Christoph Eymann ist überrascht von der hartnäckigen Kritik am Lehrplan 21, Bild: Juri Junkov
Eymann nach Kritik zum Lehrplan 21: "Diese Aufregung ist nicht angebracht", BZ Basel, 1.2. von Aline Wanner und Christian Mensch
In der Vernehmlassung des Lehrplans 21 hagelte es
Kritik. Sie ist allerdings nie an Sie gerichtet, als wären Sie das Auge im
Taifun. Wie kommt das?
Christoph Eymann: Das ist weder eine besondere Leistung von mir
noch bin ich besonders erstaunt darüber. Der Absender des Lehrplans 21 ist
die deutschschweizerische Erziehungsdirektorenkonferenz und nicht die
Erziehungsdirektorenkonferenz, der ich vorstehe. Gegenüber der D-EDK wurde die
Kritik auch geäussert.
Und wie schätzen Sie diese ein?
Wir nehmen die Kritik ernst, aber derzeit gibt es
einfach zu viel Aufregung, die nicht angebracht ist. Ziel der Vernehmlassung
ist, die umstrittenen Punkte zu diskutieren. Und auch ich meine, dass gewisse
Formulierungen im Lehrplan 21 «jenseits» sind. Das ist aber noch kein
Grund, Weltuntergangs-Stimmung zu verbreiten.
Wie viel wird sich nun tatsächlich am Lehrplan 21
verändern?
Ich gehe davon aus, dass er stark überarbeitet
wird. Aber: Ich möchte in diesem Zusammenhang festhalten, dass die Verfasser
der D-EDK grundsätzlich eine gute Arbeit geleistet haben. Ich finde es etwas
merkwürdig, wenn das fünfhundertseitige Werk als Monster kritisiert wird. Wenn
ich die Lehrpläne, die derzeit in Kraft sind, aufeinanderlege, sind das
mindestens so viele Seiten. Ausserdem müssen die Lehrpersonen den Lehrplan
nicht jeden Tag aus der Schublade ziehen und schauen, was drinsteht. Sie müssen
ihn einmal genau studieren, was in Bezug auf ihr Fach drinsteht und den
Unterricht entsprechend anpassen.
... oder auch feststellen, dass sich gar nicht so
viel ändert.
Genau. Dabei ist es natürlich auch die Aufgabe der
Erziehungsdirektorenkonferenz, den Lehrerinnen die Angst zu nehmen. In der
Kommunikation haben wir uns bisher wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Das
müssen wir verbessern. Wir wissen schliesslich auch, dass es irgendwann eine
Pressekonferenz der SVP geben wird, an der sie ihren weiteren Widerstand gegen
den Lehrplan 21 skizzieren wird.
Verstehen wir Sie richtig: Der Lehrplan wird
inhaltlich nicht eigentlich überarbeitet, nur die Inhalte besser verpackt?
Wir werden beides tun. Es geht darum, dass wir
gewisse Formulierungen verändern, die wirklich schlecht waren.
Zum Beispiel?
Leider habe gerade kein konkretes Beispiel im Kopf.
Auf jeden Fall wird und soll das Werk anders aussehen. Aber ich muss sagen,
dass ich ob der Heftigkeit der Kritik schon überrascht bin. Nicht einmal bei
der zweiten Gotthardröhre hat es derart extremen Widerstand gegeben.
Basel-Stadt braucht den Lehrplan dringend, weil das
Schulsystem 2015 umgestellt wird. Wenn er scheitert, haben Sie ein Problem.
Ja, wir haben ein grosses Interesse daran, dass der
Lehrplan 21 möglichst rasch abgesegnet wird, denn ich bin eigentlich nicht
gewillt, ein Provisorium zu gestalten. Aber wir akzeptieren ihn nicht um jeden
Preis. Wenn etwas Problematisches darin steht, werden wir die Umsetzung
natürlich ablehnen. Die Kantone haben aber auch einen gewissen Gestaltungsspielraum.
Die Baselbieter Regierung hat den Lehrplan 21
zurückgewiesen. Wie werten Sie diesen Entscheid?
Ich weiss nicht, wie der Entscheid genau zustande
gekommen ist. Ich werde mit meinem Kollegen Urs Wüthrich noch darüber reden.
Ich kann aber sagen: Als Staatsbürger habe ich Fragezeichen in Anbetracht der
Signale, die derzeit aus Baselland kommen. Offenbar denken gewisse Kreise sogar
über den Ausstieg aus Harmos nach. Dabei hat Baselland 2002 mit seiner
Standesinitiative als einer der ersten Kantone eine Harmonisierung der
Schulsysteme gefordert. Und jetzt will man plötzlich wieder zurück? Mir zeigt
diese Reaktion, dass die Legislative kein Gedächtnis hat. Ein Ausstieg von
Baselland aus Harmos wäre schlecht für die Zusammenarbeit und schlecht für die
Schüler.
Und wie war Ihre Reaktion auf den Entscheid der
Baselbieter Regierung?
Ich habe etwas gestaunt, dass die Regierung gleich
eine Ablehnung empfohlen hat. Es wird einfach relativ schwierig zu begründen
sein, wenn Baselland den Lehrplan 21 trotzdem einführen wird.
Nicht nur in Baselland, in der ganzen
Deutschschweiz wird mehr Mitbestimmung bei der Ausgestaltung des Lehrplans
gefordert. Ist der Lehrplan 21 zu sehr ein Experten-Produkt?
Nein. Die Fachexpertise war unerlässlich. Ich finde
es eher ist problematisch, wenn sich die Politik nun zu stark einmischt. Da
kann ich nur sagen: Höhere Mächte mögen uns davor bewahren. Eine
Demokratisierung ist ja gut und recht. Aber wir haben vor der Einführung der
Fallkostenpauschale auch nicht jeden, der einmal operiert wurde, gefragt, ob
ihm das neue System passt.
Als Erziehungsdirektor haben Sie die Universität
verselbstständigt, verbauen 800 Millionen in Schulhäuser, haben das Schulsystem
mit Harmos umgekrempelt und führen nun den Lehrplan 21 ein. Damit gehen Sie als
Erziehungsdirektoren in die Geschichte ein.
Diese Reformen wären auch ohne mich gekommen.
Also eher eine Verkettung glücklicher Umstände?
Na ja, die Umstände waren nicht immer glücklich.
Ich musste auch einstecken. (Lacht). Aber es freut mich natürlich, dass ich in
dieser interessanten Zeit tätig sein darf.
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