Abt: "Es gelten gesamtschweizerische Regeln"
"Die Initianten haben sich verrannt", Basler Zeitung, 25.3. von Thomas Dähler
BaZ: Herr
Abt, Sie leiten die Sekundarlehrer-Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule.
Mit einer Volksinitiative will das Komitee Starke Schule Baselland durchsetzen,
dass die von Ihnen ausgebildeten Sekundarlehrer künftig im Baselbiet nicht mehr
angestellt werden dürfen. Was machen Sie falsch?
Viktor Abt: Die Frage müssten Sie den Initianten stellen. Diesen würde
ich raten, sich über die Vorgaben für die Ausbildung zu orientieren. Während
150 Jahren gab es in der Schweiz nur kantonale Lehrerausbildungen. Doch in den
letzten 15 Jahren hat sich fast alles verändert. Zum einen unterteilt die
Bologna-Konvention die Studien in 50 Ländern Europas unterdessen in ein
Bachelor- und ein Master-Studium. Und zum andern erlässt die
Erziehungsdirektoren-Konferenz heute über ein Anerkennungsreglement
Mindestvorgaben für ein Studium, damit es landesweit Anerkennung erhält. Die
Initianten haben sich mit ihren Vorschlägen verrannt, denn mit solchen Vorgaben
erhielten wir niemals eine schweizerische Anerkennung – ganz abgesehen
davon, dass Sie kaum eine Institution finden würden, die solches anbieten
würde.
Stein des Anstosses ist die Fachausbildung. Sie wurde
gegenüber der Zeit vorher gekürzt. Weshalb?
Sie wurde nur reduziert, wenn ausschliesslich auf den
fachwissenschaftlichen Teil fokussiert wird. Heute werden mindestens zwei Jahre
Ausbildungszeit in Fachwissenschaft und Fachdidaktik in Kombination
vorgeschrieben. Dazu kommen heute Vorgaben für Erziehungswissenschaften,
Psychologie, Pädagogik und Berufspraxis. Das schweizerische Reglement hat bei
uns dazu geführt, dass wir heute doppelt so viel Zeit für die Berufspraxis
reservieren. Das muss zwingend eingehalten werden. Die Ansprüche für
Fachdidaktik und Fachwissenschaft zusammen haben heute mindestens den Standard
von damals. Dieser Bereich ist nicht kleiner als früher, aber er ist präziser
auf die Schule ausgerichtet. Die angehenden Lehrkräfte lernen vor allem, wie
der Stoff in der Schule vermittelt werden kann. Ich finde es einigermassen
seltsam, dass ausgerechnet wir an der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz
wegen deren Ausrichtung auf das berufspraktische Feld angegriffen werden. Dabei
vermitteln wir gar mehr Fachwissenschaft und Fachdidaktik, indem wir die
Lehrkräfte nur in drei Fächern statt wie sonst üblicherweise in der
Deutschschweiz in vier Fächern ausbilden, was pro Fach zu einer fundierteren
Ausbildung führt.
In diesem Jahr wechseln die ersten Studierenden nach dem
neuen Konzept ins Berufsleben. Sind Sie überzeugt, dass sie den Berufseinstieg
schaffen?
Die ersten 20 Absolventen wurden diplomiert. Wir sind
überzeugt, dass sie ihre Aufgabe gut lösen werden.
Diese haben das Regelstudium in den minimal
vorgeschriebenen viereinhalb Jahren absolviert.
Das ist so. Daneben darf aber nicht vergessen werden, dass
es auch noch den konsekutiven Studiengang gibt, der etwas länger dauert. Dabei
handelt es sich um Studierende, die ein Fachstudium mit einem Bachelor an der
Universität in zwei Fächern abgeschlossen haben – ein Vorteil des
Bologna-Systems. Diese Studierenden schliessen sogar mit einem höheren
fachwissenschaftlichen Studienanteil ab, als in der Initiative verlangt wird.
Sie können mit einem Masterstudium bei uns fortfahren und die Lehrbefähigung in
den zwei Fächern für die Sekundarschule erwerben. Sie müssen ihr Studium durch
Berufspraxis und Erziehungswissenschaft ergänzen. Möglich ist auch ein
Eintritt mit einem Primarlehrer-Diplom der Pädagogischen Hochschule. Diese
Studierenden müssen entsprechend die fachwissenschaftliche Ausbildung ergänzen.
Führen die unterschiedlichen Ausbildungswege zu einer
Konkurrenzsituation zwischen Universität und Pädagogischer Hochschule?
