- Spätestens ab der 3. Primar eine Landessprache
- Englisch als Wahlfach ab der 5. Primar
- An der Oberstufe sind Französisch und Englisch obligatorisch. Abwahl von Französisch ist nicht mehr möglich.
- Fremdsprachen sollen in der Primar nicht mehr promotionswirksam sein.
- Mindestens drei Wochenlektionen pro Fremdsprache.
Dieser Vorschlag ist dermassen durchtränkt von Kompromissen und Rücksichtnahmen gegenüber Politikern, Parteien und den Vertretern der Taliban-Fraktion der Sprachen- und Landesschützer, dass man sich fragt, ob der LCH dabei auch mal ein klein wenig an die Kinder denken könnte. (uk)
Was führt Beat Zemp im Schilde? Bild: Basellandschaftliche Zeitung
Fünf Bedingungen der Lehrer im Sprachenstreit, Tages Anzeiger, 19.9. von Raphaela Birrer
Hinter den Kulissen laufen die
Bemühungen, im Fremdsprachenstreit einen Kompromiss zu erringen, auf
Hochtouren. Wie Tagesanzeiger.ch/Newsnet heute berichtete,
versuchen Bildungspolitiker der SVP und der SP auf
nationaler Ebene, zwischen ihren Parteien einen Minimalkonsens zu erzielen:
Jene Kantone, die in der Primarschule nur noch eine Fremdsprache wollen, sollen
die Möglichkeit dazu haben – sofern es eine Landessprache ist. Gleichzeitig soll
es den Kantonen freistehen, weiterhin zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe
anzubieten. Damit bliebe der Primarschule das Frühfranzösisch erhalten.
Wie Stellungnahmen und Entscheide der
letzten Wochen nahelegen, dürfte dieser Kompromissvorschlag bei den Lehrern auf
Anklang stossen: Die Präsidentenkonferenz der Deutsch- und Westschweizer
Lehrerdachverbände (LCH und SER) beschloss kürzlich in einer
Konsultativabstimmung fast einstimmig, dass die erste Fremdsprache an allen
Primarschulen eine Landessprache sein soll. Und die Nidwaldner Lehrer – dort
soll das Französisch auf die Oberstufe verschoben werden – sprachen sich
vorgestern mit grosser Mehrheit gegen die Abschaffung des Frühfranzösisch aus.
Diese Bekenntnisse zum bisherigen Modell der Erziehungsdirektorenkonferenz
(EDK), bei dem je eine Fremdsprache in der dritten und in der fünften Klasse
eingeführt wird, erfolgen jedoch nicht ohne Vorbehalte. Wie LCH-Präsident Beat
Zemp gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnet sagt, sehen die Lehrer einen Weg, das
EDK-Modell trotz der Widerstände in den Kantonen zu retten – aber nur, wenn es
angepasst wird. Zemp nennt fünf konkrete Änderungsvorschläge:
Alle Kantone sollen spätestens ab der dritten Primarschulklasse eine
Landessprache als erste Fremdsprache einführen. «Englisch
lernen die Schüler bereits in jungem Alter beiläufig; die Sprache erreicht sie
über Musik, Filme, Computer oder Handys», begründet Zemp. Werde dagegen das
Französisch zugunsten des Englisch aus der Primarschule verbannt, wie es die
Kantone Nidwalden und Thurgau vorsehen, erschwere dies den Lernerfolg: «Die
Oberstufenlehrer warnen vor diesem Schritt. Es ist eine Illusion, ohne
emotionalen Bezug zur Sprache mitten in der Pubertät mit dem Französisch
beginnen zu können.» Zudem seien damit wegen des zusätzlichen Bedarfs an –
besser bezahlten – Oberstufen-Französischlehrern vergleichsweise hohe Kosten
verbunden.
Alle Kantone sollen spätestens ab der fünften Klasse Englisch als
Wahlfach anbieten. «Damit könnten die sprachstarken
Schüler bereits auf der Primarstufe zwei Fremdsprachen lernen. Die
sprachschwachen hätten während dieser Lektionen nicht frei, sondern je nach
Bedarf einen Förderkurs in Deutsch oder Französisch», so Zemp. Ob die Schüler
mit dem Erlernen einer zweiten Fremdsprache nicht überfordert wären, würde
demnach mittels einheitlicher Verfahrensregeln geprüft. Massgebend wäre dabei
die Beurteilung der Lehrperson.
Ab der siebten Klasse und bis zum Ende der Sekundarstufe sind sowohl
Englisch als auch Französisch obligatorisch. Französisch abzuwählen, wäre damit
nicht mehr möglich. Heute nutzt gemäss Zemp immerhin bis zu einem Drittel der
Schüler diese Möglichkeit. Dadurch würde das Französisch letztlich gestärkt,
sagt der LCH-Präsident.
