26. Oktober 2014

Die Schule als Experimentierfeld

Der Chefredaktor der Sonntagszeitung, Arthur Rutishauser, ist ein Mann der klaren Worte. Ohne Umschweife erkannte er die Problematik hinter dem geltenden Sprachenkonzept und entlarvte die welsche Heuchelei hinter der Forderung, die Landessprachen bereits ab Primarschule zu fördern. Wie wir sehen, liegt das Problem mit den Landessprachen vor allem in der Westschweiz selbst.
Nun fokussiert Rutishauser auf das herrschende Chaos der sogenannten Integration. Diese mischt Schüler mit unterschiedlichem Lernstand und Motivation in den gleichen Klassen, dafür betreut von einem Heer von Heilpädagogen. "Manchmal müsste man zugeben können, dass eine Idee gescheitert ist", findet der Journalist und trifft damit den Nagel auf den Kopf. (uk)



"Am Schluss werden immer mehr Schüler zu teuren betreuten Sonderfällen", Bild: Sonntagszeitung

Hört endlich auf, an der gescheiterten Schulreform herumzuflicken, Sonntagszeitung, 26.10. von Arthur Rutishauser


Manchmal müsste man zugeben können, dass eine Idee gescheitert ist, auch wenn es um die Schule geht. Selbst dann, wenn die Idee eigentlich gut gemeint war. Die Schulreformen in der Oberstufe zielten in den letzten Jahren darauf ab, möglichst viele Schüler in dieselbe Regelklasse zu integrieren. Die frühere Trennung zwischen den verschiedenen Niveau-Gruppen wurde vielerorts aufgegeben. Das führt teilweise zur absurden Situation, dass Schüler der gleichen Klasse, bei gleicher Prüfung und gleicher Fehlerzahl unterschiedliche Noten erhalten. Das versteht natürlich keiner, weder die Schüler noch deren Eltern und auch nicht die künftigen Lehrmeister. Darauf folgt, dass die Schüler die Lehrer und ihre Noten nicht mehr ernst nehmen, die Eltern über die Noten zu streiten beginnen und die Lehrmeister unabhängige Tests einführen, weil sie den Zeugnissen nicht mehr trauen.

All das führt zu Stress, Mehrbelastung und auch dazu, dass das Ansehen der Lehrpersonen sinkt. Wenn im selben Schulzimmer auch noch Kinder sitzen, die «lernzielbefreit» sind, also gar nicht mehr benotet werden, weil sie schulisch schlicht zu schwach sind, sinkt fast zwangsläufig auch die Qualität des Unterrichts für diejenigen, die später eine anspruchsvolle Lehre oder eine Mittelschule besuchen wollen. Die Folge ist ein Boom bei den Nachhilfestunden und den Privatschulen bei all denen, die es sich leisten können. Die Folge ist auch ein Ansturm aufs Gymi, wo ganz andere Leistungsziele gelten. Das wiederum senkt das Niveau der Regelklassen nochmals ab und damit nochmals das Ansehen des Lehrers, der vor einer solchen Klasse steht.


Nun kann man natürlich versuchen, am System herumzuflicken. Mit noch mehr Heilpädagogen, psychologischen Beratungen oder Senkung der Schülerzahl, wie sie im Moment im Kanton Zürich diskutiert und vom Lehrerpräsidenten vorgeschlagen wird. Am Schluss werden immer mehr Schüler zu teuren betreuten Sonderfällen. Man kann auch einen Lehrplan 21 erfinden, der Hunderte Seiten umfasst und die Lehrer gegenüber allem absichert, nur nicht gegen die Realität im Klassenzimmer. Besser wäre zu überlegen, ob es nicht an der Zeit wäre, schwierige oder lernschwache Schüler wieder in Kleinkassen zusammenzufassen. Man sollte darüber nachdenken, ob es wirklich sinnvoll ist, wenn in gewissen Kantonen nach zwanzig Jahren Schulreformen jede einzelne Gemeinde ein eigenes System hat, um mit den Problemen im Schulzimmer umzugehen. Das Bildungssystem in einem Land ohne Rohstoffe ist viel zu wichtig, als dass es ein permanentes Experimentierfeld bleiben kann. 

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