31. August 2014

Harmos-Gegner unter Druck gesetzt?

Harmos-Gegner sollen bei einem Treffen mit der Baselbieter Bildungsdirektion massiv unter Druck gesetzt worden sein. Von Beleidigung und Einschüchterung ist die Rede.



Harmos-Projektleiter Alberto Schneebeli muss sich schweren Anschuldigungen stellen, Bild: Nicole Pont

"Als Stiefelabtreter benutzt", Basler Zeitung, 30.8. von Christian Keller


Wenn die Vorwürfe stimmen, die zwei Lehrpersonen gegen die Chefbeamten der Baselbieter Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD) erheben, dann haben nicht nur diese, sondern auch ihr Vorgesetzter, Regierungsrat Urs Wüthrich, ein gravierendes Problem. Was sich im Juli hinter den Fassaden des Regierungsgebäudes tatsächlich abgespielt hat, bleibt vorerst unklar.

Tatsache ist, dass die beiden Allschwiler Sekundarlehrer Jeannine Schwald und Michael Pedrazzi in einem Schreiben harte Anschuldigungen machen. Sie richten sich an Markus Stauffenegger, Leiter Amt für Volksschule, und an Alberto Schneebeli, Projektleiter Bildungsharmonisierung. Die beiden Allschwiler Lehrpersonen engagieren sich als Mitglieder des Komitees «Starke Schule Baselland» an vorderster Front für den Ausstieg aus Harmos. Mit einer Volksinitiative wollen sie erreichen, dass sich Baselland von den Bestrebungen zur Vereinheitlichung des Schweizer Bildungswesens verabschiedet. Die Unterschriften sind längst zusammen, die Initiative wurde aber noch nicht eingereicht.

Treffen auf Einladung

Gemäss dem Schreiben, das der BaZ vorliegt, gab es in der Woche vor den Sommerferien eine gemeinsame Sitzung zwischen dem Vorstand von «Starke Schule Baselland» und den zwei Chefbeamten der Bildungsdirektion. Aufseiten des Komitees nahm nebst Schwald und Pedrazzi auch Geschäftsführerin Saskia Olsson am Gespräch teil. Für die BKSD waren Stauffenegger, Schneebeli und Generalsekretär Roland Plattner anwesend.

Das Treffen habe auf Einladung der Bildungsdirektion stattgefunden, schreiben Schwald und Pedrazzi. Es sei als «konstruktiver Austausch» angedacht gewesen. Doch die Hoffnungen auf einen anregenden Austausch über die vielen Harmos-Baustellen zerschlugen sich abrupt: Die Amtsleiter Stauffenegger und Schneebeli hätten sie massiv attackiert. Schwald und Pedrazzi schildern das Erlebte wie folgt: «Wir können nur sagen, mit ‹konstruktiv› und Respekt hatte dieses Gespräch nichts zu tun. Wir hatten nach wenigen Minuten den Eindruck, als gehe es Schneebeli und Stauffenegger nur darum, uns beide als Lehrpersonen einzuschüchtern, zu beleidigen und zur Schnecke zu machen.»

Lehrer fühlen sich diffamiert

Und weiter: «Wir kamen uns vor, als wolle man diese Sitzung dazu nutzen, uns runterzumachen und Druck auszuüben; anders können wir uns nicht erklären, dass Schneebeli uns als ‹Brandstifter› und mehrfach als ‹Verwirrer› tituliert hat.» In Schutz nehmen sie Generalsekretär Roland Plattner: Dieser habe sich sehr korrekt und professionell verhalten und seine beiden Berufskollegen mit Gestik und Worten aufgefordert, zurückhaltender zu sein.

Doch das habe nichts genützt, die Anschuldigungen seien immer dreister geworden: «Neben diesen Diffamierungen war unser Eindruck, man wolle uns mundtot machen und uns drohen, zum Beispiel mit der Aussage, wir hätten offensichtlich unseren ‹Berufsstand verfehlt›». Schwald und Pedrazzi waren überrumpelt und mit der Situation überfordert. «Im Nachhinein betrachtet, hätten wir aufgrund dieser Beleidigungen und Drohungen einfach aufstehen und gehen müssen.» Sie fragen sich: «Ist das normal, dass an so genannten ‹konstruktiven› Gesprächen Gäste von Chefbeamten als Stiefelabtreter benutzt werden?»

Wortkarge Bildungsdirektion

Sollten diese Darstellungen tatsächlich zutreffen, dann würde das einen schweren Eingriff in die freie Meinungsäusserung bedeuten. Schwald und Pedrazzi sind als Lehrpersonen zwar dazu verpflichtet, sich gegenüber ihrem Arbeitgeber loyal zu verhalten. Doch in besagter Sitzung sprachen sie nicht als Angestellte des Kantons, sondern in der Funktion als Komiteemitglieder, die sich für ein politisches Anliegen engagieren. Auf keinen Fall dürfen Chefbeamte ihre Machtstellung dazu missbrauchen, um mit Sanktionsandrohungen unliebsame Gegner zum Schweigen zu bringen. Sie müssten umgehend ihres Amtes enthoben werden.

