3. Februar 2014

"Nicht einmal bei der zweiten Gotthardröhre hat es derart extremen Widerstand gegeben"

EDK-Chef Eymann geht davon aus, dass der Lehrplanentwurf 21 stark überarbeitet wird. Er findet es ausserdem problematisch, wenn sich die Politik zu stark einmischt.








Christoph Eymann ist überrascht von der hartnäckigen Kritik am Lehrplan 21, Bild: Juri Junkov

Eymann nach Kritik zum Lehrplan 21: "Diese Aufregung ist nicht angebracht", BZ Basel, 1.2. von Aline Wanner und Christian Mensch



In der Vernehmlassung des Lehrplans 21 hagelte es Kritik. Sie ist allerdings nie an Sie gerichtet, als wären Sie das Auge im Taifun. Wie kommt das?
Christoph Eymann: Das ist weder eine besondere Leistung von mir noch bin ich besonders erstaunt darüber. Der Absender des Lehrplans 21 ist die deutschschweizerische Erziehungsdirektorenkonferenz und nicht die Erziehungsdirektorenkonferenz, der ich vorstehe. Gegenüber der D-EDK wurde die Kritik auch geäussert.
Und wie schätzen Sie diese ein?
Wir nehmen die Kritik ernst, aber derzeit gibt es einfach zu viel Aufregung, die nicht angebracht ist. Ziel der Vernehmlassung ist, die umstrittenen Punkte zu diskutieren. Und auch ich meine, dass gewisse Formulierungen im Lehrplan 21 «jenseits» sind. Das ist aber noch kein Grund, Weltuntergangs-Stimmung zu verbreiten.
Wie viel wird sich nun tatsächlich am Lehrplan 21 verändern?
Ich gehe davon aus, dass er stark überarbeitet wird. Aber: Ich möchte in diesem Zusammenhang festhalten, dass die Verfasser der D-EDK grundsätzlich eine gute Arbeit geleistet haben. Ich finde es etwas merkwürdig, wenn das fünfhundertseitige Werk als Monster kritisiert wird. Wenn ich die Lehrpläne, die derzeit in Kraft sind, aufeinanderlege, sind das mindestens so viele Seiten. Ausserdem müssen die Lehrpersonen den Lehrplan nicht jeden Tag aus der Schublade ziehen und schauen, was drinsteht. Sie müssen ihn einmal genau studieren, was in Bezug auf ihr Fach drinsteht und den Unterricht entsprechend anpassen.
... oder auch feststellen, dass sich gar nicht so viel ändert.
Genau. Dabei ist es natürlich auch die Aufgabe der Erziehungsdirektorenkonferenz, den Lehrerinnen die Angst zu nehmen. In der Kommunikation haben wir uns bisher wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Das müssen wir verbessern. Wir wissen schliesslich auch, dass es irgendwann eine Pressekonferenz der SVP geben wird, an der sie ihren weiteren Widerstand gegen den Lehrplan 21 skizzieren wird.
Verstehen wir Sie richtig: Der Lehrplan wird inhaltlich nicht eigentlich überarbeitet, nur die Inhalte besser verpackt?
Wir werden beides tun. Es geht darum, dass wir gewisse Formulierungen verändern, die wirklich schlecht waren.
Zum Beispiel?
Leider habe gerade kein konkretes Beispiel im Kopf. Auf jeden Fall wird und soll das Werk anders aussehen. Aber ich muss sagen, dass ich ob der Heftigkeit der Kritik schon überrascht bin. Nicht einmal bei der zweiten Gotthardröhre hat es derart extremen Widerstand gegeben.
Basel-Stadt braucht den Lehrplan dringend, weil das Schulsystem 2015 umgestellt wird. Wenn er scheitert, haben Sie ein Problem.
Ja, wir haben ein grosses Interesse daran, dass der Lehrplan 21 möglichst rasch abgesegnet wird, denn ich bin eigentlich nicht gewillt, ein Provisorium zu gestalten. Aber wir akzeptieren ihn nicht um jeden Preis. Wenn etwas Problematisches darin steht, werden wir die Umsetzung natürlich ablehnen. Die Kantone haben aber auch einen gewissen Gestaltungsspielraum.
Die Baselbieter Regierung hat den Lehrplan 21 zurückgewiesen. Wie werten Sie diesen Entscheid?
Ich weiss nicht, wie der Entscheid genau zustande gekommen ist. Ich werde mit meinem Kollegen Urs Wüthrich noch darüber reden. Ich kann aber sagen: Als Staatsbürger habe ich Fragezeichen in Anbetracht der Signale, die derzeit aus Baselland kommen. Offenbar denken gewisse Kreise sogar über den Ausstieg aus Harmos nach. Dabei hat Baselland 2002 mit seiner Standesinitiative als einer der ersten Kantone eine Harmonisierung der Schulsysteme gefordert. Und jetzt will man plötzlich wieder zurück? Mir zeigt diese Reaktion, dass die Legislative kein Gedächtnis hat. Ein Ausstieg von Baselland aus Harmos wäre schlecht für die Zusammenarbeit und schlecht für die Schüler.
Und wie war Ihre Reaktion auf den Entscheid der Baselbieter Regierung?
Ich habe etwas gestaunt, dass die Regierung gleich eine Ablehnung empfohlen hat. Es wird einfach relativ schwierig zu begründen sein, wenn Baselland den Lehrplan 21 trotzdem einführen wird.
Nicht nur in Baselland, in der ganzen Deutschschweiz wird mehr Mitbestimmung bei der Ausgestaltung des Lehrplans gefordert. Ist der Lehrplan 21 zu sehr ein Experten-Produkt?
Nein. Die Fachexpertise war unerlässlich. Ich finde es eher ist problematisch, wenn sich die Politik nun zu stark einmischt. Da kann ich nur sagen: Höhere Mächte mögen uns davor bewahren. Eine Demokratisierung ist ja gut und recht. Aber wir haben vor der Einführung der Fallkostenpauschale auch nicht jeden, der einmal operiert wurde, gefragt, ob ihm das neue System passt.
Als Erziehungsdirektor haben Sie die Universität verselbstständigt, verbauen 800 Millionen in Schulhäuser, haben das Schulsystem mit Harmos umgekrempelt und führen nun den Lehrplan 21 ein. Damit gehen Sie als Erziehungsdirektoren in die Geschichte ein.
Diese Reformen wären auch ohne mich gekommen.

Also eher eine Verkettung glücklicher Umstände?
Na ja, die Umstände waren nicht immer glücklich. Ich musste auch einstecken. (Lacht). Aber es freut mich natürlich, dass ich in dieser interessanten Zeit tätig sein darf.

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