21. November 2014

Dresscode für Pädagogen

Lehrerinnen und Lehrer gelten gemeinhin nicht als die am besten angezogene Berufsgruppe. Die Schule Kreuzlingen hat sich dem Klischee gestellt und versucht, eine für Pädagogen nützliche Bekleidungsrichtlinie zu erarbeiten. 



Auch heute noch ein Stilvorbild: Robin Williams in Dead Poets Society. Bild: Imago

So sollten sich Lehrer kleiden, NZZ, 20.11. von Jeroen van Rooijen



Die «Neue Zürcher Zeitung» hat sich letztmals im November 2009 auf der Seite «Bildung und Gesellschaft» mit dem Thema der zumeist eher lässigen Kleidung von Bildungsbeauftragten beschäftigt. Autor Werner Knecht kam damals zum provokativen Schluss: «Lehrpersonen, die nicht nur fachlich, sondern auch in Kleiderfragen stilsicher sind, können viel zu einem erfolgreichen Lernklima beitragen.» Die Realität zeige aber, dass dieser nonverbale Bereich des Unterrichts oft vernachlässigt werde. Auch der oberste Schweizer Pädagoge, Beat W. Zemp, Präsident des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz, gestand, «dass die Gefahr übertriebener Eleganz bei Lehrpersonen ohnehin nicht gross ist».
Die Lehrerinnen und Lehrer interessierte diese Einmischung in ihre internen Angelegenheiten naturgemäss wenig. Statt ihre «Kompetenz in Bekleidungsfragen» zu hinterfragen, schmetterten sie in zahlreichen Kommentaren die kritischen Einwände ab und pochten darauf, dass es in erster Linie um «Vermittlung von Fach- und nicht um Textilkompetenz» gehe. Der Lehrerberuf sei heute auch ohne Kleidervorschriften schon kompliziert genug. Aus der Vielzahl der Reaktionen war aber auch spürbar, dass sich einige gerade jüngere Lehrer durchaus ein bisschen mehr Stil in ihren eigenen Reihen wünschen würden.