Bei der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion gibt sich Generalsekretär Roland Plattner auf Anfrage wortkarg. Er bestätigt, dass ein Austausch zwischen Amtsleitern und dem Komitee «Starke Schule» stattgefunden habe. Was sich dabei abgespielt hat, kommentiert er nicht. Er schreibt: «Zu den Vorwürfen werden wir nach interner Prüfung Stellung nehmen.»

Auch Schwald und Pedrazzi wollen sich gegenüber der BaZ nicht äussern. Nur so viel: Ihr Schreiben sei bei der landrätlichen Bildungs-, Kultur- und Sportkommission deponiert worden. Kommissionspräsident Paul Wenger (SVP) bestätigt denn auch, dass er Kenntnis von den Anschuldigungen der Lehrer an die Bildungsdirektion habe. «Bevor ich mich jedoch zu dieser Sache äussern kann, muss ich zunächst die Gegenseite anhören. Das werde ich in den nächsten Tagen tun.» Der neuste Fall ist eine Bestätigung für all jene Lehrkräfte, die aus Angst vor Abstrafungen lieber schweigen, als sich öffentlich zu den Missständen im Baselbieter Bildungswesen zu äussern.

 


1 Kommentar:

  1. Urs Wüthrich wehrt sich gegen die Anschuldigungen und hat rechtliche Schritte angekündigt. Quelle: Basler Zeitung, 2.9. von Christian Keller
    Der Baselbieter Bildungsdirektor Urs Wüthrich schlägt zurück: In einem zweiseitigen Brief an alle Mitarbeitenden der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion verwahrt er sich gegen die Vorwürfe, welche die Allschwiler Lehrpersonen Jeannine Schwald und Michael Pedrazzi gegen zwei seiner Chefbeamten in der Samstag-Ausgabe der BaZ erhoben haben. Die beiden Vorstandsmitglieder des Komitees «Starke Schule Baselland» beschuldigen Markus Stauffenegger (Leiter Amt für Volksschule) und Alberto Schneebeli (Projektleiter Bildungsharmonisierung), sie bei einer Sitzung beleidigt und bedroht zu haben. «Neben diesen Diffamierungen war unser Eindruck, man wolle uns mundtot machen und uns drohen, zum Beispiel mit der Aussage, wir hätten offensichtlich unseren ‹Berufsstand verfehlt›», so Schwald und Pedrazzi.
    Urs Wüthrich stellt sich nun schützend vor seine leitenden Kaderangestellten und zeichnet ein ganz anderes Bild. Bei besagter Sitzung sei es um eine Auslegeordnung zur Broschüre «Pädagogische Kooperation» gegangen. Das Komitee «Starke Schule» hatte der Bildungsdirektion in diesem Zusammenhang vorgehalten, mit DDR-Manier die Staatsschule zu demontieren.
    Urs Wüthrich stellt in Abrede, dass es zu verbalen Entgleisungen gekommen sei: «Das Gespräch wurde professionell geführt – alle Teilnehmenden konnten ihre unterschiedlichen Standpunkte erörtern und begründen – und es wurde mit einem Vorschlag zum zweckmässigen Vorgehen bei künftigen abweichenden Standpunkten in bildungsrelevanten Themen abgeschlossen. Im Nachgang zum Gespräch wurde dasselbe seitens der Geschäftsführerin des Komitees ‹Starke Schule Baselland› auch im Namen der beiden übrigen Gesprächsteilnehmenden ausdrücklich verdankt.» Und weiter: «Der angemessene Verlauf des Gesprächs wird mit der späteren schriftlichen Verdankung desselben durch die Delegationsleiterin des Komitees ohne jeden Hinweis auf Irregularitäten bestätigt.»
    «Zu Unrecht an Pranger gestellt»
    Der SP-Regierungsrat kündigt an, rechtliche Schritte einzuleiten, um seine Angestellten zu schützen. Seine Kadermitarbeiter seien in übelster Weise zu Unrecht an den Pranger gestellt worden. «Der Ruf der Gesamtheit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch der Guten Schule Baselland wird durch derartige Vorfälle und Machenschaften in Mitleidenschaft gezogen. Neben dem tüchtigen und erfolgreichen Engagement der direkt betroffenen Kadermitarbeitenden wird auch ihre Arbeit diskreditiert.»
    Saskia Olsson, Geschäftsführerin des Komitees «Starke Schule Baselland», hält derweil an der Darstellung ihrer Vorstandskollegen Schwald und Pedrazzi fest: «Das, was im Brief steht, stimmt so!» Olsson hatte an der umstrittenen Sitzung selber teilgenommen.

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