Wenn in der Deutschschweiz
mal wieder über Sinn und Unsinn des Französischunterrichts in den Primarschulen
gestritten wird, melden sich immer die Politiker aus der Romandie und beklagenden fehlenden Zusammenhalt der Schweiz. Darauf melden sich die immer gleichen
Deutschschweizer Politiker, die ihnen beipflichten. Für mich ist das die pure
Heuchelei. Der Zusammenhalt der Schweiz soll davon abhängen, ob unsere Kinder
in der Primarschule während zwei bis drei Jahren für zwei Stunden in der Woche
spielerisch Französisch lernen oder nicht?
Nimmt man den Lernerfolg
aus diesen zwei Stunden zum Massstab, muss es tatsächlich schlimm stehen um den
Zusammenhalt der Schweiz. Wer das nicht glaubt, soll einmal versuchen, mit
12-jährigen Kindern französisch zu sprechen oder in Lausanne auf die Strasse
gehen und sich dort bei den Kids auf Deutsch durchfragen. Das Resultat ist
ernüchternd. Logischerweise, könnte man sagen, denn wer lernt schon spielend
eine Sprache mit zwei Stunden Unterricht pro Woche? Wenn schon müsste man den
Sprachunterricht intensivieren und einen wesentlichen Teil der Stunden in
Französisch abhalten.Es gibt keine Einigkeit, welche Fächer für die zweite Fremdsprache geopfert werden müssten, Bild: Konrad Stadler
Von der Heuchelei im Sprachenstreit, Sonntagszeitung, 17.8. von Arthur Rutishauser
Doch dazu fehlt den
meisten Primarlehrern die Sprachkompetenz und den meisten Politikern der Mut,
weil das eben auch bedeuten würde, dass man sagt, welche Fächer man dem
Sprachunterricht opfert. Dann wird es nämlich heikel, dann kann man nicht mehr
über den Zusammenhang des Landes parlieren, sondern man muss beispielsweise
sagen, Religion braucht es nicht in der Schule, nähen kann man zu Hause und
statt Blumen beobachten ist jetzt Vokabelnlernen angesagt.
Dann, und zwar erst
dann, würden die Kinder wirklich Französisch lernen. Und wenn man auch noch das
Klassenlager in die andere Sprachregion verlegte, gäbe es einen richtigen
Lernerfolg – sonst nicht. Es gibt zahlreiche Studien, die zeigen, dass es kaum
einen messbaren Unterschied in der Sprachbeherrschung gibt zwischen Schülern,
die schon in der Unterstufe Französisch hatten, und solchen, die erst auf der
Sekundarstufe unterrichtet wurden. Auch dass Primarschüler sehr viel einfacher Sprachen
lernen, ist eher ein Mythos. Dass der Lernerfolg mit mehr Wochenstunden grösser
wird, ist hingegen bewiesen und wird von niemandem bestritten.
Doch dass man im
Unterricht mehr Französisch-Lektionen einbaut und ernsthaft versucht, die
Fertigkeiten in der zweiten Landessprache zu verbessern, wird kaum geschehen.
Zu laut wäre der Aufschrei der Pfarrer, wenn es um den Religionsunterricht
geht, zu vehement würde sich die SVP dafür einsetzen, dass die Mädchen auch
weiterhin lernen, wie ein Haushalt geführt wird – auch wenn heute kaum jemand
mehr seine eigenen Socken flickt. Und die linkee Lehrergewerkschaft würde uns
beweisen, dass es schädlich ist, wenn Kinder nicht mehr Tiere beobachten
können.
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