Harmos-Projektleiter Alberto Schneebeli muss sich schweren Anschuldigungen stellen, Bild: Nicole Pont
"Als Stiefelabtreter benutzt", Basler Zeitung, 30.8. von Christian Keller
Wenn die Vorwürfe stimmen, die zwei Lehrpersonen gegen die
Chefbeamten der Baselbieter Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD)
erheben, dann haben nicht nur diese, sondern auch ihr Vorgesetzter,
Regierungsrat Urs Wüthrich, ein gravierendes Problem. Was sich im Juli hinter
den Fassaden des Regierungsgebäudes tatsächlich abgespielt hat, bleibt vorerst
unklar.
Tatsache ist, dass die beiden Allschwiler Sekundarlehrer
Jeannine Schwald und Michael Pedrazzi in einem Schreiben harte Anschuldigungen
machen. Sie richten sich an Markus Stauffenegger, Leiter Amt für Volksschule,
und an Alberto Schneebeli, Projektleiter Bildungsharmonisierung. Die beiden
Allschwiler Lehrpersonen engagieren sich als Mitglieder des Komitees «Starke
Schule Baselland» an vorderster Front für den Ausstieg aus Harmos. Mit einer
Volksinitiative wollen sie erreichen, dass sich Baselland von den Bestrebungen
zur Vereinheitlichung des Schweizer Bildungswesens verabschiedet. Die
Unterschriften sind längst zusammen, die Initiative wurde aber noch nicht
eingereicht.
Treffen auf Einladung
Gemäss dem Schreiben, das der BaZ vorliegt, gab es in der Woche
vor den Sommerferien eine gemeinsame Sitzung zwischen dem Vorstand von «Starke
Schule Baselland» und den zwei Chefbeamten der Bildungsdirektion. Aufseiten des
Komitees nahm nebst Schwald und Pedrazzi auch Geschäftsführerin Saskia Olsson
am Gespräch teil. Für die BKSD waren Stauffenegger, Schneebeli und
Generalsekretär Roland Plattner anwesend.
Das Treffen habe auf Einladung der Bildungsdirektion
stattgefunden, schreiben Schwald und Pedrazzi. Es sei als «konstruktiver
Austausch» angedacht gewesen. Doch die Hoffnungen auf einen anregenden
Austausch über die vielen Harmos-Baustellen zerschlugen sich abrupt: Die
Amtsleiter Stauffenegger und Schneebeli hätten sie massiv attackiert. Schwald
und Pedrazzi schildern das Erlebte wie folgt: «Wir können nur sagen, mit
‹konstruktiv› und Respekt hatte dieses Gespräch nichts zu tun. Wir hatten nach
wenigen Minuten den Eindruck, als gehe es Schneebeli und Stauffenegger nur
darum, uns beide als Lehrpersonen einzuschüchtern, zu beleidigen und zur
Schnecke zu machen.»
Lehrer fühlen sich diffamiert
Und weiter: «Wir kamen uns vor, als wolle man diese Sitzung dazu
nutzen, uns runterzumachen und Druck auszuüben; anders können wir uns nicht
erklären, dass Schneebeli uns als ‹Brandstifter› und mehrfach als ‹Verwirrer›
tituliert hat.» In Schutz nehmen sie Generalsekretär Roland Plattner: Dieser
habe sich sehr korrekt und professionell verhalten und seine beiden
Berufskollegen mit Gestik und Worten aufgefordert, zurückhaltender zu sein.
Doch das habe nichts genützt, die Anschuldigungen seien immer
dreister geworden: «Neben diesen Diffamierungen war unser Eindruck, man wolle
uns mundtot machen und uns drohen, zum Beispiel mit der Aussage, wir hätten
offensichtlich unseren ‹Berufsstand verfehlt›». Schwald und Pedrazzi waren
überrumpelt und mit der Situation überfordert. «Im Nachhinein betrachtet,
hätten wir aufgrund dieser Beleidigungen und Drohungen einfach aufstehen und
gehen müssen.» Sie fragen sich: «Ist das normal, dass an so genannten
‹konstruktiven› Gesprächen Gäste von Chefbeamten als Stiefelabtreter benutzt
werden?»
Wortkarge Bildungsdirektion
Sollten diese Darstellungen tatsächlich zutreffen, dann würde
das einen schweren Eingriff in die freie Meinungsäusserung bedeuten. Schwald
und Pedrazzi sind als Lehrpersonen zwar dazu verpflichtet, sich gegenüber ihrem
Arbeitgeber loyal zu verhalten. Doch in besagter Sitzung sprachen sie nicht als
Angestellte des Kantons, sondern in der Funktion als Komiteemitglieder, die
sich für ein politisches Anliegen engagieren. Auf keinen Fall dürfen Chefbeamte
ihre Machtstellung dazu missbrauchen, um mit Sanktionsandrohungen unliebsame
Gegner zum Schweigen zu bringen. Sie müssten umgehend ihres Amtes enthoben
werden.
