Vor zehn Jahren hat der Kanton Zürich
mit seinem Entscheid, Frühenglisch bereits in der zweiten Klasse einzuführen,
das Lernkonzept für Fremdsprachen grundlegend verändert. Aus staatspolitischen Überlegungen wurde an
den Zürcher Primarschulen am Französischunterricht ab der fünften Klasse
festgehalten. Die übrigen Ostschweizer Kantone setzten ebenfalls auf Englisch
als erste Fremdsprache, während die an die Romandie grenzenden Kantone klar dem
Französisch den Vorrang gaben. Die Erziehungsdirektorenkonferenz hat
schliesslich mit der Verabschiedung des Modells 3/5 (erste Fremdsprache in der
dritten, zweite Fremdsprache in der fünften Klasse) die unterschiedlichen
Konzepte akzeptiert. Mit der Freigabe
der Wahl der Fremdsprachen ist allerdings ein wesentliches Argument des LP 21
Makulatur geworden: Angleichung der Inhalte zur Erleichterung der Mobilität in
einer modernen Gesellschaft.
Kommentar zum Sprachenstreit auf der Primarschule von Hanspeter Amstutz, 20.1.
Trotz des gefundenen Kompromisses
kehrte an der Sprachenfront keine Ruhe ein. Es zeigte sich schon bald, dass der
konzeptionelle Mangel der zu geringen Lektionendichte in den beiden Sprachen zu
schwer wog. Auch konnten die kühnen Versprechungen vom grossen Erfolg des
frühen Sprachenlernens nicht eingelöst werden. Vielmehr stellten die
Schulpraktiker fest, dass die Schere zwischen den schneller und den langsamer
Lernenden enorm auseinanderging. Schliesslich rangen sich die meisten
kantonalen Lehrerorganisationen zur Forderung durch, dass an der Primarschule
nur noch eine Fremdsprache unterrichtet werden solle. Aber auch die jüngsten Studien zeigen mit aller Deutlichkeit die
schwerwiegenden Mängel des Sprachenkonzeptes auf: Es braucht deutlich mehr als
zwei Lektionen pro Woche um erfolgreich Fremdsprachen zu lernen und ein Beginn
in einer oberen Stufe ist nicht weniger erfolgreich.
Nachdem der Thurgauer Grosse Rat sich
für Englisch als einzige Fremdsprache auf
der Primarschule ausgesprochen hatte, brach in der Romandie ein Sturm
der Entrüstung los.
Die Beteuerung, man werde die
gekürzten Französischlektionen auf der Oberstufe vollumfänglich kompensieren, nützte
nichts. Verschiedene Nationalräte forderten das unbedingte Festhalten am Modell
3/5, um den Stellenwert des frühen Französischunterrichts zu unterstreichen.
Mit der starken Einflussnahme der Politik
auf das Sprachenkonzept ist die Pädagogik in eine ungemütliche Lage geraten.
Soll dem lieben Sprachenfrieden zuliebe das wenig überzeugende Modell 3/5
weitergeführt oder muss aus pädagogischen und
didaktischen Gründen der Streit in aller Offenheit weitergeführt werden?
Denkbar wäre allenfalls ein Kompromiss, bei dem Englisch auf die Oberstufe
verschoben und Französisch überall ab der Mittelstufe eingeführt würde. Diese
Lösung hiesse allerdings, dass die aufwändige Englischausbildung vieler
Primarlehrkräfte schulisch gesehen eine teure Fehlinvestition gewesen wäre.
Neben Politik, Pädagogik und
berechtigten Interessen der Lehrerschaft kommt noch hinzu, dass die englische
Sprache längst in den Köpfen der Bevölkerung angekommen ist und von den Kindern
im Allgemeinen eher leichter aufgenommen wird als Französisch.
Wie weit kann ein vernünftiger
Kompromiss gehen? Soll Englisch aus staatspolitischen Gründen auf die Oberstufe
verschoben werden oder ist es doch besser, mit zwei Fremdsprachen auf der
Primarschule weiterzufahren?
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