Die Universität Zürich hält noch am Lateinobligatorium fest - wie lange noch? Bild: Frank Brüderli
Lateiner wollen honoriert werden, NZZaS, 22.6. von René Donzé
Seit Jahrzehnten verliert das Latein an Mittelschulen und
Universitäten an Bedeutung. Die altsprachlichen Maturaabschlüsse haben zwischen
1999 und 2012 von rund 4000 auf knapp 850 abgenommen. Und an den Universitäten
wird Latein nur noch für wenige Fächer vorausgesetzt. Einzig Zürich kennt noch
ein breit angelegtes Obligatorium für rund 30 Fächer. Luzern kennt gar keine Lateinpflicht.
Basel hat sie vor zwei Jahren für die letzten Studienrichtungen aufgehoben.
Gegen
diese Erosion will die Schweizerische Akademie der Geistes- und
Sozialwissenschaften (SAGW) nun angehen. «Uns geht es um die Rettung des
Lateins», sagt der stellvertretende Generalsekretär Beat Immenhauser. Man wolle
zwar nicht zum Obligatorium zurückkehren. «Das führte bloss dazu, dass die
Studierenden an andere Universitäten ausweichen oder dass ausländische
Studierende nicht in die Schweiz kommen», sagt er. Doch in jenen Fächern, in
denen Latein fürs Studium wichtig sei, müsse es in angemessener Form gelehrt
und honoriert werden. Verbessert werden müsse vor allem die Anrechenbarkeit der
Lateinkurse. Heute gibt es im Bologna-System dafür zwar Credits, doch zählen
diese in der Regel nicht für den Bachelor. «Das ergibt keinen Sinn», sagt
Immenhauser.
Die
Unis stützen sich heute auf die Empfehlung der Universitäts-Rektorenkonferenz
(CRUS) aus einer Zeit, als noch die meisten Studierenden der
Geisteswissenschaften mit einer Latein-Matur an die Unis kamen. Man wollte
verhindern, dass das Nachholen von Stoff belohnt wird, der bereits an den
Gymnasien gelehrt wird und somit von den Maturanden eigentlich mitgebracht
werden könnte. In der Realität aber müssen heute schweizweit rund 500
Studierende das Latinum an der Uni absolvieren. Sie investieren je nach
Universität zwei bis sieben Stunden pro Woche, ohne dafür belohnt zu werden.
Das
sei rechtlich problematisch, sagt der Studiendekan der Philosophischen Fakultät
der Universität Zürich, Daniel Müller Nielaba: «Im Moment haben wir das
Problem, dass Latein als eine Auflage für das Studium gilt, jedoch nicht als
Studienleistung abgegolten wird. Das ist eigentlich nicht konform zum
Bologna-System.» Er unterstützt darum die Forderung der SAGW, die
CRUS-Empfehlung aufzuheben.
CRUS-Präsident
Antonio Loprieno glaubt nicht, dass es dazu kommen wird. «Eine allgemeine
Empfehlung wäre ein politisches Statement und würde das Latein besser stellen
als etwa Spanisch oder Italienisch.» Auch diese Fächer können am Gymnasium
gelernt werden und geben keine Punkte, wenn man sie an der Uni nachholt.
Loprieno würde es begrüssen, wenn die Universitäten die Anrechenbarkeit in
Eigenregie einführten. «Sie sind ja nicht an die CRUS-Empfehlungen gebunden»,
sagt er.
In
Zürich steht dies zur Debatte. «Solche Ideen sind im Moment an der
philosophischen Fakultät in Diskussion», sagt Müller. Diskutiert wird auch die
Empfehlung der SAGW, Lateinkurse spezifischer auf die Fächer auszurichten.
«Damit würde das Latein von den Studierenden hoffentlich weniger als Strafe
betrachtet, sondern vielmehr als wichtiger Bestandteil des Studiums», sagt er.
Die Ideen der SAGW werden auch vom Altphilologenverband unterstützt. Präsident
Lucius Hartmann glaubt, dass eine Aufwertung an den Unis keine negativen
Auswirkungen auf die Latein-Matur hätte. «Die Schüler lernen Latein ohnehin
eher aus Interesse als aus Notwendigkeit.»
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