Ich sehe darin gar keine Konkurrenzsituation. Wir bilden an
der Fachhochschule Lehrerinnen und Lehrer für die Schulen aus. Die Universität
hingegen bietet eine fachwissenschaftliche Ausbildung an. Wer einen vollen
fachwissenschaftlichen Master der Universität oder der Hochschule für Kunst
oder für Musik mitbringt, kann bei uns eine Ausbildung als Lehrkraft für das
Gymnasium anschliessen. Das ist eine sinnvolle und kostensparende Kooperation
zwischen Universität beziehungsweise Fachhochschule und Pädagogischer
Hochschule.
Im Parlament des Kantons Basel-Stadt wurde auch die Frage
gestellt, ob es mit den entsprechenden Synergien nicht günstiger wäre, die
Fachausbildung durch die Universität durchführen zu lassen.
Günstiger würde es nur, wenn die Fachausbildung allein in
Basel zu absolvieren wäre. Doppelspurigkeiten gibt es jedoch weit mehr zwischen
den Standorten der Fachhochschule, etwa zwischen Brugg/Windisch und Basel. Wenn
aber beschlossen würde, Brugg/Windisch nach Basel zu verschieben, könnte der
Studiengang gleich ganz geschlossen werden. Denn die Studierenden würden wohl
eher nach Zürich ausweichen, was erhebliche Transferzahlungen aus dem Raum
Nordwestschweiz nach Zürich auslösen würde. Umgekehrt wäre es vielleicht eher
möglich, aber dies wollen vermutlich die beiden Basel nicht. Heute haben wir es
organisatorisch so weit optimiert, dass die Dozenten an beiden Standorten
unterrichten können.
Anlass der Kontroverse im Baselbiet sind auch die unterschiedlichen
Gehälter. Wer nur in zwei Fächern unterrichtet, ist schlechter bezahlt als
Sekundarlehrer, die drei Fächer unterrichten. Ist dies gerechtfertigt?
Weshalb der Kanton Baselland mit einer Lohndiskriminierung
bestraft, wer den konsekutiven Studiengang mit einem Fachstudium an der
Universität wählt, müssen Sie nicht uns fragen.
Gäbe es nicht die Möglichkeit, mit einem längeren Studium
zu einer Lehrerlaubnis für mehr Fächer zu gelangen?
Das ist selbstverständlich möglich. Die Pädagogische
Hochschule bietet sowohl Diplomerweiterungen – zum Beispiel
Sekundarstufe I zusätzlich zur Sekundarstufe II – wie auch Facherweiterungen
an. Hat jemand ein Diplom für zwei oder auch für drei Fächer, ist es
möglich – berufsbegleitend – ein ergänzendes Studium zu absolvieren.
Doch dies müssten vereinbarungsgemäss die Kantone finanzieren. Daran scheitert
es oft.
Als Pädagogische Hochschule sehen Sie sich mit dem Lehrplan
21 mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Bereiten Sie sich darauf vor?
Eine besondere Ironie der Debatte der letzten Woche ist,
dass uns Kritiker Vorwürfe für eine Ausbildung machen, die es nicht gibt. Wir
bilden keine Einheitslehrer etwa für ein kombiniertes Fach Biologie, Chemie und
Physik aus. Zuerst wollen wir sicher sein, was im Lehrplan 21 steht, und
dies ist offener als auch schon. Wenn zugunsten solcher Integrationsfächer
entschieden werden sollte, würden wir dann die nötigen Überlegungen für die
Lehrerausbildung aufnehmen – mit der entsprechenden Rücksichtnahme auf die
einzelnen Disziplinen.
Würden Sie sich allenfalls auch an der Weiterbildung
beteiligen, etwa wenn Hauswirtschaftslehrer Kompetenzen in Ökonomie erwerben
müssten?
Ja, gerne – aber das Institut Weiterbildung der
Pädagogischen Hochschule wird nur von den Kantonen Aargau und Solothurn
getragen. Basel-Stadt und Baselland haben ihre eigenen kantonalen
Weiterbildungsstellen. Für die besagte Weiterbildung wäre daher ein Auftrag der
Kantone erforderlich.
Wäre es nicht sinnvoll, die Weiterbildung aller vier
Nordwestschweizer Kantone unter einem einzigen Dach zusammenzuführen?
Das, meine ich, würde die Arbeit in unserem
Weiterbildungsinstitut erleichtern. Weshalb das heute derart komplex
organisiert ist, müssen die einzelnen Kantone beantworten.
Mischen Sie sich in die politischen Diskussionen, die
geführt werden, ein?
Dass man sich in den Kantonen mit der Ausbildung der Lehrer
beschäftigt, finde ich richtig. Wir können der Politik nicht vorgeben, was sein
muss. Es ist umgekehrt: Wir halten uns an das, was politisch beschlossen wird.
Heute gelten gesamtschweizerische Regeln. Deshalb finde ich es absurd, dass
eine Gruppe eine Initiative für eine Ausbildung startet, die nur in einem
einzigen Kanton akzeptiert wäre. Vermutlich würden sich dafür gar keine
Studierenden finden.
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