Bei der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion gibt sich
Generalsekretär Roland Plattner auf Anfrage wortkarg. Er bestätigt, dass ein
Austausch zwischen Amtsleitern und dem Komitee «Starke Schule» stattgefunden
habe. Was sich dabei abgespielt hat, kommentiert er nicht. Er schreibt: «Zu den
Vorwürfen werden wir nach interner Prüfung Stellung nehmen.»
Auch Schwald und Pedrazzi wollen sich gegenüber der BaZ nicht
äussern. Nur so viel: Ihr Schreiben sei bei der landrätlichen Bildungs-,
Kultur- und Sportkommission deponiert worden. Kommissionspräsident Paul Wenger
(SVP) bestätigt denn auch, dass er Kenntnis von den Anschuldigungen der Lehrer
an die Bildungsdirektion habe. «Bevor ich mich jedoch zu dieser Sache äussern
kann, muss ich zunächst die Gegenseite anhören. Das werde ich in den nächsten
Tagen tun.» Der neuste Fall ist eine Bestätigung für all jene Lehrkräfte, die
aus Angst vor Abstrafungen lieber schweigen, als sich öffentlich zu den
Missständen im Baselbieter Bildungswesen zu äussern.
Urs Wüthrich wehrt sich gegen die Anschuldigungen und hat rechtliche Schritte angekündigt. Quelle: Basler Zeitung, 2.9. von Christian Keller
AntwortenLöschenDer Baselbieter Bildungsdirektor Urs Wüthrich schlägt zurück: In einem zweiseitigen Brief an alle Mitarbeitenden der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion verwahrt er sich gegen die Vorwürfe, welche die Allschwiler Lehrpersonen Jeannine Schwald und Michael Pedrazzi gegen zwei seiner Chefbeamten in der Samstag-Ausgabe der BaZ erhoben haben. Die beiden Vorstandsmitglieder des Komitees «Starke Schule Baselland» beschuldigen Markus Stauffenegger (Leiter Amt für Volksschule) und Alberto Schneebeli (Projektleiter Bildungsharmonisierung), sie bei einer Sitzung beleidigt und bedroht zu haben. «Neben diesen Diffamierungen war unser Eindruck, man wolle uns mundtot machen und uns drohen, zum Beispiel mit der Aussage, wir hätten offensichtlich unseren ‹Berufsstand verfehlt›», so Schwald und Pedrazzi.
Urs Wüthrich stellt sich nun schützend vor seine leitenden Kaderangestellten und zeichnet ein ganz anderes Bild. Bei besagter Sitzung sei es um eine Auslegeordnung zur Broschüre «Pädagogische Kooperation» gegangen. Das Komitee «Starke Schule» hatte der Bildungsdirektion in diesem Zusammenhang vorgehalten, mit DDR-Manier die Staatsschule zu demontieren.
Urs Wüthrich stellt in Abrede, dass es zu verbalen Entgleisungen gekommen sei: «Das Gespräch wurde professionell geführt – alle Teilnehmenden konnten ihre unterschiedlichen Standpunkte erörtern und begründen – und es wurde mit einem Vorschlag zum zweckmässigen Vorgehen bei künftigen abweichenden Standpunkten in bildungsrelevanten Themen abgeschlossen. Im Nachgang zum Gespräch wurde dasselbe seitens der Geschäftsführerin des Komitees ‹Starke Schule Baselland› auch im Namen der beiden übrigen Gesprächsteilnehmenden ausdrücklich verdankt.» Und weiter: «Der angemessene Verlauf des Gesprächs wird mit der späteren schriftlichen Verdankung desselben durch die Delegationsleiterin des Komitees ohne jeden Hinweis auf Irregularitäten bestätigt.»
«Zu Unrecht an Pranger gestellt»
Der SP-Regierungsrat kündigt an, rechtliche Schritte einzuleiten, um seine Angestellten zu schützen. Seine Kadermitarbeiter seien in übelster Weise zu Unrecht an den Pranger gestellt worden. «Der Ruf der Gesamtheit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch der Guten Schule Baselland wird durch derartige Vorfälle und Machenschaften in Mitleidenschaft gezogen. Neben dem tüchtigen und erfolgreichen Engagement der direkt betroffenen Kadermitarbeitenden wird auch ihre Arbeit diskreditiert.»
Saskia Olsson, Geschäftsführerin des Komitees «Starke Schule Baselland», hält derweil an der Darstellung ihrer Vorstandskollegen Schwald und Pedrazzi fest: «Das, was im Brief steht, stimmt so!» Olsson hatte an der umstrittenen Sitzung selber teilgenommen.