«Ihr
seid bei der Themenwahl völlig frei!» erklärt die Lehrerin ihrer
Gymnasialklasse. «Wichtig ist, dass ihr etwas wählt, das euch wirklich
interessiert!» Für zwei sechzehnjährige Jungen ist die Wahl klar: Pornografie!
Während der Studien- woche wollen sie sich diesem heiklen Thema widmen. Ende
Woche präsentieren die Schüler dieser Klasse ihre Ergebnisse. Als
Leistungsausweis gilt ein Plakat. Es wird sowohl von Schülern wie den
Lehrpersonen bewertet. Unter den Schülern und Schülerinnen schwingt das Porno-Plakat
oben aus: das coolste und originellste Plakat der Studienwoche! Die
Lehrerschaft hingegen reagiert pikiert. «Diese Darstellung der Frau ist eine
persönliche Beleidigung aller Frauen dieser Schule!», verkündet die Rektorin
auf dem überklebten Plakat. Kurze Zeit später steht neben dieser Ansage: «Bei
ihnen kein Problem: Sie sind nämlich ein Mann mit einem dicken, fetten Penis!»
Der Urheber wird identifiziert: einer der Plakathersteller. Konsequenzen
werden gezogen.
Allan Guggenbühl ist Psychologe, Psychotherapeut und Experte für Jugendgewalt, Bild: Basler Zeitung
Provokation als Anbindungsakt? Basler Zeitung, 23.1. von Allan Guggenbühl
Man
beruft sich auf Null-Toleranz gegenüber Sexismus, verordnet ein Time-out und
Gespräche beim Psychologen. Nun sitzt der schmächtige Jugendliche da. Der
Vorfall? Porno interessiert ihn nicht, er wollte einfach Leben in die Schule
bringen. Mit mir möchte er über die Stagnation des Westens, menschengerechte
Diktaturen und Nietzsches Zarathustra reden. Ein hochintelligenter,
herausfordernder Junge, der die Auseinandersetzung mit existentiellen Themen
sucht, Debatten liebt. Die Schule? Die erlebt er als eine Anpassungsmaschinerie
einer überheblichen Bürgerschicht. In der Schule will man ihn nicht. Er selber
will inzwischen auch nicht zurück. Dort herrsche Schablonendenken.
Ein
Ausnahmefall? Bekanntlich sind Knaben heute die Bildungsverlierer. Sie kippen
wegen ihrem Verhalten, ihrer Motivation und ihren Leistungen aus unserem
Bildungssystem. In Mittelschulen hat sich die Anzahl der Knaben bei der Matur
auf weniger als 40 Prozent reduziert. Erfreulich, wenn Mädchen erfolgreich
sind, doch man muss sich fragen, welches die Gründe des Versagens der Knaben
sind. Auffallend: Bei vielen handelt es sich um intelligente, engagierte junge
Menschen: der Achtzehnjährige, der schon zwei Filme produziert; der
Graffiti-Spezialist, der in der Szene Fame erlangt hat. Gemeinsames Merkmal
dieser Jungen ist: Sie wollen sich inszenieren. Ihre Provokationen sind ein
Versuch, gehört zu werden. Sie suchen die Auseinandersetzung über Grundsätzliches.
In Schulbetrieben, in denen leise reden, bescheiden auftreten, niemanden unterbrechen,
nichts Freches sagen und die Förderung der Sozialkompetenzen über allem stehen,
finden sie sich, im Gegensatz zu genialen Mädchen, nicht zurecht. Die Aussicht,
später ein vermodularisiertes Studium antreten zu müssen, ist ihnen zudem ein
Greuel.
Diese
Jungen weisen auf ein ernst zu nehmendes Problem unseres Bildungssystems hin.
Das verpasst es, sich der Jungen anzunehmen, die sich über grandiose
Fantasien, selbstgerechte Überheblichkeit und rebellischen Geist in die
Gesellschaft integrieren wollen. Oft handelt es sich um junge Menschen, die
neue Entwicklungen repräsentieren, der Gesellschaft etwas zu bieten hätten.
Sie wollen sich nicht einfach anpassen, sondern über Reibungen und den
Widerspruch integrieren. Ihre Provokationen sind ein Versuch, die Alten
aufzurütteln, zu demaskieren. Wenn ihnen jedoch niemand die Stirn bietet und
einen Freiraum für Debatten offeriert, dann sind sie verloren und wenden sich
enttäuscht ausserschulischen Themen zu. Die Schule wird irrelevant und die
Gesellschaft erleidet einen Verlust.
Es wäre noch interessant zu erfahren, ob diese Schüler im obligatorischen Frühsexualisierungsunterricht indoktriniert wurden. Es gehört zur normalen Entwicklung, wenn sich Jugendliche in diesem Alter für das andere Geschlecht oder die Sexualität interessieren, aber wenn sie sich für Porno interessieren, kann bereits eine Irritation vorliegen, der durch eine nicht entwicklungsgemässe Frühsexualisierung bereits der Boden vorbereitet wird. Beim Frühsexualisierungsunterricht oder bei der Genderideologisierung herrscht keine Null-Toleranz. Im Gegenteil Eltern werden gebüsst, wenn sie ihre Kinder von diesem perversen Unterricht befreien wollen.
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