwendet werden, seien alle Lehrplan-21- kompatibel.
Referendum
gefordert
Trotzdem
widmete sich der Grosse Rat gestern Nachmittag gut zwei Stunden der
interkantonalen Harmonisierung der Bildung. Mit einem Fraktionsauftrag wollte
die SVP Lehrpläne in Zukunft dem fakultativen Referendum unterstellen. In ihrer
Antwort hielt die Regierung fest, dass der Lehrplan nur einem fakultativen
Referendum unterworfen werden kann, wenn in Zukunft der Grosse Rat Lehrpläne
erlässt – und nicht wie heute die Regierung. Es bräuchte eine Teilrevision des
Schulgesetzes. Schon bei der Totalrevision des Volksschulgesetzes von 2012 ist
die bewährte Kompetenz-Ordnung beibehalten worden.
Mit
dem neuen Lehrplan sei die Bodenhaftung verloren gegangen, betonte Initiant Jan
Koch (SVP, Fünf Dörfer). Wenn der Lehrplan 21 zu komplex für den Bündner
Grossen Rat sei, laufe etwas falsch, so Koch. So eine wichtige Bildungsfrage
dürfe nicht einfach am Volk vorbei entschieden werden. Keine Frage, dass die
Legislative die richtige Behörde sei. «Der Lehrplan darf auf keinen Fall zum
Spielball von politischen Launen werden», meinte derweil Sandra Locher
Benguerel (SP, Chur). In keinem anderen Kanton sei das Parlament und nicht die
Regierung für den Lehrplan zuständig.
Das
Bündner Parlament beschäftigte unter anderem die Frage: Stellen sich die
Auftragssteller um Jan Koch denn vor, dass jeder Bündner Stimmberechtigte vor
dem Abstimmungssonntag den 470 Seiten dicken Lehrplan nach Hause geschickt
bekommt und im Detail studiert?
Viel
zu reden im Grossrats-Saal gab ausserdem die Situation in romanisch- sprachigen
Gemeinden. Was das vorgesehene Koexistenzmodell von Rumantsch Grischun und den
jeweiligen Idiomen angeht, hat sich Regierungspräsident Jäger noch einmal mit
der romanischen Dachorganisation Lia Rumantscha in Verbindung gesetzt, wie er
gestern erklärte.
Mit
83:24 Stimmen (bei zwei Enthaltungen) hat der Grosse Rat schliesslich an
bewährten Kompetenzen festgehalten. Auch künftig wird also die Regierung über
Lehrpläne entscheiden.
Abstimmung
in Sicht
Trotz
der ganzen Diskussionen dürfte das Volk das letzte Wort haben. Gegen den
Lehrplan 21 ist nämlich eine Initiative angekündigt (Ausgabe vom Montag). Eine
Gruppe von Nicht-Politikerinnen und -Politikern haben der Standeskanzelei den
Initiativtext zur Vorprüfung eingereicht. In den nächsten Tagen wollen die
Initianten ihre Initiative der Öffentlichkeit vorstellen. Daran, dass die
benötigten Unterschriften zustande kommen, liessen gestern mehrere
Grossrätinnen und Grossräte in ihren Voten keine Zweifel aufkommen.
Noch
braucht es Geduld
Mit
der Rechnung 2015, voraussichtlich in der Junisession 2016, will Jäger das
Parlament im Detail über den Bündner Lehrplan informieren. Dann sollen auch
noch offene Fragen wie etwa jene nach den (Minder-)Kosten für die Gemeinden
geklärt werden.
Einführen
will Graubünden den neuen Lehrplan gemäss Jäger dann auf das Schuljahr 2018/19.
Wegen der komplexen Ausgangslage im einzigartigen dreisprachigen Kanton will
der Bündner Bildungsdirektor nichts überstürzen. Graubünden wird aller
Voraussicht nach in der Ostschweiz der letzte Kanton sein, welcher den Lehrplan
21 einsetzt.
Diejenigen, die den Lehrplan 21 geschrieben haben, sind dieselben, die auch die Lehrmittel schreiben. Das weiss auch Martin Jäger, und es entlarvt mit aller Deutlichkeit die Unredlichkeit in seiner Argumentation. Hier wird schlicht der Filz zwischen den Lehrmittelverlagen und der Bildungsbürokratie zelebriert.
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