Dem Kanton Baselland würde es gut anstehen, bei den Deutschschweizer Erziehungsdirektoren auf den Einbezug der Kritiker bei der Überarbeitung des Lehrplans zu pochen, Bild: Keystone
Vorschnelle Entwarnung, Basler Zeitung, 14.4. Kommentar von Thomas Dähler
Verschwiegen wird im Communiqué Wüthrichs nämlich, dass die
Deutschschweizer Erziehungsdirektoren die Freigabe des Lehrplans 21 inzwischen
auf Ende 2014 und die Einführung «in den meisten Kantonen» auf das Schuljahr
2017/2018 terminiert haben. Doch für eine vorzeitige Einführung im Baselbiet spricht
inzwischen nur noch das Ausscheiden Wüthrichs Mitte 2015 aus der Regierung. Die
meisten Mitglieder des Baselbieter Bildungsrats vertreten inzwischen die
Meinung, dass eine vorzeitige Einführung nicht angezeigt ist.
Weniger Vorgaben und weniger Ideologie: Zumindest die Richtung,
die die Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz jetzt einschlagen will,
stimmt. Doch auch ein um 20 Prozent entschlackter Lehrplan bleibt ein gar
umfangreiches Regelwerk. 550 Seiten minus 20 Prozent: Das ergibt immer noch
einen Umfang von 440 Seiten oder 40 Seiten pro Schul- oder Kindergartenjahr.
Die zentrale Frage wird indes nicht weggerechnet werden können: Wie viel
Freiraum bleibt den einzelnen Lehrkräften, die den Schulalltag bewältigen
müssen, und deren Arbeit direkten Einfluss auf die Bildungsqualität in der
Schweiz hat? Standhaft verteidigt hat die Steuergruppe des Lehrplans 21 den
Grundsatz, dass Kompetenzen für die Schülerinnen und Schüler wichtiger seien
als die Inhalte des Schulstoffs. Doch auch hier stellt sich die Frage: Wie
verbindlich wird der Paradigmenwechsel im Lehrplan festgeschrieben und von den
Lehrkräften geteilt? Noch bleibt die Chance intakt, dass der Lehrplan 21 in
den kommenden Monaten doch noch vom ideologischen Prestigeprojekt zum praxistauglichen
Leitwerk mutiert. Die Stimmberechtigten haben sich für eine Harmonisierung der
kantonalen Schulsysteme ausgesprochen, nicht aber für eine landesweiten
Normierung der einzelnen Schullektionen.
Entschlackung des Regelwerks ohne
Zeitdruck nötig
Die sechsköpfige Steuergruppe des Lehrplans, parteipolitisch
heterogen zusammengesetzt (2 SVP, 1 FDP, 1 SP, 1 Grüne, 1 CSP), hat letzten
Freitag versichert, der Lehrplan 21 sei ein «Kompass» und lasse den Lehrkräften
die Freiheit, selber zu entscheiden, wie sie ans Ziel kommen wollten. Damit
haben sich die Erziehungsdirektoren mindestens in ihrer Wortwahl den Kritikern
angenähert. So hat die von Lehrerinnen und Lehrern gegründete Oppositionsgruppe
«550 gegen 550» gefordert, der Lehrplan 21 müsse ein Rahmenlehrplan sein, der
zwischen verbindlichen Vorgaben und weitergehenden Regelungen in Form von
Empfehlungen unterscheide. Noch ist offen, was bei der jetzt anstehenden
Überarbeitung der Lernziele herauskommt. Gelingen kann das Unternehmen nur,
wenn die Entschlackung des Regelwerks ohne Zeitdruck und unter Einbezug der
kritischen Stimmen vorgenommen wird.
Wüthrichs Bildungsdirektion, scheint mir, triumphiert zu früh.
Ob die Überarbeitung im Sinne der Bildungspragmatiker geschieht, ist noch immer
offen. Der Bildungsdirektor müsste sich bewusst sein, dass die Baselbieter
Lehrerschaft den Reformen noch immer tendenziell ablehnend gegenüber steht und
die Starke Schule Baselland mit einer Volksinitiative bereit ist. Dem Kanton
Baselland würde es gut anstehen, bei den Deutschschweizer Erziehungsdirektoren
auf den Einbezug der Kritiker bei der Überarbeitung des Lehrplans zu pochen.
Legitimiert wäre der Kanton, denn er hat sich seinerzeit immerhin an vorderster
Front für die Harmonisierung der kantonalen Schulsysteme engagiert. Dabei stand
nie zur Diskussion, mit der Harmonisierung ein monumentales Regelwerk
einzuführen, das – so die Wortwahl der Kritiker – einem «Staatsstreich im
Schulzimmer» gleichkommt. Das geheimbündlerische Vorgehen der Schulreformer hat
dazu geführt, dass die jetzt fällige Überarbeitung grösseres Ausmass annimmt.
Ohne Mitwirkung kritischer Stimmen aber besteht die Gefahr, dass dies nicht die
letzte Zusatzrunde ist.
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