Zürcher FDP will Immersionsunterricht in der Volksschule, Bild: edubs.ch
FDP stellt Numerus clausus infrage, NZZ, 9.2. von Andreas Schürer
Die Bildungsdirektion wird
herausgefordert: Am Montag wird die FDP im Kantonsrat ein ganzes Paket an
Vorstössen einreichen, insgesamt 20. Die Offensive geht auf ein Seminar im
Herbst zurück, an dem Fraktionschef Thomas Vogel Bildung zum Schwerpunktthema erklärte.
Die Vorstösse, darunter zwei Motionen, zielen auf alle Ebenen: Volksschule,
Sekundarstufe II und Hochschule. Vogel meint: «Das Paket spiegelt unser
Selbstverständnis als Bildungspartei, und es ist eine Ansage, das Thema auch in
der nächsten Legislatur mit hoher Priorität zu bearbeiten.» Übergeordnetes Ziel
sei, die Qualität des Bildungs- und Innovationsstandorts Zürich zu stärken, die
Bürokratie abzubauen und dafür zu sorgen, dass die Mittel effizienter
eingesetzt würden.
Die brisanteste Forderung
der FDP kommt unscheinbar als Anfrage daher: Die FDP drängt auf eine
Abschaffung des Numerus clausus für das Studium der Humanmedizin. Offen ins
Visier genommen wird die Zulassungsbeschränkung zwar noch nicht; die FDP will
zunächst genaue Angaben der Regierung dazu, wie diese die Wirkung des Numerus
clausus einschätzt und was Alternativen wären, um den einheimischen Nachwuchs
im Gesundheitsbereich zu fördern. Vogel macht aber kein Hehl daraus, dass das
Terrain vorgespurt werden soll, um in einem Folgeantrag die Abschaffung zu
verlangen.
FDP-Kantonsrätin und
Bildungspolitikerin Sabine Wettstein hält den heutigen Numerus clausus für ein
untaugliches Selektionsinstrument. Zum einen sei die Durchsetzung
fehlerbehaftet, zum anderen werde viel zu wenig Gewicht auf die Sozialkompetenz
gelegt. Die 1998 eingeführte Beschränkung sei einzig als Sparmassnahme
konzipiert, fachspezifische Qualitätsansprüche begünstige sie nicht. Weil die
Zahl älterer Menschen stark zunehme, sei es dringend, mehr einheimische
Mediziner auszubilden. Eine Kompensation mit Anstellungen von Ausländern sei
weder angezeigt noch praktikabel.
Eltern in die
Pflicht nehmen
Die zwei Motionen zielen
auf den Kindergarten und die Sonderschulung. Die FDP will die Eltern gesetzlich
dazu verpflichten, dafür besorgt zu sein, dass ihre Kinder beim
Kindergarteneintritt genügend gut Deutsch beherrschen, um dem Unterricht folgen
und sich integrieren zu können. Wettstein verweist darauf, dass der Kanton
Basel Anfang 2013 eine solche Gesetzesgrundlage eingeführt und damit gute
Erfahrungen gemacht habe. Die Bereitstellung von Angeboten koste zwar etwas,
führe aber später zu Entlastungen im Bereich Deutsch als Zweitsprache.
Angesichts der Heterogenität vieler Klassen sei es wichtig, die Eltern auf ihre
Erziehungsverantwortung aufmerksam zu machen und diese auch einzufordern,
notfalls mit Sanktionen.
Mit der zweiten Motion
drängt die FDP auf einen Versorgungsplan auch in der integrativen
Sonderschulung, analog zur separativen. Heute gibt es keine Quoten dafür, wie
viele Schüler in einer Regelklasse maximal Sondermassnahmen zugute haben. Laut
Wettstein nutzen diese fehlende Vorgabe manche Schulen allzu leichtfertig, um
zusätzliche Ressourcen zu erhalten.
Gesprächsstoff dürften auch
weitere Forderungen der FDP bieten. So wollen die Freisinnigen die erste
Fremdsprache im Rahmen der Umsetzung des Lehrplans 21 erst ab der 3. Klasse
einführen, wie alle anderen Schweizer Kantone auch. Gestärkt werden sollen
dafür die Fächer im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und
Technik. Der Fremdsprachenunterricht in der Volksschule solle wiederum
verbessert werden, indem auf dieser Stufe immersiver Unterricht einzuführen
sei, ein Sprachbad also, in dem die Schüler auch andere Fächer und Themen in
der Fremdsprache erfahren. Eine weitere Forderung des Freisinns ist, die
Anstellungsbedingungen der Schulleiter und Rektoren auf Sekundarstufe II zu
verbessern. Für Wettstein ist insbesondere nicht mehr zeitgemäss, dass diese
immer noch eine Unterrichtsverpflichtung haben und über eine Funktionszulage
besoldet werden, statt in einer eigenen Lohnklasse eingereiht zu sein.
Walker Späh
positioniert sich
Rückenwind verleiht das
Vorstoss-Paket der FDP-Kantonsrätin Carmen Walker Späh, die am 12. April den
Sitz ihrer Parteikollegin Ursula Gut im Regierungsrat verteidigen will. Walker
Späh setzt Bildung, Innovation und Unternehmertum in ihrem Wahlkampf ganz oben
auf die Agenda. Offiziell sagt sie zwar, sie sei für jede Direktion offen,
sollte sie gewählt werden. Weil die Bildungsdirektion aber frei wird und weil
sie das Thema derart priorisiert, ist aber klar, dass sie sich für die
Nachfolge der abtretenden Direktionsvorsteherin Regine Aeppli in Position
bringt.
Wie ihre Partei steht auch
Walker Späh der heutigen Beschränkung für das Medizinstudium kritisch
gegenüber. Sie sagt: «Ein Numerus clausus im Bildungsbereich ist an sich
problematisch. Die Leute sollen sich eigentlich ihren Talenten entsprechend
frei entwickeln können.»
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