14. Mai 2016

Podium zu Fremdsprachen

Aktueller hätte das Thema des Wissenschaftscafés Chur am Donnerstagabend kaum sein können: «Zweitsprachen in der Volksschule – Chance oder Überforderung?» . Vier Experten diskutierten darüber im Café «B12».












vlnr: Vincenzo Todisco, Henriette Dausend, Simone Pfenninger, Urs Kalberer, Bild: Yanik Bürkli
Fremdsprachenunterricht - gefragt ist Qualität, Bündner Tagblatt, 14.5.


«Früher oder später?», diese Frage stand im Zentrum der Diskussionsrunde, die vom Rektor der PH Graubünden, Gian-Paolo Curcio, geführt wurde. Simone Pfenninger, Oberassistentin am Englischen Seminar der Universität Zürich, legte ihre Forschungsergebnisse zum Erwerb von Zweitsprachen dar und betonte, dass das Alter – anders als beim natürlichen Spracherwerb – im Schulkontext eine «untergeordnete Rolle» spiele. Wichtiger als der frühe Beginn sei etwa das intensivere Lernen über einen kurzen Zeitraum hinweg. Neben Intensität gehören gemäss Pfenninger auch die Lehrperson oder die Klassengrösse zu den zentralen Faktoren, die den Spracherwerb beeinflussen.

Urs Kalberer, Sprachdidaktiker und Sekundarlehrer, sprach sich klar für einen späten Fremdsprachenunterricht aus. «Ältere Lerner sind in ihrer kognitiven Entwicklung weiter», erklärte er und ergänzte, die Motivation in der Oberstufe, besonders im Fach Englisch, sei anders und zumeist «sehr hoch». Diese Meinung teilte Vincenzo Todisco nicht. Der Dozent für Didaktik der Mehrsprachigkeit an der PH Graubünden sagte, er glaube nicht, dass älter per se besser sei. «Es hängt davon ab, was man misst». Beim Übertritt von der Primar- in die Oberstufe fände ein Paradigmenwechsel statt und plötzlich heisse es: «Die Schülerinnen und Schüler können nichts.» Todisco selbst möchte den Hebel bei der Qualität des Unterrichts ansetzen, weshalb er an der PH Modelle und Strategien erprobe, um Fremdsprachen in der Primarschule «erfolgreich und gewinnbringend» zu unterrichten. «Wir dürfen Kindern die Freunde an Sprachen nicht durch eine falsche Didaktik nehmen», betonte er.

Erwartungen klar definieren
Dass junge Schülerinnen und Schüler grundsätzlich motivierte Lerner sind, darüber waren sich die Experten einig. Wichtig sei es, sich über die Erwartungen an den Fremdsprachenunterricht im Klaren zu sein, erklärte Henriette Dausend, Juniorprofessorin für Grundschuldidaktik Englisch an der Technischen Universität Chemnitz. «Geht es darum, auf Primarstufe für Sprache zu sensibilisieren oder geht es um handfeste Kompetenzen?», fragte die Professorin, die eine Fremdsprache ab der dritten Klasse prinzipiell befürwortet. Letztlich brauche es für einen guten Unterricht überzeugte Lehrpersonen und eine Gesellschaft, «die dazu steht». Und Todisco ergänzte, dass Sprache bereits in der Primarschule erlebbar gemacht werden müsse. «Wenn wir das schaffen, haben wir schon viel erreicht», meinte der Dozent. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen