25. März 2014

"Initianten haben sich verrannt"

Viktor Abt, Leiter der Sekundarlehrer-Ausbildung an der PHNW, nimmt Stellung zur Ausbildungs-Initiative.




Abt: "Es gelten gesamtschweizerische Regeln"

"Die Initianten haben sich verrannt", Basler Zeitung, 25.3. von Thomas Dähler



BaZ: Herr Abt, Sie leiten die Sekundarlehrer-Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule. Mit einer Volksinitiative will das Komitee Starke Schule Baselland durchsetzen, dass die von Ihnen ausgebildeten Sekundarlehrer künftig im Baselbiet nicht mehr angestellt werden dürfen. Was machen Sie falsch?
Viktor Abt: Die Frage müssten Sie den Initianten stellen. Diesen würde ich raten, sich über die Vorgaben für die Ausbildung zu orientieren. Während 150 Jahren gab es in der Schweiz nur kantonale Lehrerausbildungen. Doch in den letzten 15 Jahren hat sich fast alles verändert. Zum einen unterteilt die Bologna-Konvention die Studien in 50 Ländern Europas unter­dessen in ein Bachelor- und ein Master-Studium. Und zum andern erlässt die Erziehungsdirektoren-Konferenz heute über ein Anerkennungsreglement Mindestvorgaben für ein Studium, damit es landesweit Anerkennung erhält. Die Initianten haben sich mit ihren Vorschlägen verrannt, denn mit solchen Vorgaben erhielten wir niemals eine schweizerische Anerkennung – ganz abgesehen davon, dass Sie kaum eine Institution finden würden, die solches anbieten würde.
Stein des Anstosses ist die Fachausbildung. Sie wurde gegenüber der Zeit vorher gekürzt. Weshalb?
Sie wurde nur reduziert, wenn aus­schliesslich auf den fachwissenschaftlichen Teil fokussiert wird. Heute werden mindestens zwei Jahre Ausbildungszeit in Fachwissenschaft und Fachdidaktik in Kombination vorgeschrieben. Dazu kommen heute Vorgaben für Erziehungswissenschaften, Psychologie, Pädagogik und Berufspraxis. Das schweizerische Reglement hat bei uns dazu geführt, dass wir heute doppelt so viel Zeit für die Berufspraxis reservieren. Das muss zwingend eingehalten werden. Die Ansprüche für Fachdidaktik und Fachwissenschaft zusammen haben heute mindestens den Standard von damals. Dieser Bereich ist nicht kleiner als früher, aber er ist präziser auf die Schule ausgerichtet. Die angehenden Lehrkräfte lernen vor allem, wie der Stoff in der Schule vermittelt werden kann. Ich finde es einigermassen seltsam, dass ausgerechnet wir an der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz wegen deren Ausrichtung auf das berufspraktische Feld angegriffen werden. Dabei vermitteln wir gar mehr Fachwissenschaft und Fachdidaktik, indem wir die Lehrkräfte nur in drei Fächern statt wie sonst üblicherweise in der Deutschschweiz in vier Fächern ausbilden, was pro Fach zu einer fundierteren Ausbildung führt.
In diesem Jahr wechseln die ersten Studierenden nach dem neuen Konzept ins Berufsleben. Sind Sie überzeugt, dass sie den Berufseinstieg schaffen?
Die ersten 20 Absolventen wurden diplomiert. Wir sind überzeugt, dass sie ihre Aufgabe gut lösen werden.
Diese haben das Regelstudium in den minimal vorgeschriebenen viereinhalb Jahren absolviert.
Das ist so. Daneben darf aber nicht ­vergessen werden, dass es auch noch den konsekutiven Studiengang gibt, der etwas länger dauert. Dabei handelt es sich um Studierende, die ein Fachstudium mit einem Bachelor an der Universität in zwei Fächern abgeschlossen haben – ein Vorteil des Bologna-Systems. Diese Studierenden schliessen sogar mit einem höheren fachwissenschaftlichen Studienanteil ab, als in der Initiative verlangt wird. Sie können mit einem Masterstudium bei uns fortfahren und die Lehrbefähigung in den zwei Fächern für die ­Sekundarschule erwerben. Sie müssen ihr Studium durch Berufspraxis und Erziehungswissenschaft ergänzen. Mög­lich ist auch ein Eintritt mit einem Primarlehrer-Diplom der Pädagogischen Hochschule. Diese Studierenden müssen entsprechend die fachwissenschaftliche Ausbildung ergänzen.
Führen die unterschiedlichen Ausbildungswege zu einer Konkurrenzsituation zwischen Universität und Pädagogischer Hochschule?