Die Leistungsevaluation von Französisch und Englisch auf der Primarstufe
soll verbessert werden.Die
Benotung soll gemäss den LCH-Vorschlägen nicht mehr promotionswirksam sein und
sich nicht länger auf Grammatik, Orthografie und Wortschatzkenntnisse stützen.
Stattdessen sollen die Lernfortschritte im Sprechen und im Hörverständnis
mithilfe eines Portfolios dokumentiert und überprüft werden. «Im
Fremdsprachenunterricht muss die Didaktik angepasst werden: Studien legen nahe,
dass der Fokus beim Sprachlernen in der Primarschule auf dem Sprechen und Hören
liegen sollte», so Zemp. In fortgeschrittenem Alter erfolge der Lernprozess
schliesslich systematischer, sodass die schriftlichen Kompetenzen hinzugezogen
werden könnten.
Die Lehrmittel und Stundendotationen sollen diesem didaktischen Konzept
angepasst werden. Drei Wochenlektionen erachten die
Lehrer als Minimum, um im Spracherwerb einen Effekt zu erzielen. Sie wollen
vermehrt auf Halbklassenunterricht und digitale Lernprogramme setzen, um Hör-
und Sprechübungen zu intensivieren. «Mit einer didaktischen Neuorientierung würden
wir die Befürchtungen und Vorbehalte der Lehrer ernst nehmen. Sie beklagen sich
darüber, dass viele Schüler mit zwei Fremdsprachen auf der Primarstufe
überfordert seien», so Zemp. Denn selbst in ihrer Muttersprache würden Schüler
dieses Alters die Grammatik noch nicht ausreichend beherrschen. Diese
Massnahmen wären gemäss Zemp kostenneutral umzusetzen.
Grundlegende Veränderungen
Damit ist die Stossrichtung der Lehrer
klar: Das Frühfranzösisch soll nicht abgeschafft, aber didaktisch optimiert
werden. Die Umsetzung der Vorschläge würde den Französischunterricht
grundlegend verändern. Trotz der einschneidenden Veränderungen hält Zemp das
Vorhaben für mehrheitsfähig – «bei Politikern, Lehrern, Eltern und in der
Romandie. Gleichzeitig liesse sich auf diese Weise die kantonale
Diskoordination in der Reihenfolge der Fremdsprachen lösen.» Halte die EDK
dagegen an ihrem unveränderten Fremdsprachenmodell fest, sei dieses zum
Scheitern verurteilt.
Dazu ein Kommentar von Dr. Eliane Gautschi:
AntwortenLöschenBereits vor zehn Jahren warf die Einführung des frühen Fremdsprachenunterrichts hohe Wellen. Leider wurden damals die Argumente der Gegner nicht ausdiskutiert und bereits vorhandene Forschungsresultate relativiert, denn es war schon damals Konsens der Bildungsdirektionen, dass in der Primarschule künftig sowohl Englisch als auch Französisch gelernt werden sollte. Mit viel personellem und finanziellem Aufwand wurden bei der Einführung des Fremdsprachenunterrichts die Stundentafeln der Primarklassen umgekrempelt, um je nach Kanton bereits in der dritten Klasse Englisch oder Französisch als erste Fremdsprache einzuführen. Das war ein folgenschwerer Eingriff in den Schulunterricht und mit dem Stundenabbau in andern Fächern (z. B. Handarbeit und Werken) verbunden. Heute wird moniert, das Interesse unserer Schulabgänger für handwerkliche Lehren sei gesunken. Ein gut aufgebauter Werkunterricht legt bereits bei kleineren Kindern wichtige Grundlagen und weckt Interessen. Im Fach Mensch und Umwelt können das Interesse der Kinder für technische und (natur-)wissenschaftliche Fachbereiche und Berufsfelder geweckt und ergänzend dazu den Kindern die jeweils anderen Sprachgebiete in ihren vielfältigen Facetten näher gebracht werden. Die dafür notwendigen Schulstunden müssten aber wieder in die Stundentafel eingeführt werden. Das wäre durchaus möglich. Aktuelle Forschungsresultate zeigen nämlich, was man schon vor zehn Jahren wusste: Kinder, die früh mit Fremdsprachenunterricht beginnen, haben keine Vorteile gegenüber solchen, die später damit starten, weil letztere eine Fremdsprache wesentlich effizienter lernen und weniger Lernzeit benötigen für das Erreichen desselben Sprachniveaus. Die Schule kann die Bedingungen nur schwer bieten, damit ein früher Fremdsprachenunterricht erfolgreich sein könnte, denn das würde u.a. wesentlich mehr Unterrichtszeit beanspruchen. Der gesamte Fremdsprachenunterricht könnte also problemlos in die Oberstufe verlegt werden. Warum eigentlich nicht?