23. Januar 2015

Englisch, Französisch oder beide Sprachen nebeneinander?

Vor zehn Jahren hat der Kanton Zürich mit seinem Entscheid, Frühenglisch bereits in der zweiten Klasse einzuführen, das Lernkonzept für Fremdsprachen grundlegend verändert.  Aus staatspolitischen Überlegungen wurde an den Zürcher Primarschulen am Französischunterricht ab der fünften Klasse festgehalten. Die übrigen Ostschweizer Kantone setzten ebenfalls auf Englisch als erste Fremdsprache, während die an die Romandie grenzenden Kantone klar dem Französisch den Vorrang gaben. Die Erziehungsdirektorenkonferenz hat schliesslich mit der Verabschiedung des Modells 3/5 (erste Fremdsprache in der dritten, zweite Fremdsprache in der fünften Klasse) die unterschiedlichen Konzepte akzeptiert. Mit der Freigabe der Wahl der Fremdsprachen ist allerdings ein wesentliches Argument des LP 21 Makulatur geworden: Angleichung der Inhalte zur Erleichterung der Mobilität in einer modernen Gesellschaft.

Kommentar zum Sprachenstreit auf der Primarschule von Hanspeter Amstutz, 20.1.

Trotz des gefundenen Kompromisses kehrte an der Sprachenfront keine Ruhe ein. Es zeigte sich schon bald, dass der konzeptionelle Mangel der zu geringen Lektionendichte in den beiden Sprachen zu schwer wog. Auch konnten die kühnen Versprechungen vom grossen Erfolg des frühen Sprachenlernens nicht eingelöst werden. Vielmehr stellten die Schulpraktiker fest, dass die Schere zwischen den schneller und den langsamer Lernenden enorm auseinanderging. Schliesslich rangen sich die meisten kantonalen Lehrerorganisationen zur Forderung durch, dass an der Primarschule nur noch eine Fremdsprache unterrichtet werden solle. Aber auch die jüngsten Studien zeigen mit aller Deutlichkeit die schwerwiegenden Mängel des Sprachenkonzeptes auf: Es braucht deutlich mehr als zwei Lektionen pro Woche um erfolgreich Fremdsprachen zu lernen und ein Beginn in einer oberen Stufe ist nicht weniger erfolgreich.

Nachdem der Thurgauer Grosse Rat sich für Englisch als einzige Fremdsprache auf  der Primarschule ausgesprochen hatte, brach in der Romandie ein Sturm der Entrüstung los.
Die Beteuerung, man werde die gekürzten Französischlektionen auf der Oberstufe vollumfänglich kompensieren, nützte nichts. Verschiedene Nationalräte forderten das unbedingte Festhalten am Modell 3/5, um den Stellenwert des frühen Französischunterrichts zu unterstreichen.

Mit der starken Einflussnahme der Politik auf das Sprachenkonzept ist die Pädagogik in eine ungemütliche Lage geraten. Soll dem lieben Sprachenfrieden zuliebe das wenig überzeugende Modell 3/5 weitergeführt oder muss aus pädagogischen und didaktischen Gründen der Streit in aller Offenheit weitergeführt werden? Denkbar wäre allenfalls ein Kompromiss, bei dem Englisch auf die Oberstufe verschoben und Französisch überall ab der Mittelstufe eingeführt würde. Diese Lösung hiesse allerdings, dass die aufwändige Englischausbildung vieler Primarlehrkräfte schulisch gesehen eine teure Fehlinvestition gewesen wäre.

Neben Politik, Pädagogik und berechtigten Interessen der Lehrerschaft kommt noch hinzu, dass die englische Sprache längst in den Köpfen der Bevölkerung angekommen ist und von den Kindern im Allgemeinen eher leichter aufgenommen wird als Französisch.

Wie weit kann ein vernünftiger Kompromiss gehen? Soll Englisch aus staatspolitischen Gründen auf die Oberstufe verschoben werden oder ist es doch besser, mit zwei Fremdsprachen auf der Primarschule weiterzufahren? 

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