Ich sehe darin gar keine Konkurrenzsituation. Wir bilden an der Fachhochschule Lehrerinnen und Lehrer für die Schulen aus. Die Universität hingegen bietet eine fachwissenschaftliche Ausbildung an. Wer einen vollen fachwissenschaftlichen Master der Universität oder der Hochschule für Kunst oder für Musik mitbringt, kann bei uns eine Ausbildung als Lehrkraft für das Gymnasium an­schliessen. Das ist eine sinnvolle und kostensparende Kooperation zwischen Universität beziehungsweise Fachhochschule und Pädagogischer Hochschule.
Im Parlament des Kantons Basel-Stadt wurde auch die Frage gestellt, ob es mit den entsprechenden Synergien nicht günstiger wäre, die Fachausbildung durch die Universität durchführen zu lassen.
Günstiger würde es nur, wenn die Fachausbildung allein in Basel zu absolvieren wäre. Doppelspurigkeiten gibt es jedoch weit mehr zwischen den Standorten der Fachhochschule, etwa zwischen Brugg/Windisch und Basel. Wenn aber beschlossen würde, Brugg/Windisch nach Basel zu verschieben, könnte der Studiengang gleich ganz geschlossen werden. Denn die Studierenden würden wohl eher nach Zürich ausweichen, was erhebliche Transferzahlungen aus dem Raum Nordwestschweiz nach Zürich auslösen würde. Umgekehrt wäre es vielleicht eher möglich, aber dies wollen vermutlich die beiden Basel nicht. Heute haben wir es organisatorisch so weit optimiert, dass die Dozenten an beiden Standorten unterrichten können.
Anlass der Kontroverse im Baselbiet sind auch die unterschiedlichen Gehälter. Wer nur in zwei Fächern unterrichtet, ist schlechter bezahlt als Sekundarlehrer, die drei Fächer unterrichten. Ist dies gerechtfertigt?
Weshalb der Kanton Baselland mit einer Lohndiskriminierung bestraft, wer den konsekutiven Studiengang mit einem Fachstudium an der Universität wählt, müssen Sie nicht uns fragen.
Gäbe es nicht die Möglichkeit, mit einem längeren Studium zu einer Lehrerlaubnis für mehr Fächer zu gelangen?
Das ist selbstverständlich möglich. Die Pädagogische Hochschule bietet sowohl Diplomerweiterungen – zum Beispiel Sekundarstufe I zusätzlich zur Sekundarstufe II – wie auch Fach­erweiterungen an. Hat jemand ein Diplom für zwei oder auch für drei Fächer, ist es möglich – berufsbegleitend – ein ergänzendes Studium zu absolvieren. Doch dies müssten vereinbarungsgemäss die Kantone finanzieren. Daran scheitert es oft.
Als Pädagogische Hochschule sehen Sie sich mit dem Lehrplan 21 mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Bereiten Sie sich darauf vor?
Eine besondere Ironie der Debatte der letzten Woche ist, dass uns Kritiker Vorwürfe für eine Ausbildung machen, die es nicht gibt. Wir bilden keine Einheitslehrer etwa für ein kombiniertes Fach Biologie, Chemie und Physik aus. Zuerst wollen wir sicher sein, was im Lehrplan 21 steht, und dies ist offener als auch schon. Wenn zugunsten solcher Integrationsfächer entschieden werden sollte, würden wir dann die nötigen Überlegungen für die Lehrerausbildung aufnehmen – mit der entsprechenden Rücksichtnahme auf die einzelnen Disziplinen.
Würden Sie sich allenfalls auch an der Weiterbildung beteiligen, etwa wenn Hauswirtschaftslehrer Kompetenzen in Ökonomie erwerben müssten?
Ja, gerne – aber das Institut Weiterbildung der Pädagogischen Hochschule wird nur von den Kantonen Aargau und Solothurn getragen. Basel-Stadt und Baselland haben ihre eigenen kantonalen Weiterbildungsstellen. Für die besagte Weiterbildung wäre daher ein Auftrag der Kantone erforderlich.
Wäre es nicht sinnvoll, die Weiterbildung aller vier Nordwestschweizer Kantone unter einem einzigen Dach zusammenzuführen?
Das, meine ich, würde die Arbeit in unserem Weiterbildungsinstitut erleichtern. Weshalb das heute derart komplex organisiert ist, müssen die einzelnen Kantone beantworten.
Mischen Sie sich in die politischen ­Diskussionen, die geführt werden, ein?
Dass man sich in den Kantonen mit der Ausbildung der Lehrer beschäftigt, finde ich richtig. Wir können der Politik nicht vorgeben, was sein muss. Es ist umgekehrt: Wir halten uns an das, was politisch beschlossen wird. Heute gelten gesamtschweizerische Regeln. Deshalb finde ich es absurd, dass eine Gruppe eine Initiative für eine Ausbildung startet, die nur in einem einzigen Kanton akzeptiert wäre. Vermutlich würden sich dafür gar keine Studierenden finden.


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