22. Juni 2014

Kampf ums Latein

Die altsprachlichen Maturaabschlüsse haben zwischen 1999 und 2012 von rund 4000 auf knapp 850 abgenommen. Das ist eine direkte Folge der schwindenden Lateinpflicht für bestimmte Fächer an der Universität. Nun will die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) das Nachholen von Latein während des Studiums mit Kreditpunkten belohnen. Auch die Altphilologen unterstützen diesen Vorschlag und haben deswegen keine Bedenken bezüglich der Latein-Matur. Präsident Hartmann macht die bemerkenswerte Aussage: "Die Schüler lernen Latein ohnehin eher aus Interesse als aus Notwendigkeit".





Die Universität Zürich hält noch am Lateinobligatorium fest - wie lange noch? Bild: Frank Brüderli

Lateiner wollen honoriert werden, NZZaS, 22.6. von René Donzé


Seit Jahrzehnten verliert das Latein an Mittelschulen und Universitäten an Bedeutung. Die altsprachlichen Maturaabschlüsse haben zwischen 1999 und 2012 von rund 4000 auf knapp 850 abgenommen. Und an den Universitäten wird Latein nur noch für wenige Fächer vorausgesetzt. Einzig Zürich kennt noch ein breit angelegtes Obligatorium für rund 30 Fächer. Luzern kennt gar keine Lateinpflicht. Basel hat sie vor zwei Jahren für die letzten Studienrichtungen aufgehoben.
Gegen diese Erosion will die Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW) nun angehen. «Uns geht es um die Rettung des Lateins», sagt der stellvertretende Generalsekretär Beat Immenhauser. Man wolle zwar nicht zum Obligatorium zurückkehren. «Das führte bloss dazu, dass die Studierenden an andere Universitäten ausweichen oder dass ausländische Studierende nicht in die Schweiz kommen», sagt er. Doch in jenen Fächern, in denen Latein fürs Studium wichtig sei, müsse es in angemessener Form gelehrt und honoriert werden. Verbessert werden müsse vor allem die Anrechenbarkeit der Lateinkurse. Heute gibt es im Bologna-System dafür zwar Credits, doch zählen diese in der Regel nicht für den Bachelor. «Das ergibt keinen Sinn», sagt Immenhauser.
Die Unis stützen sich heute auf die Empfehlung der Universitäts-Rektorenkonferenz (CRUS) aus einer Zeit, als noch die meisten Studierenden der Geisteswissenschaften mit einer Latein-Matur an die Unis kamen. Man wollte verhindern, dass das Nachholen von Stoff belohnt wird, der bereits an den Gymnasien gelehrt wird und somit von den Maturanden eigentlich mitgebracht werden könnte. In der Realität aber müssen heute schweizweit rund 500 Studierende das Latinum an der Uni absolvieren. Sie investieren je nach Universität zwei bis sieben Stunden pro Woche, ohne dafür belohnt zu werden.
Das sei rechtlich problematisch, sagt der Studiendekan der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich, Daniel Müller Nielaba: «Im Moment haben wir das Problem, dass Latein als eine Auflage für das Studium gilt, jedoch nicht als Studienleistung abgegolten wird. Das ist eigentlich nicht konform zum Bologna-System.» Er unterstützt darum die Forderung der SAGW, die CRUS-Empfehlung aufzuheben.
CRUS-Präsident Antonio Loprieno glaubt nicht, dass es dazu kommen wird. «Eine allgemeine Empfehlung wäre ein politisches Statement und würde das Latein besser stellen als etwa Spanisch oder Italienisch.» Auch diese Fächer können am Gymnasium gelernt werden und geben keine Punkte, wenn man sie an der Uni nachholt. Loprieno würde es begrüssen, wenn die Universitäten die Anrechenbarkeit in Eigenregie einführten. «Sie sind ja nicht an die CRUS-Empfehlungen gebunden», sagt er.

In Zürich steht dies zur Debatte. «Solche Ideen sind im Moment an der philosophischen Fakultät in Diskussion», sagt Müller. Diskutiert wird auch die Empfehlung der SAGW, Lateinkurse spezifischer auf die Fächer auszurichten. «Damit würde das Latein von den Studierenden hoffentlich weniger als Strafe betrachtet, sondern vielmehr als wichtiger Bestandteil des Studiums», sagt er. Die Ideen der SAGW werden auch vom Altphilologenverband unterstützt. Präsident Lucius Hartmann glaubt, dass eine Aufwertung an den Unis keine negativen Auswirkungen auf die Latein-Matur hätte. «Die Schüler lernen Latein ohnehin eher aus Interesse als aus Notwendigkeit.»

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