Pfenninger: "Früher Fremdsprachenunterricht zahlt sich weniger aus, als bis anhin angenommen". Bild: Universität Zürich
Wer in Deutsch gut ist, lernt besser Englisch, Medienmitteilung Universität Zürich, 10.12.
Was Hänschen
nicht lernt, lernt Hans nimmermehr – besagt eine von zwei Behauptungen über das
Fremdsprachenlernen, nämlich: je früher man gezielt eine Fremdsprache lernt,
desto besser ist das sprachliche Niveau langfristig. Die zweite Auffassung geht
davon aus, dass man in der Erstsprache gefestigt sein muss, um in der
Fremdsprache eine gute Lese- und Schreibkompetenz aufzubauen. Diese beiden
Behauptungen greift die Linguistin Simone Pfenninger von der Universität Zürich
in ihrer 5-Jahres-Studie mit Schweizer Gymnasiasten auf. Sie eruiert das ideale
Alter für das Lernen von Deutsch als Schriftsprache und Englisch als
Fremdsprache. Ihre jetzt daraus veröffentlichten Teilergebnisse belegen: Wer
Deutsch gut liest und schreibt, kann diesen Vorteil ins Englische übertragen –
und dies interessanterweise unabhängig vom Alter zu Lernbeginn der Fremdsprache
oder dem biologischen Alter. Die Studie zeigt ebenfalls, dass sich aus dem
frühkindlichen Fremdsprachenunterricht keine kurz- oder langfristigen Vorteile
ergeben – kurzfristig kann der frühe Fremdsprachenunterricht die Erstsprache
auch negativ beeinflussen.
Positive und negative Einflüsse des Deutschen aufs
Englische erforscht
Während fünf
Jahren hat die UZH-Wissenschaftlerin untersucht, inwiefern das Alter und die
Kenntnisse in der Erstsprache bzw. im Hochdeutschen die Entwicklung von
schriftlichen Englischkenntnissen beeinflussen. Um die Kompetenzen in Deutsch
und Englisch zu messen, wurden 200 zufällig ausgewählte Gymnasiastinnen und
Gymnasiasten im Kanton Zürich zu Beginn und gegen Ende ihrer obligatorischen
Schulzeit auf der Oberstufe im Lesen und Schreiben getestet. Eine Gruppe hatte
mit acht Jahren in der Primarschule mit dem Englischunterricht begonnen,
während die zweite Gruppe erst mit dreizehn Jahren in der Sekundarstufe damit
angefangen hatte.
Neben dem
positiven Einfluss des Deutschen auf das Englische wurden auch die negativen
Einflüsse bzw. die Übertragung erstsprachlicher Strukturen auf die Fremdsprache
in den Bereichen Syntax und Morphologie untersucht. «Denn mit zunehmender
Verwurzelung der Erstsprache könnte man auch einen zunehmenden Einfluss der
Schriftsprache auf das Erlernen von Englisch erwarten», erklärt Simone
Pfenninger.
Die Resultate
zeigen: Der Fremdsprachenunterricht im früheren Alter wirkte sich weder kurz-
noch langfristig vorteilhaft aus. Bereits nach sechs Monaten haben die
Lernenden, die fünf Jahre später einstiegen, die Frühlernenden eingeholt und
teilweise sogar übertroffen – dies punkto grammatikalische Korrektheit und
Komplexität, Sprachfluss, Grammatikalitätsbeurteilung, sowie inhaltliche und
strukturelle Aspekte des schriftlichen Ausdrucks. Allerdings verfügten die
Frühlernenden bei der ersten Datenerhebung über einen grösseren Wortschatz, und
sie hatten weniger die Tendenz, ihre Lücken im Wortschatz der Fremdsprache
durch sogenanntes Code-Switching ins Deutsche zu füllen. «Zum Zeitpunkt der
zweiten Datenerhebung, kurz vor der Maturität, waren keine Unterschiede mehr
bezüglich des frühen bzw. späten Einstiegs in den Fremdsprachenunterricht
erkennbar», so Simone Pfenninger.
Spätlerner hatten bessere schriftliche
Deutschkenntnisse
Die für den
frühen Fremdsprachenunterricht wenig ermutigenden Ergebnisse lassen sich gemäss
der Studienautorin wie folgt erklären: Zu Beginn der Gymnasialschulzeit wiesen
die Spätlerner signifikant bessere schriftliche Deutschkenntnisse auf als die
Frühlernenden, die bereits in der Primarschule in Deutsch, Englisch und
Französisch unterrichtet worden waren. Die Spätlerner begannen den
Fremdsprachenunterricht daher mit einer günstigeren Grundlage in der
Schriftsprache. Wobei sich dieser Vorteil nach fünf Jahren bei der zweiten
Datenerhebung nicht wiederfand. Darüber hinaus korrelierte der Zusammenhang
zwischen schriftlichen Deutsch- und Englischkenntnissen positiv und
signifikant: «Wer gut im Deutsch ist, kann diesen Vorteil auf die Fremdsprache
übertragen, völlig unabhängig vom Alter bei Lernbeginn oder vom biologischen
Alter», fasst Simone Pfenninger zusammen. Die Studie zeige daher klar auf, dass
der Faktor Alter für den Prozess des Fremdsprachenlernens nicht einzig auf ein
möglichst frühes Alter zu Lernbeginn reduziert werden könne.
Literatur:
Pfenninger, Simone E.
The Literacy Factor in the Optimal Age Debate: a 5-Year Longitudinal Study. International Journal of Bilingual Education and Bilingualism. December
10, 2014. doi: 10.1080/13670050.2014.972334
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