Modell für andere Schulen
Und deshalb hat sich die Schule Kreuzlingen, die immerhin etwa 300 Lehrerinnen und Lehrer beschäftigt, Anfang November die Mühe gemacht, das Thema aus dem Bauch des Lehrkörpers heraus zu entwickeln. Kontext war ein Seminar mit dem Motto «Auftreten, wirken, begeistern», in dem neben Fachvorträgen von Neuropsychologen oder Workshops mit Stimmtrainern auch die Kleidung Thema von zwei halbtägigen Workshops (mit dem Autor dieser Zeilen) war. Dabei wurden die häufigsten Fehltritte punkto Garderobe benannt, die Grenzen zwischen individueller Freiheit und repräsentierender Pflicht ausgelotet und wurde ein konsensfähiger «Dresscode» ausgearbeitet, der ein Modell für andere Schulen sein könnte.
Im Lehrerberuf ist es auch Dresscodes oft schwer genug, den Überblick zu behalten.(Vincent Michel / Keystone)
Und dies sind die Empfehlungen der Schule Kreuzlingen:
Jacketts und Blazer: Werden von den meisten Lehrern zwar als schön, aber auch als wenig geeignet empfunden, weil sie die Bewegung einschränken können. Ein Tipp wären darum die neuen, dehnbaren Soft-Jacketts ohne Schulterpolster und Innenfutter. Einfarbige Anzüge sind zu formell und nicht mehr dem Berufsbild entsprechend.
Hemden und Blusen: Werden als korrekt und passend empfunden – für Herren durchaus auch solche mit kurzen Ärmeln. Allerdings sollte die Passform stimmen: Weite Freizeithemden sind ebenso falsch wie knallenge Stretch-Blusen. Transparente Stoffe sind ein klares No-Go.
Krawatten: Können in der Schule problemlos weggelassen werden, weil sie ohnehin nicht mehr uneingeschränkt als Symbol für Ordnung und Autorität stehen, sondern teilweise sogar unnötig Distanziertheit anzeigen. Für die Schulleitung und öffentliche Termine können sie gleichwohl getragen werden, nur nicht zu kurzärmligen Hemden.
T-Shirts: Für Lehrerinnen unproblematisch und verbreitet, wenn sie einen gepflegten Eindruck machen. Bauchfrei ist aber ein No-Go. Wenn Herren T-Shirts tragen, dann auf keinen Fall eines, das mit Logos, Parolen oder Symbolen bedruckt ist. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich für Lehrer, ein korrekteres Poloshirt mit Kragen zu wählen.
Ärmellos: Spaghettiträger sind ein klares No-Go. Die Träger von Tops oder Kleidern sollen mindestens drei Finger breit sein, wobei auf jeden Fall die Achseln zu rasieren sind. Die Zurschaustellung von Körperhaaren gehört sich auch für Herren nicht – ärmellose Shirts sind kein ausreichendes Outfit.
Kapuzenjacken: Das «Hoodie», mit dem sich heute die grosse Mehrheit der Teenager kleidet, wird für Lehrpersonen als kaum geeignete Kleidung angeschaut. Wenn es denn überhaupt sein muss, dann solche ohne Logos und Lettern.
Faserpelzjacken: Wenn Lehrerinnen und Lehrer einen Outdoor-Einsatz mit der Klasse planen, eine Option – sonst sind sie zu rustikal.
Vorsicht vor dem Décolleté. Tiefe Einblicke seien ebenso wenig akzeptabel wie Herren, die offensiv ihre Brusthaare zur Schau stellen.(Imago)
Strickjacken: Sind für Damen und Herren passend, können in feinen Garnen sogar formell als Blazer-Ersatz getragen werden. Je feiner das Gestrick, umso eleganter der Cardigan. Ein No-Go sind verfilzte oder stark fusselnde Strickjacken.
Jeans: Solange Denim-Hosen zeitgemäss geschnitten und nicht zu verwaschen oder zerschlissen sind, stellen sie für Lehrerinnen und Lehrer kein Problem dar. Für Herren sind gemäss derzeitiger Mode eher dunkle Farbtöne zu bevorzugen, Frauen verzichten auf allzu eng sitzende Beinkleider, sehr tief auf der Hüfte sitzende Taillenlinien oder sogenannte «Jeggings» (Jeans-Leggings).
Dreiviertelhosen: Die Mehrheit der Lehrpersonen betrachtet verkürzte Freizeithosen als «schwierig», und zwar für Damen und Herren. Für Lehrerinnen kann eher eine Ausnahme gemacht werden, nicht aber für repräsentierende Termine wie Elternabende.
Shorts: Ein ganz klares No-Go. Für Frauen mit gepflegten Beinen können Bermudas in Ausnahmefällen gehen, Männer sollten ihre Beine jedoch grundsätzlich zur Gänze bedecken.
