11. März 2015

Wird Sprachenfrage von Richtern entschieden?

In Graubünden soll die Fremdsprachen-Initiative für ungültig erklärt werden. Sie verstosse gegen die Bundes- und die Kantonsverfassung. Werden letztlich die Gerichte darüber entscheiden, welche Fremdsprachen in der Primarschule unterrichtet werden?
Die Sprachenfrage bleibt akut, NZZ, 9.3. von Erich Aschwanden


Die Freude bei zahlreichen Romands war gross, als am frühen Sonntagnachmittag bekanntwurde, dass sich die Nidwaldner klar gegen eine SVP-Initiative für nur eine Fremdsprache ausgesprochen haben. Auch Bildungspolitiker waren erleichtert, dass der schweizerische Konsens vorerst gewahrt bleibt. Doch die Atempause ist nur kurz.
Voraussichtlich im April befasst sich der Grosse Rat des Kantons Graubünden mit einer Initiative, die im Schulgesetz verankern will, dass in der Primarschule nur eine Fremdsprache gelehrt wird. In deutschsprachigen Regionen Graubündens soll dies Englisch sein, in romanisch- und italienischsprachigen Deutsch. Gestützt auf ein Rechtsgutachten der Universität St. Gallen kam die Bündner Regierung im Dezember zum Schluss, die Fremdsprachen-Initiative stehe in offensichtlichem Widerspruch nicht nur zu den Bestimmungen der Kantonsverfassung, sondern auch zu denjenigen der Bundesverfassung. Sie soll deshalb vom Parlament für ungültig erklärt werden.
Für den Bündner Erziehungsdirektor Martin Jäger (sp.) ist klar, dass dem Entscheid nationale Signalwirkung zukommen wird. Sein Luzerner Amtskollege Reto Wyss (cvp.), bei dem eine ähnlich gelagerte Initiative auf dem Pult liegt, sagt denn auch: «Die Expertise von Professor Bernhard Ehrenzeller enthält grundsätzliche und wichtige Überlegungen für die Zukunft des Sprachenunterrichts, die über die Situation in Graubünden hinausgehen.»

Es ist gut möglich, dass einige Zeit vergehen wird, bis Klarheit über die Verfassungsmässigkeit der Bündner Initiative herrscht. Jäger geht nämlich davon aus, dass die unterlegene Partei vor Verwaltungsgericht gehen wird. Dafür spricht, dass das Initiativkomitee am Donnerstag tagt und wahrscheinlich ein Gegengutachten präsentiert. Sollte das Volksbegehren für gültig erklärt werden, dürften die Romanisch- und Italienischbündner diesen Entscheid anfechten, da sie diskriminiert würden. In letzter Instanz könnte das Bundesgericht in dieser Sache angerufen werden.

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