1. November 2014

Bundesrat stärkt Eymann den Rücken

Alain Berset will, dass alle Kantone beim Frühfranzösisch mitmachen, andernfalls werde der Bund sie dazu zwingen.





Berset: "Ich werde das nicht tolerieren", Bild: Stefan Leimer

Bundesrat stärkt Eymann den Rücken, Basler Zeitung, 1.11. von Nina Jecker



Der Basler Erziehungs­direktor Christoph Eymann ist zufrieden. In seinem Kampf für die Harmonisierung des Fremdsprachenunterrichts auf Primarstufe erhielt er als Präsident der Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) gestern gewichtige Schützenhilfe. Bundesrat Alain Berset nahm im Swissôtel Le Plaza in Basel an einer Aussprache aller Erziehungsdirektoren teil – und sagte klar: «Ich werde nicht tolerieren, dass in einigen Kantonen an der Primarschule nur Englisch, aber keine zweite Landessprache unterrichtet wird.»
Nicht alle sind mit dem Modell einverstanden. Bei einer erneuten Abstimmung votierten gestern zwei Erziehungsdirektoren dagegen. Ein Kanton war abwesend, ein weiterer enthielt sich. Wer Nein stimmte, behielt Eymann für sich. Einer von ihnen dürfte aber Res Schmid (SVP) aus dem Kanton Nidwalden sein. Dort möchte zwar das Parlament am Frühfranzösisch festhalten, die Regierung selber will jedoch nur eine Fremdsprache in der Primarschule unterrichten lassen, und zwar Englisch. Entscheiden wird das Nidwaldner Stimmvolk. Auch Thurgau will zurückkrebsen. Das dortige Parlament hat bereits einem Vorstoss zugestimmt, der die Abschaffung von Frühfranzösisch fordert.
Spiel mit dem Feuer
Sehr empfindlich haben die Welschen auf diese Tendenzen reagiert. An der gestrigen Medieninformation nach der Konferenz kam Anne-Catherine Lyon, Präsidentin der Erziehungsdirektoren der Romandie und des Tessins, zu Wort. «Beim Entscheid 2004 mussten wir akzeptieren, dass der Kompromiss den Kantonen die Wahl lässt, zuerst Französisch oder Englisch einzuführen. Dass nun einzelne das Frühfranzösisch ganz abschaffen wollen, ist inakzeptabel.» So weit will es Bundesrat Berset nicht kommen lassen. Er warnte die «abtrünnigen» Kantone, nicht «mit dem Feuer zu spielen». Mehrfach verwies er auf die Bundesverfassung, die eine Vereinheitlichung vorschreibe. «Sobald klar ist, dass ein Kanton das nicht erfüllt – und das könnte schon bald der Fall sein –, wird der Bund intervenieren», sagte Berset. Mit welchen Massnahmen, das liess der Bildungsminister noch offen. «Einen Sanktionenkatalog für fehlbare Kantone gibt es derzeit keinen», sagt Eymann dazu. Er hoffe aber, dass es im Interesse aller sei, die Kompetenzen bei den Kantonen zu belassen und kein Einschreiten des Bundes zu provozieren.
Zwang zeichnet sich auch beim Zeitpunkt der Umsetzung ab. Noch haben drei Kantone gar nicht mit einer zweiten Landessprache auf Primarstufe begonnen, nämlich Uri, Appenzell Innerrhoden und der Aargau. Letzterer beschloss, den Lehrplan 21 erst 2020/2021 einzuführen. Dann soll auch die Einführung von Frühfranzösisch erfolgen. «Es gibt keinen Stichtag», räumt Eymann ein. «Aber es könnten auch hier verbindliche Vorgaben beschlossen werden.»
EDK zieht 2015 Bilanz
In Nidwalden, wo derzeit noch Englisch und Französisch auf Primarstufe unterrichtet werden, lässt man sich nicht beeindrucken. Auf Anfrage der BaZ teilte der dortige Erziehungsdirektor Res Schmid mit: «Aus unserer Sicht gibt es im Moment keine Veränderung. Das Nächste, was entscheidend ansteht, ist die Volksabstimmung betreffend nur eine Fremdsprache an der Primarschule am 8. März 2015.» Was den ange­blichen Verfassungsbruch angeht, da hat sich Schmid bereits geäussert: Vor zehn Jahren habe man das System mit zwei Fremdsprachen ab der dritten und fünten Primarklasse nicht gekannt, und niemand habe vom nationalen Zusammenhalt gesprochen. Wie es im Thurgau, wo der Grosse Rat die Abschaffung von Frühfranzösisch beschlossen hat, weitergeht, dazu wollte Erziehungsdirektorin Monika Knill (SVP) nur so viel sagen: «Die Aussprache war wichtig und wertvoll. Für den Kanton Thurgau ergeben sich keine Änderungen. Das Departement hat die Vorbereitungsarbeiten zur Umsetzung des politischen Auftrages in die Wege geleitet, Details sind noch keine bekannt.»
Im kommenden Jahr wird sich zeigen, ob eine Harmonisierung zustande kommt. Die EDK will dann Bilanz ziehen. Ganz einheitlich wird es aber sowieso nicht werden, auch nicht mit Zwang. In 14 Kantonen lernen die ­Primarschüler als Erstes Englisch, in zwölf zuerst eine zweite Landessprache. Das erlaubt der 2004 beschlossene Kompromiss.


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