Rock und Kleid: Enge, sehr kurze und transparente Kleider sind ein sicheres No-Go, was aber funktioniert, sind etwa knielange Kleider oder Röcke.
Blusen werden von Lehrern als korrekt und passend empfunden – allerdings sollte die Passform stimmen: Weite Freizeithemden sind ebenso falsch wie knallenge Stretch-Blusen.(Imago)
Décolleté: Es versteht sich von selbst, dass eine Lehrerin versucht, ihre Vorbildfunktion zu wahren, und es schafft, «Privates vom Beruf zu trennen». Tiefe Einblicke seien ebenso wenig akzeptabel wie Herren, die offensiv ihre Brusthaare zur Schau stellen.
Schuhe: Schnürer sind für Herren immer besser als Loafers und Slippers. Sneakers können funktionieren, sollten aber nicht freizeitlich kombiniert werden. Offene Schuhe können für Damen eine Variante sein, wobei auf gepflegte Füsse zu achten ist. Highheels (höher als 6 cm) und Plateausohlen sind nicht passend.
Sandalen: Für Männer kaum je geeignet, für Frauen bei gepflegten Füssen im Sommer eine Option. Ein No-Go sind für beide Geschlechter Flipflops (Zehenstegsandalen) sowie Adiletten (Badelatschen).
Socken: Wenn sie gut kombiniert sind, können Socken für Herren ein feiner modischer Akzent oder auch ein Markenzeichen sein. Was aber ein sicheres No-Go ist – für Damen und Herren –, sind das Herzeigen der Füsse ohne Schuhe sowie kaputte und löchrige Socken.
Hausschuhe: Im Kindergarten ja, in der Primarschule eine Option, ab der Oberstufe ein No-Go.
Frisur: Obwohl nicht wenige männliche Lehrer den Haarwuchs als «sekundäres Merkmal» bezeichnen, wünschen sie sich von ihren Kollegen doch einen «gepflegten Schnitt». Dasselbe gilt für weibliche Kolleginnen, wobei zudem dazu geraten wird, dass das Gesicht erkennbar bleibt und langes Haar für Sport und Werken zusammengebunden wird. Als inakzeptabel für Lehrer wurden grell gefärbte Haare, Dreadlocks und Punk-Haarschnitte betrachtet.
Für den Alltag reichen freizeitliche Hemden ohne Krawatte völlig aus. Vorsicht bei Logos, Mitteilungen und Emblemen.(Imago)
Bärte: Ein Konsens war schnell gefunden und lautet folgendermassen: «Je mehr Bart ein Mann trägt, desto gepflegter muss sein Outfit sein.» Als unpassend und unhygienisch wurden lange Bärte bewertet.
Parfum: Schülerinnen und Schüler tragen heute mitunter starke, süssliche Düfte – es ist keinem Lehrer zu raten, es ihnen gleichzutun. Sehr feminine Duftnoten, «die eine Welle beim Vorbeigehen machen», werden ebenso als No-Go betrachtet wie penetrante Rasierwasser. Oberstes Gebot sind Frische und Dezenz.
Make-up: Es ist keiner Lehrerin die Freiheit zu nehmen, vor der Klasse Lippenstift zu tragen – wenn es zum Typ passt und nicht aufgedonnert wirkt. Im Zweifelsfall sind natürliche Farben aber besser als expressives Rot. Als ungeeignet werden stark geschminkte «smoky eyes» (Abend-Make-ups) oder auch aufgeklebte Kunstnägel angeschaut.
Schmuck: Solange er nicht stört, ist Schmuck eine persönliche Ermessenssache. Was aber zu vermeiden ist, sind «übermässiges Geklapper» oder sehr grosse Kreolen. Bei Schmuckstücken mit Symbolen ist darauf zu achten, dass diese keine anderen Menschen und ihre Überzeugungen betreffen.
Tattoos und Piercings: Einzelne Motive und Schmuckelemente findet eine Mehrheit akzeptabel, obwohl sich die Lehrer zumeist bewusst sind, «dass sie das Leben unnötig erschweren». Grössere Hautmalereien sind im Zweifelsfall zu bedecken und «Piercing-Orgien» aus Nasen, Lippen und Ohren zu entfernen. Dies gilt im Besonderen für Elterngespräche oder Besuchstage.

Nachsatz: Dieser von Lehrerinnen und Lehrern selbst formulierte, fakultative Dresscode ist kein Regelwerk, das, einmal formuliert und verabschiedet, auf längere Zeit unverändert bleibt, sondern eine Diskussionsbasis, die regelmässig überprüft werden soll und dabei helfen kann, etwas bewusster eine zum Beruf des Pädagogen passende Kleidung von Freizeitklamotten zu unterscheiden.


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