Vielbesuchtes Podium der CVP-Frauen: Vereinspräsident Michael Fitzi als Vertreter der Kritiker mit Ruth Fritschi (rechts) vom LCH und der Moderatorin (links), Bild: Linda Müntener
Die fanatischen Schulreformgegner, St. Galler Tagblatt, 2.12. von Marcel Elsener
«So kann es nicht weitergehen.» Robert Raths, Gemeindepräsident in
Thal und FDP-Kantonsrat, macht aus seiner Verärgerung keinen Hehl: «Wenn ich
von Fraktionskollegen auf unseren Schulrat angesprochen werde, ist das
unangenehm. Es gibt mir zu denken, wie forsch, ja frech gegenüber gestandenen
Politikern und resistent gegenüber Anmahnungen diese Gruppe vorgeht und welche
Leute da im Hintergrund agieren.»
Raths spricht von einer Gruppierung, die
in den letzten Monaten viel Aufmerksamkeit erheischt hat: der von den Thaler
Schulräten Michael Fitzi (Präsident) und Heinz Herzog (Vize) geführte St.
Galler Verein «Starke Volksschule», der gegen den Lehrplan 21 wirbelt und
Unterschriften für den Ausstieg des Kantons aus dem HarmoS-Schulkonkordat
sammelt. Fünf von sieben Thaler Schulräten gehören zu den Erstunterzeichnern
der Anti-HarmoS-Initiative.
Weil Thal mittlerweile eine
Einheitsgemeinde ist, lässt das unüberhörbare Engagement der Schulräte den
Gemeinderat nicht kalt: «Zwar ist der Schulrat vom Volk gewählt, und klar sind
das auch Privatpersonen», sagt der Gemeindepräsident, «doch in schulpolitischen
Fragen sollten sie möglichst neutral sein.»
Aus der CVP ausgetreten
Raths Bitten, die Bedenken gegenüber der
Reform doch in der Vernehmlassung respektive über den Schulträgerverband
einzubringen, wurden ignoriert. Schulratspräsident Heinz Herzog, mit dem Raths
«sonst gut zusammenarbeitet», riskiert in diesem Fall den offenen Konflikt mit den
Behördenkollegen. In ihrem Widerstand hätten Herzog (aktiv bei der Freien
Evangelischen Gemeinde Rheineck) und seine Mitstreiter einen «sektiererischen
Touch», stellen diverse Politiker besorgt fest. Darunter CVP-Kantonsrat Felix
Bischofberger aus dem Thaler Ortsteil Altenrhein. «Aufgrund der haarsträubenden
Botschaften, die mir Michael Fitzi zusandte, mit Verweisen auf jesus.ch, fragte
ich ihn, in welcher Sekte er denn gelandet sei», sagt Bischofberger. «Man kann
über Sexkoffer oder Genderstoff kritisch diskutieren, aber nicht in dieser
fanatisierten Form.» Weil die CVP-Fraktion vor Wochenfrist wie die Ratsmehrheit
die SVP-Motionen gegen Lehrplan und HarmoS ablehnte, trat Fitzi umgehend aus
der CVP aus. Er habe dem Schulrat in einem längeren Gespräch geraten, «sich
nicht instrumentalisieren zu lassen», sagt Bischofberger, «doch er hatte kein
Gehör». In der CVP Thal nimmt man Abstand von den Umtrieben des Schulrats. Man
schäme sich für die Verbindungen zu dubiosen Kreisen, belegt etwa in Fitzis
Facebook-Empfehlungen für Beiträge auf Klagemauer.tv, dem TV-Kanal der
Walzenhauser Predigerfamilie Sasek, heisst es.
Im
rechten Dunstkreis
Anzeichen für die Verortung der
selbsternannten Volksschulverstärker im rechten Dunstkreis gibt es seit einiger
Zeit – mit wenigen Google-Klicks lassen sich bei den meisten Vorstandsleuten
Kontakte herstellen zum «Netzwerk der Lichtscheuen» (NZZ-Titel) im Umfeld von
SVP-Polterern alter Schule à la Ulrich Schlüer, Vordenkern des aufgelösten
Vereins Psychologischer Menschenkenntnis (VPM) und seiner Nachfolger wie
«Bürger für Bürger». Allen voran betrifft dies den jüngst wegen der Verspottung
von Ebola-Opfern abgesetzten Mediensprecher Daniel Trappitsch, der nach wie vor
als HarmoS-Ausstieg-Unterzeichner auftritt. Man sollte dessen «fein
gesponnenes, weitverzweigtes Netzwerk nicht unterschätzen», warnt der frühere
«Blick»-Chef Jürg Lehmann. Zweites Beispiel: Aktuar Daniel Jenny schreibt in
den «Zeit-Fragen», der von VPM-Frau Erika Vögeli publizierten «Wochenzeitung
für freie Meinungsbildung, Ethik und Verantwortung».
