10. März 2015

Bilanz der welschen Presse zur Abstimmung in Nidwalden

Nur nicht in Begeisterungsstürme ausbrechen - dies ist der Tenor in den Kommentaren der Westschweizer Presse zur Abstimmung in Nidwalden. Denn: Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung.
Eine Atempause im Sprachenstreit, NZZ, 10.3. von Andrea Kucera


Hat die Angst vor einem Eingreifen Bundesberns die Stimmbürger von Nidwalden davon abgehalten, sich gegen die Abschaffung des Französischunterrichts in der Primarschule auszusprechen? Ja, schreibt die Kommentatorin der Waadtländer Zeitung «24 heures». Der Halbkanton sei zu isoliert und zu klein, um sich allein gegen ein drohendes Machtwort des Bundesrats wehren zu können. Diese «peur du gendarme» sei das entscheidende Argument gewesen und nicht der Wille, die Romands nicht vor den Kopf zu stossen.

Ein Sieg, der keiner ist
Mit dieser Haltung ist «24 heures» nicht allein. Auch die Freiburger Zeitung «La Liberté» schreibt, die Ablehnung der SVP-Initiative erkläre sich hauptsächlich mit der Angst vor dem Alleingang. Eine Grundsatzdebatte über die eigentliche Frage - die Wirksamkeit des Frühfranzösisch - habe im Abstimmungskampf kaum stattgefunden. Entscheidend sei die Frage gewesen, ob es sich der kleine Kanton leisten könne, den Winkelried zu spielen.
Das Bekenntnis zum Frühfranzösisch der Nidwaldner sei «une victoire qui est trompeuse» - «Ein Sieg, der keiner ist», urteilt die Zeitung. Das Abstimmungsresultat sei kein Bekenntnis zum Zusammenhalt des Landes und kein Ausdruck der Liebe für die französische Sprache. Vielmehr sei es eine Warnung: Es müsse als Aufforderung interpretiert werden, die Debatte weiterzuführen und namentlich die Luzerner Stimmbürger - die als Nächste über den Fremdsprachenunterricht abstimmen werden - vom Frühfranzösisch zu überzeugen. Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung, lautet also das Fazit.
Enthusiastischer kommen die Wortmeldungen auf Twitter daher. «Herzlichen Dank liebe Nidwaldnerinnen und Nidwaldner! Ich freue mich auf diese Schweiz», schreibt etwa der Waadtländer SP-Nationalrat Jean Christophe Schwaab - auf Deutsch. Von einer Atempause im Sprachenstreit spricht schliesslich die Zeitung «Le Temps». Der Nidwaldner Entscheid habe viele im Land erleichtert, heisst es im Kommentar. Allen voran die Romands, die ein Nein zum Frühfranzösisch als Beleidigung aufgefasst hätten. Aber auch die eidgenössische Konferenz der Erziehungsdirektoren (EDK) könne aufatmen: Ihr fragiler Kompromiss gelte weiterhin. Und nicht zuletzt nehme das Resultat Druck von Innenminister Alain Berset, der angekündigt hatte, er werde in den Sprachenstreit eingreifen, sobald ein Kanton die definitive Abkehr vom Frühfranzösisch beschliesse.

Den Dialog vorantreiben

Die Zeitung schliesst mit einer Aufforderung an die Adresse all jener, denen der Zusammenhalt des Landes am Herzen liege: Sie sollten nicht passiv den nächsten Volksentscheid zum Fremdsprachenunterricht abwarten, schreibt «Le Temps». Vielmehr gelte es, die Atempause zu nutzen, um den Dialog zwischen den Sprachgruppen unabhängig vom Abstimmungskalender voranzutreiben. Die Antwort darauf, wie dies bewerkstelligt werden soll, bleibt die Zeitung indes schuldig.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen