Auch heute noch ein Stilvorbild: Robin Williams in Dead Poets Society. Bild: Imago
So sollten sich Lehrer kleiden, NZZ, 20.11. von Jeroen van Rooijen
Die «Neue Zürcher
Zeitung» hat sich letztmals im
November 2009 auf der Seite «Bildung und Gesellschaft» mit dem Thema der
zumeist eher lässigen Kleidung von Bildungsbeauftragten beschäftigt. Autor
Werner Knecht kam damals zum provokativen Schluss: «Lehrpersonen, die nicht nur
fachlich, sondern auch in Kleiderfragen stilsicher sind, können viel zu einem
erfolgreichen Lernklima beitragen.» Die Realität zeige aber, dass dieser
nonverbale Bereich des Unterrichts oft vernachlässigt werde. Auch der oberste
Schweizer Pädagoge, Beat W. Zemp, Präsident des Dachverbands Lehrerinnen und
Lehrer Schweiz, gestand, «dass die Gefahr übertriebener Eleganz bei
Lehrpersonen ohnehin nicht gross ist».
Die
Lehrerinnen und Lehrer interessierte diese Einmischung in
ihre internen Angelegenheiten naturgemäss wenig. Statt ihre «Kompetenz in Bekleidungsfragen» zu hinterfragen,
schmetterten sie in zahlreichen Kommentaren die kritischen Einwände ab und
pochten darauf, dass es in erster Linie um «Vermittlung von Fach- und nicht um
Textilkompetenz» gehe. Der Lehrerberuf sei heute auch ohne Kleidervorschriften
schon kompliziert genug. Aus der Vielzahl der Reaktionen war aber auch spürbar,
dass sich einige gerade jüngere Lehrer durchaus ein bisschen mehr Stil in ihren
eigenen Reihen wünschen würden.
Modell für andere Schulen
Und deshalb
hat sich die Schule Kreuzlingen, die immerhin etwa 300 Lehrerinnen
und Lehrer beschäftigt, Anfang November die Mühe gemacht, das Thema aus dem
Bauch des Lehrkörpers heraus zu entwickeln. Kontext war ein Seminar mit dem
Motto «Auftreten, wirken, begeistern», in dem neben Fachvorträgen von
Neuropsychologen oder Workshops mit Stimmtrainern auch die Kleidung Thema von
zwei halbtägigen Workshops (mit dem Autor dieser Zeilen) war. Dabei wurden die
häufigsten Fehltritte punkto Garderobe benannt, die Grenzen zwischen
individueller Freiheit und repräsentierender Pflicht ausgelotet und wurde ein
konsensfähiger «Dresscode» ausgearbeitet, der ein Modell für andere Schulen
sein könnte.
Im Lehrerberuf
ist es auch Dresscodes oft schwer genug, den Überblick zu behalten.(Vincent Michel
/ Keystone)
Und dies sind die Empfehlungen der Schule Kreuzlingen:
Jacketts und Blazer: Werden von den meisten
Lehrern zwar als schön, aber auch als wenig geeignet empfunden, weil sie die
Bewegung einschränken können. Ein Tipp wären darum die neuen, dehnbaren
Soft-Jacketts ohne Schulterpolster und Innenfutter. Einfarbige Anzüge sind zu
formell und nicht mehr dem Berufsbild entsprechend.
Hemden und Blusen: Werden als korrekt und passend empfunden – für
Herren durchaus auch solche mit kurzen Ärmeln. Allerdings sollte die Passform
stimmen: Weite Freizeithemden sind ebenso falsch wie knallenge Stretch-Blusen.
Transparente Stoffe sind ein klares No-Go.
Krawatten: Können in der Schule problemlos weggelassen
werden, weil sie ohnehin nicht mehr uneingeschränkt als Symbol für Ordnung und
Autorität stehen, sondern teilweise sogar unnötig Distanziertheit anzeigen. Für
die Schulleitung und öffentliche Termine können sie gleichwohl getragen werden,
nur nicht zu kurzärmligen Hemden.
