14. April 2014

Lehrplan 21: Auf Einbezug der Kritiker pochen

Stellt sich das Baselbiet wieder schön brav hinter den Lehrplan 21 und die Schulreformen? «Druck des Kantons Basel-Landschaft zeigt Wirkung» ist das Communiqué der Baselbieter ­Bildungs-, Kultur und Sportdirektion überschrieben. Forderungen enthält es keine mehr. Das Communiqué ist die offizielle Reaktion des Kantons auf die angekündigte Überarbeitung des Lehrplans 21, den das Baselbiet als einziger Kanton abgelehnt hatte. Bildungsdirektor Urs Wüthrich, dem die Kritikerrolle ohnehin nie wirklich behagt hat, will aufatmen. Entsprechend enthält sein Communiqué auch gleich noch den Hinweis, dass die Einführung des Lehrplans 21 auf das Schuljahr 2015/2016 damit «möglich bleibt». Das allerdings dürfte Wunschtraum bleiben. 


Dem Kanton Baselland würde es gut anstehen, bei den Deutschschweizer Erziehungsdirektoren auf den Einbezug der Kritiker bei der Überarbeitung des Lehrplans zu pochen, Bild: Keystone

Vorschnelle Entwarnung, Basler Zeitung, 14.4. Kommentar von Thomas Dähler



Verschwiegen wird im Communiqué Wüthrichs nämlich, dass die Deutschschweizer Erziehungsdirektoren die Freigabe des Lehrplans 21 inzwischen auf Ende 2014 und die Einführung «in den meisten Kantonen» auf das Schuljahr 2017/2018 terminiert haben. Doch für eine vorzeitige Einführung im Baselbiet spricht inzwischen nur noch das Ausscheiden Wüthrichs Mitte 2015 aus der Regierung. Die meisten Mitglieder des Baselbieter Bildungsrats vertreten inzwischen die Meinung, dass eine vorzeitige Einführung nicht angezeigt ist.
Weniger Vorgaben und weniger Ideologie: Zumindest die Richtung, die die Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz jetzt einschlagen will, stimmt. Doch auch ein um 20 Prozent entschlackter Lehrplan bleibt ein gar umfangreiches Regelwerk. 550 Seiten minus 20 Prozent: Das ergibt immer noch einen Umfang von 440 Seiten oder 40 Seiten pro Schul- oder Kindergartenjahr. Die zentrale Frage wird indes nicht weggerechnet werden können: Wie viel Freiraum bleibt den einzelnen Lehrkräften, die den Schulalltag bewältigen müssen, und deren Arbeit direkten Einfluss auf die Bildungs­qualität in der Schweiz hat? Standhaft verteidigt hat die Steuergruppe des Lehrplans 21 den Grundsatz, dass Kompetenzen für die Schülerinnen und Schüler wichtiger seien als die Inhalte des Schulstoffs. Doch auch hier stellt sich die Frage: Wie verbindlich wird der Paradigmenwechsel im Lehrplan festgeschrieben und von den Lehr­kräften geteilt? Noch bleibt die Chance intakt, dass der Lehrplan 21 in den kommenden Monaten doch noch vom ideologischen Prestigeprojekt zum ­praxistauglichen Leitwerk mutiert. Die Stimmberechtigten haben sich für eine Harmonisierung der kantonalen Schulsysteme ausgesprochen, nicht aber für eine landesweiten Normierung der einzelnen Schullektionen.
Entschlackung des Regelwerks ohne Zeitdruck nötig
Die sechsköpfige Steuergruppe des Lehrplans, parteipolitisch heterogen zusammengesetzt (2 SVP, 1 FDP, 1 SP, 1 Grüne, 1 CSP), hat letzten Freitag versichert, der Lehrplan 21 sei ein «Kompass» und lasse den Lehrkräften die Freiheit, selber zu entscheiden, wie sie ans Ziel kommen wollten. Damit haben sich die Erziehungsdirektoren mindestens in ihrer Wortwahl den Kritikern angenähert. So hat die von Lehrerinnen und Lehrern gegründete Oppositionsgruppe «550 gegen 550» gefordert, der Lehrplan 21 müsse ein Rahmenlehrplan sein, der zwischen verbindlichen Vorgaben und weitergehenden Regelungen in Form von Empfehlungen unterscheide. Noch ist offen, was bei der jetzt anstehenden Überarbeitung der Lernziele herauskommt. Gelingen kann das Unternehmen nur, wenn die Entschlackung des Regelwerks ohne Zeitdruck und unter Einbezug der kritischen Stimmen vorgenommen wird.
Wüthrichs Bildungsdirektion, scheint mir, triumphiert zu früh. Ob die Überarbeitung im Sinne der Bildungspragmatiker geschieht, ist noch immer offen. Der Bildungsdirektor müsste sich bewusst sein, dass die Baselbieter Lehrerschaft den Reformen noch immer tendenziell ablehnend gegenüber steht und die Starke Schule Baselland mit einer Volksinitiative bereit ist. Dem Kanton Baselland würde es gut anstehen, bei den Deutschschweizer Erziehungsdirektoren auf den Einbezug der Kritiker bei der Überarbeitung des Lehrplans zu pochen. Legitimiert wäre der Kanton, denn er hat sich seinerzeit immerhin an vorderster Front für die Harmonisierung der kantonalen Schulsysteme engagiert. Dabei stand nie zur Diskussion, mit der Harmonisierung ein monumentales Regelwerk einzuführen, das – so die Wortwahl der Kritiker – einem «Staatsstreich im Schulzimmer» gleichkommt. Das geheimbündlerische Vorgehen der Schulreformer hat dazu geführt, dass die jetzt fällige Überarbeitung grösseres Ausmass annimmt. Ohne Mitwirkung kritischer Stimmen aber besteht die Gefahr, dass dies nicht die letzte Zusatzrunde ist.


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