Erwin Beck, Rektor der PH St. Gallen: "Wir bilden mehr als genügend Lehrer im Fach Französisch aus". Bild: Coralie Wenger
Französisch-Lehrer gesucht, St. Galler Tagblatt, 15.9. von Sina Bühler
«In nächster Zeit könnte ein Mangel an
Französisch-Lehrern auftreten», sagt Rolf Rimensberger, Leiter des
Volksschulamtes des Kantons St.Gallen. «Ich habe von verschiedenen Oberstufen
im Kanton gehört, dass sie zunehmend Mühe haben, die Französisch-Lehrstellen
mit qualifizierten Lehrkräften zu besetzen.» Auch Erwin Beck, Rektor der
Pädagogischen Hochschule St.Gallen (PHSG), ist bereits darauf angesprochen
worden. «Einzelne Schulen haben tatsächlich Probleme, die Französisch-Pensen zu
besetzen.» Allerdings meint Beck auch: «Wir bilden mehr als genügend Lehrer im
Fach Französisch aus, auf der Primar- genauso wie auf der Oberstufe.»
Mehr als genug Lehrer
In Zahlen heisst das: An der PHSG haben im Juni 13
Diplomanden mit der Lehrbefähigung für Französisch abgeschlossen. Auf der
Primarstufe sind es 45 neue Französisch-Lehrer. Mehr als genug: «Die Ostschweiz
braucht jährlich etwa 40 neue Lehrer für Französisch in der Primarschule und
acht bis zehn neue an der Oberstufe», sagt Erwin Beck. Was die PHSG als
Ausbildungsstätte aber nicht kontrollieren könne, sei, wo diese Lehrkräfte
später unterrichteten. Offenbar ziehe es einen Teil dieser Absolventen weg aus
dem Kanton, an attraktivere Stellen vielleicht.
Politischer Druck
Ein Lehrermangel ist aber nicht das einzige, was
den Französisch-Unterricht an der Primarschule bedroht. Im Juni dieses Jahres
hat der St.Galler Kantonsrat das Postulat «Fremdsprachenunterricht auf der
Primarschule – Überforderung für die Schülerinnen und Schüler» überwiesen. Es
verlangt, unter anderem Französisch-Unterricht erst ab der Oberstufe zu
erteilen – das heisst also, in Sachen Frühfranzösisch dem Kanton Thurgau zu
folgen, der das Fach aus dem Primarschul-Lehrplan gestrichen hat.
SVP-Kantonsrat Erwin Böhi (Wil) hat das Postulat
mitunterzeichnet, als Liebhaber der französischen Sprache übrigens, der selber
in Lausanne studiert hat: «Ich will die Französischlektionen nicht abschaffen.
Aber ich habe meine Zweifel, ob dieses spielende Lernen in der fünften Klasse
viel bringt», sagt Böhi. Er plädiert für einen intensiveren Sprachunterricht,
der dafür später stattfinde. Also die Stundenzahl erhöhen? «Wenn man den
bereits überfrachteten Stundenplan in der Oberstufe anschaut, wird das
schwierig», so Böhi. Er selber fände einen Schüleraustausch mit der Romandie
eine gute Sache, damit die Sprache auch angewendet, statt nur trocken gelernt
werde.
Klassenaustausch fördern
Für Volksschulamt-Leiter Rolf Rimensberger kommt
die Forderung der Kantonsräte vorschnell. «Die ersten Schüler, die in der
Primarschule zwei Fremdsprachen gelernt haben, werden erst in einem Jahr aus
der Schule kommen. Das ist zu früh für eine Bilanz.» Und auch die Regierung des
Kantons St.Gallen hält im Bericht «Perspektiven der Volksschulen» weiterhin am
Frühfranzösisch fest. Der Bericht anerkennt allerdings auch, dass seit der –
unbestrittenen – Einführung des Englischunterrichts in der dritten Klasse,
Französisch einen schwereren Stand habe. Um die Sprachenstrategie der Kantone
voranzutreiben, sollen deswegen die Weiterbildung der Lehrkräfte verstärkt,
neue Lehrmittel eingeführt und der Klassenaustausch mit der Romandie gefördert
werden.
«Ein sensationelles Projekt»
Letzteres ist ganz im Sinn von SVP-Kantonsrat Böhi,
aber auch von PHSG-Rektor Erwin Beck: «Ein Austausch würde die Attraktivität
des Französisch-Unterrichts enorm verstärken. Ich habe an der Kantonsschule
mehrere Schülerinnen und Schüler kennengelernt, die ein ganzes Jahr in Sion zur
Schule sind. Und ihre Kollegen aus dem Wallis, die in St.Gallen waren. Das ist
ein sensationelles Projekt, für das man allerdings Geld in die Hand nehmen
müsste, wenn man es auf die Volksschule ausweiten möchte.» Wird weiter über die
Abschaffung des Frühfranzösisch diskutiert, hat Beck allerdings Bedenken, ob
die PHSG weiterhin genügend Französisch-Lehrer ausbilden kann: «Dann wird sich
manche angehende Primarlehrerin überlegen, ob sie das Fach überhaupt noch
studieren soll. Es könnte sein, dass sie es nie wird unterrichten können.»
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