T-Shirts: Für Lehrerinnen unproblematisch und verbreitet,
wenn sie einen gepflegten Eindruck machen. Bauchfrei ist aber ein No-Go. Wenn
Herren T-Shirts tragen, dann auf keinen Fall eines, das mit Logos, Parolen oder
Symbolen bedruckt ist. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich für Lehrer, ein
korrekteres Poloshirt mit Kragen zu wählen.
Ärmellos: Spaghettiträger sind ein klares No-Go. Die Träger
von Tops oder Kleidern sollen mindestens drei Finger breit sein, wobei auf
jeden Fall die Achseln zu rasieren sind. Die Zurschaustellung von Körperhaaren
gehört sich auch für Herren nicht – ärmellose Shirts sind kein ausreichendes
Outfit.
Kapuzenjacken: Das «Hoodie», mit dem sich heute die grosse
Mehrheit der Teenager kleidet, wird für Lehrpersonen als kaum geeignete
Kleidung angeschaut. Wenn es denn überhaupt sein muss, dann solche ohne Logos
und Lettern.
Faserpelzjacken: Wenn Lehrerinnen und Lehrer einen Outdoor-Einsatz
mit der Klasse planen, eine Option – sonst sind sie zu rustikal.
Vorsicht vor
dem Décolleté. Tiefe Einblicke seien ebenso wenig akzeptabel wie Herren, die
offensiv ihre Brusthaare zur Schau stellen.(Imago)
Strickjacken: Sind für Damen und Herren passend, können in
feinen Garnen sogar formell als Blazer-Ersatz getragen werden. Je feiner das
Gestrick, umso eleganter der Cardigan. Ein No-Go sind verfilzte oder stark
fusselnde Strickjacken.
Jeans: Solange Denim-Hosen zeitgemäss geschnitten und
nicht zu verwaschen oder zerschlissen sind, stellen sie für Lehrerinnen und
Lehrer kein Problem dar. Für Herren sind gemäss derzeitiger Mode eher dunkle
Farbtöne zu bevorzugen, Frauen verzichten auf allzu eng sitzende Beinkleider,
sehr tief auf der Hüfte sitzende Taillenlinien oder sogenannte «Jeggings»
(Jeans-Leggings).
Dreiviertelhosen: Die Mehrheit der Lehrpersonen betrachtet
verkürzte Freizeithosen als «schwierig», und zwar für Damen und Herren. Für
Lehrerinnen kann eher eine Ausnahme gemacht werden, nicht aber für
repräsentierende Termine wie Elternabende.
Shorts: Ein ganz klares No-Go. Für Frauen mit gepflegten
Beinen können Bermudas in Ausnahmefällen gehen, Männer sollten ihre Beine
jedoch grundsätzlich zur Gänze bedecken.
Rock und Kleid: Enge, sehr kurze und transparente Kleider sind
ein sicheres No-Go, was aber funktioniert, sind etwa knielange Kleider oder
Röcke.
Blusen werden
von Lehrern als korrekt und passend empfunden – allerdings sollte die Passform
stimmen: Weite Freizeithemden sind ebenso falsch wie knallenge Stretch-Blusen.(Imago)
Décolleté: Es versteht sich von selbst, dass eine Lehrerin
versucht, ihre Vorbildfunktion zu wahren, und es schafft, «Privates vom Beruf
zu trennen». Tiefe Einblicke seien ebenso wenig akzeptabel wie Herren, die
offensiv ihre Brusthaare zur Schau stellen.
Schuhe: Schnürer sind für Herren immer besser als Loafers
und Slippers. Sneakers können funktionieren, sollten aber nicht freizeitlich
kombiniert werden. Offene Schuhe können für Damen eine Variante sein, wobei auf
gepflegte Füsse zu achten ist. Highheels (höher als 6 cm) und Plateausohlen
sind nicht passend.