Aufmarsch
in Rorschach
Man müsse die «unfundierte Meinungsmache
dieser speziellen Schichten entlarven» und ihre «wirklichen Absichten offen
legen», forderte der Kirchberger Schulleiter und SP-Kantonsrat Donat
Ledergerber im Rat. «Es kann nicht sein, dass irgendwelche rechtskonservativen
Kreise und freikirchliches Gedankengut die jahrelange professionelle Arbeit am
neuen Lehrplan aus ideologischen Gründen torpedieren.» Dass sich Ideologie und
Bildung schlecht vertragen, zeigte sich an einem Podium zum Lehrplan Ende
Oktober in Rorschach. Lokale CVP-Frauen hatten Kritiker Fitzi zusammen mit der
Dussnanger Heilpädagogin Ruth Fritschi eingeladen, die als GL-Mitglied des
Dachverbandes Lehrerinnen und Lehrer Schweiz und langjährige Projektbegleiterin
das Pro-Referat hielt. Dabei musste sie «irritiert feststellen, dass nicht wie
erwartet vorwiegend CVP-Frauen» erschienen, sondern «sich der Abend in eine
interne Interessenversammlung verwandelte. Die meisten Anwesenden kannten
sich.» Die kräftig mobilisierten Gegner scheuten sich nicht, laut zu
intervenieren und Propaganda zu verteilen – Broschüren des VPM-nahen Vereins
Jugendberatung oder der rechtskonservativen Autorin Gabriele Kuby. Ein «eher
unheimlicher Aufmarsch», meint eine jüngere Zuhörerin.
Der Kanton hält sich zurück
Bildungsnahe Personen und ehemalige oder
noch aktive Thaler Lehrerinnen und Lehrer bestätigen die Einflussnahmen des
Schulratspräsidenten, wenn es um Religion, Geschichte oder Sexualunterricht
ging. Mehrfach erwähnt wird der einige Jahre zurückliegende Fall des
Oberstufen-Musicals «Tanz der Vampire», das Herzog aufgrund angeblicher Gotteslästerei
verbieten wollte und sich dann wegen eines drohenden Medienskandals auf
Textänderungen beschränkte. Von Machtdemonstrationen, Maulkörben, abfälligen
Bemerkungen (etwa über Homosexuelle) und inakzeptabler Methodenkritik ist die
Rede.
Fragwürdige Schulratsmanöver, die lokal
seit längerem Argwohn erwecken, aber noch nie aufsichtsrechtlich wahrnehmbar
geworden sind, wie es beim Kanton heisst. Dort ist man zurückhaltend mit
«Maulkörben für Schulbehörden», zumal es nach Aufhebung der Bezirksschulräte
und der regionalen Schulaufsicht derzeit zwischen Schul- und Erziehungsrat kein
Gremium für Beschwerden gibt. Man habe Kenntnis genommen von der Thaler
Weigerung, eine Person zu bestimmen, die für die Einführung des Lehrplans
zuständig sei, sagt Jürg Raschle, Generalsekretär des Bildungsdepartementes. Es
sei eine vorsorgliche Planung, reagieren müsste man erst bei einer Verweigerung
der Mitarbeit ab Sommer 2015. «Wir wollen zum jetzigen Zeitpunkt die Basis
motivieren und nicht unter Druck setzen. Wir konzentrieren uns auf die Sache –
auch im Sinne der EDK.»
Derweil droht der Konflikt in Thal zu
eskalieren. Vom romantischen «Asterix und Obelix»-Bild des gallischen Dorfs,
das sich den römischen Obrigkeiten widersetzt, will die Bevölkerung wenig
wissen. Die Frage ist nun, wie sich Fitzi und Herzog in nächster Zukunft
verhalten.

Sollen hier die Kritiker des Lehrplans 21 diskreditiert werden? Der bemerkenswerte Artikel diffamiert Leute mit Geschichten aus dritter Hand und legt den Eindruck nahe, die Kritiker des LP21 seien konservative Verhinderer. Ausserdem kommen die Beschuldigten selbst gar nicht zu Wort. Es gibt sehr gute Gründe gegen den LP21, die nichts mit der religiösen Ausrichtung oder mit dem Parteibuch zu tun haben.
AntwortenLöschen