1. November 2014

Baume-Schneider gegen obligatorischen Sprachaustausch

Die jurassische Bildungsdirektorin Elisabeth Baume-Schneider warnt vor einem obligatorischen Sprachaustausch. Das sei viel zu kompliziert. Ihre Idee ist es, Sprachassistenten einzusetzen, die Konversationsunterricht erteilen.




Baume-Schneider: "Sprachenlernen ist kompliziert wie ein Uhrwerk", Bild: TA

"Französisch ist keine Fremdsprache", Tages Anzeiger, 1.11. von Anja Burri



In einzelnen Kantonen soll der Französischunterricht auf die Sekundarstufe verschoben werden. Unterschätzen wir in der Deutschschweiz die Befindlichkeiten in der Romandie?
Es gefällt mir nicht, dass es nun immer heisst, wir Romands seien empfindlich. Wir sind nicht beleidigt, wir sind besorgt. Als Schweizer ist uns bewusst, dass unser Land von denSprachen 
zusammengehalten wird. Wir fordern, dass alle Bewohner der Schweiz Verantwortung übernehmen und sich um die anderen Landessprachen bemühen.
Strassenumfragen zeigen: Schüler in der Westschweiz sprechen auch nicht alle gut Deutsch.
Natürlich träumen auch die Westschweizer Schüler nicht auf Deutsch. Das Sprachenlernen ist eine grosse Herausforderung für alle. Im Übrigen müssen die Kinder auch nicht perfekt zweisprachig sein, wenn sie aus der Schule kommen.
Wie meinen Sie das?
Sprachenlernen ist kompliziert wie ein Uhrwerk: Es braucht viele kleine Rädchen, damit es am Ende funktioniert. Die Schule soll den Kindern diese Rädchen, eine Grundausstattung, mitgeben. Es braucht Kenntnisse der Grammatik, einen Wortschatz und vor allem Interesse und Freude an der anderen Sprache und Kultur. Das kann die Schule leisten. Der Rest hängt vom Einzelnen ab.
Wissenschaftler sagen, es spiele keine Rolle, ob der Sprachunterricht ein paar Jahre früher oder später beginne. Es komme auf die Qualität an.
Ja, ich kenne diese Studien. Aber es geht nun einmal nicht nur um Wissenschaft in dieser Frage, sondern um den Zusammenhalt unseres Landes. Die Schule muss allen Schülern zumindest die Möglichkeit bieten, in derPrimarschule 
eine zweite Landessprache zu lernen.
Die Nidwaldner Regierung will alle Kinder in einen Sprachaustausch schicken. Das soll den späteren Start des Französischunterrichts wettmachen.
Das tönt sehr gut. Aber ich sage Ihnen: In der Realität ist so etwas sehr kom- pliziert. Denken Sie an die Zeit, die es braucht, einen flächendeckenden Sprachaustausch zu organisieren! Müssen das die Lehrer in ihrer Freizeit tun? Ich sehe eine grosse Gefahr, dass so ein Austauschobligatorium eine grosse Belastung für die Lehrer sein wird. Und denken Sie an die Kosten. Schliesslich ist es auch nicht sicher, ob alle Eltern damit einverstanden sind.
Haben Sie bessere Ideen?
Wenn Austausch, dann schlage ich eher ein Programm für Sprachassistenten vor: Studenten könnten in anderen Landesteilen eine Art Praktikum machen und dort an Schulen Konversationsunterricht geben.
Viele Deutschschweizer fühlen sich dem Englischen näher. Wie überzeugen Sie Kinder oder Teenager davon, dass Französisch die wichtigste Fremdsprache ist?
In den Medien ist immer von «Fremdsprachen» die Rede. Damit leisten Sie einen Beitrag zum Sprachenstreit. Französisch und Italienisch sind nämlich keine Fremdsprachen, es sind Landes- oder Heimatsprachen wie Deutsch auch.
Und was sagen Sie zu meiner Frage?
Wir müssen den jungen Menschen klar- machen, dass sie ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt steigern, wenn sie eine zweite Landessprache sprechen. Die Nachbarländer – Frankreich, Deutschland und Italien – sind ganz wichtige Handelspartner für die Schweiz.
Wie sollen die Erziehungsdirektoren die Sprachenfrage lösen?
Ich wünsche mir, dass wir es schaffen, die Sprachenstrategie der EDK von 2004 beizubehalten. Mit diesem Kompromiss lernen die Kinder in der ganzen Schweiz spätestens ab der fünften Klasse eine zweite Landessprache. Ich hoffe fest, dass wir «gute Schweizer» sein werden.


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