Sandalen: Für Männer kaum je geeignet, für Frauen bei
gepflegten Füssen im Sommer eine Option. Ein No-Go sind für beide Geschlechter
Flipflops (Zehenstegsandalen) sowie Adiletten (Badelatschen).
Socken: Wenn sie gut kombiniert sind, können Socken für
Herren ein feiner modischer Akzent oder auch ein Markenzeichen sein. Was aber
ein sicheres No-Go ist – für Damen und Herren –, sind das Herzeigen der Füsse
ohne Schuhe sowie kaputte und löchrige Socken.
Hausschuhe: Im Kindergarten ja, in der Primarschule eine
Option, ab der Oberstufe ein No-Go.
Frisur: Obwohl nicht wenige männliche Lehrer den
Haarwuchs als «sekundäres Merkmal» bezeichnen, wünschen sie sich von ihren
Kollegen doch einen «gepflegten Schnitt». Dasselbe gilt für weibliche
Kolleginnen, wobei zudem dazu geraten wird, dass das Gesicht erkennbar bleibt
und langes Haar für Sport und Werken zusammengebunden wird. Als inakzeptabel
für Lehrer wurden grell gefärbte Haare, Dreadlocks und Punk-Haarschnitte
betrachtet.
Für den Alltag
reichen freizeitliche Hemden ohne Krawatte völlig aus. Vorsicht bei Logos,
Mitteilungen und Emblemen.(Imago)
Bärte: Ein Konsens war schnell gefunden und lautet
folgendermassen: «Je mehr Bart ein Mann trägt, desto gepflegter muss sein
Outfit sein.» Als unpassend und unhygienisch wurden lange Bärte bewertet.
Parfum: Schülerinnen und Schüler tragen heute mitunter
starke, süssliche Düfte – es ist keinem Lehrer zu raten, es ihnen gleichzutun.
Sehr feminine Duftnoten, «die eine Welle beim Vorbeigehen machen», werden
ebenso als No-Go betrachtet wie penetrante Rasierwasser. Oberstes Gebot sind
Frische und Dezenz.
Make-up: Es ist keiner Lehrerin die Freiheit zu nehmen,
vor der Klasse Lippenstift zu tragen – wenn es zum Typ passt und nicht
aufgedonnert wirkt. Im Zweifelsfall sind natürliche Farben aber besser als
expressives Rot. Als ungeeignet werden stark geschminkte «smoky eyes»
(Abend-Make-ups) oder auch aufgeklebte Kunstnägel angeschaut.
Schmuck: Solange er nicht stört, ist Schmuck eine
persönliche Ermessenssache. Was aber zu vermeiden ist, sind «übermässiges
Geklapper» oder sehr grosse Kreolen. Bei Schmuckstücken mit Symbolen ist darauf
zu achten, dass diese keine anderen Menschen und ihre Überzeugungen betreffen.
Tattoos und Piercings: Einzelne Motive und
Schmuckelemente findet eine Mehrheit akzeptabel, obwohl sich die Lehrer zumeist
bewusst sind, «dass sie das Leben unnötig erschweren». Grössere Hautmalereien
sind im Zweifelsfall zu bedecken und «Piercing-Orgien» aus Nasen, Lippen und
Ohren zu entfernen. Dies gilt im Besonderen für Elterngespräche oder
Besuchstage.
Nachsatz: Dieser von Lehrerinnen und Lehrern selbst formulierte, fakultative
Dresscode ist kein Regelwerk, das, einmal formuliert und verabschiedet, auf
längere Zeit unverändert bleibt, sondern eine Diskussionsbasis, die regelmässig
überprüft werden soll und dabei helfen kann, etwas bewusster eine zum Beruf des
Pädagogen passende Kleidung von Freizeitklamotten zu unterscheiden.
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