23. Juni 2013

PH wollen informatische Bildung

Kurz vor Bekanntwerden des Lehrplan-21-Entwurfs treten die Interessenvertreter bestimmter Fächer in den Vordergrund und stellen Forderungen. So auch im Bereich der Informatik. Bereits Primarschüler sollen das Programmieren lernen.
Es ist ein Glaubensstreit, der im Zusammenhang mit dem Lehrplan 21 an Brisanz gewinnen wird: Wie viel müssen Schüler von Informatik verstehen, wenn sie nach neun Jahren die obligatorische Schulzeit beendet haben? Und was genau sollen sie können? Auf der einen Seite stehen jene Pädagogen, die vor allem Wert auf die Anwendung von Programmen und den Umgang mit den digitalen Medien legen. Auf der anderen Seite steht die Forderung von Informatik-Wissenschaftern nach grundlegender informatischer Bildung der Schulkinder - inklusive Kenntnissen des Programmierens.
Für diese zweite Seite setzt sich unter anderem die Hasler-Stiftung ein. Sie hat bereits 7 Millionen Franken in die Ausbildung von Gymnasiallehrkräften in informatischer Bildung investiert, und im Verkehrshaus Luzern unterstützt sie die i-factory, wo Schülerinnen und Schüler spielerisch mit Grundlagen der Informatik vertraut gemacht werden. Nun wirft sie 2 Millionen Franken auf für eine Stiftungsprofessur an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz (PH FHNW) - die erste dieser Art in der Schweiz. Die Hochschule konnte für die Professur Alexander Repenning gewinnen, einen gebürtigen Schweizer, der seit über zwanzig Jahren in den USA an der Universität von Colorado lehrt und forscht.
Repenning ist ein Verfechter der informatischen Bildung für Primarschüler. Er hat in Amerika Studien mit über 10 000 Schülern durchgeführt. Sein Fazit: «Anwenderkompetenzen sind sekundär.» Viel wichtiger seien das Programmieren und die damit verbundene Fähigkeit, Probleme zu analysieren und zu lösen. Damit liegt er auf derselben Linie wie etwa der Zürcher ETH-Professor Juraj Hromkovic, der ein Lehrmittel für das Programmieren auf Primarschulstufe entwickelt hat und ein glühender Verfechter der informatischen Bildung ist.
Repenning plant ähnliche Studien wie in den USA auch an Schweizer Schulen. Er wird seine Forschungs- und Lehrtätigkeit an der PH FHNW im Januar 2014 antreten. Dort soll er den angehenden Lehrern beibringen, wie sie Kinder informatische Inhalte lehren können. «Die Volksschule der Zukunft muss den Kindern grundlegende Programmierfähigkeiten vermitteln», sagt Hermann Forneck, Rektor der Pädagogischen Hochschule. Über kurz oder lang gehöre die Informatik in den Fächerkanon der Volksschule. «Das sollte so selbstverständlich sein wie Deutsch oder Mathematik», sagt Forneck. Die Schule dürfe nicht stehenbleiben, während sich die Welt weiterentwickle. «Mit unserer Professur wollen wir einen Beitrag zur Korrektur dieser Fehlentwicklung leisten.»
In die gleiche Richtung soll sich auch die Pädagogische Hochschule Zürich bewegen. Rektor Walter Bircher will bis Ende Jahr ebenfalls eine Professur für informatische Bildung einrichten. «Die Medienbildung und die Vermittlung von Anwenderkompetenzen sind an der PH Zürich gegenwärtig sehr gut aufgestellt. Als nächster Entwicklungsschritt sollen die Kompetenzen in informatischer Grundbildung ausgebaut werden», sagt er. Das Verständnis für informatische Abläufe müsse in die Lehrerbildung und in der Volksschule einfliessen.
Sein Kollege Forneck in Brugg spielt bereits mit dem Gedanken, die informatische Bildung verpflichtend in die Ausbildung der angehenden Primarlehrer aufzunehmen. Er prüfe einen solchen Schritt im Hinblick auf die Neuzulassung der Studiengänge 2016. Es sei ohnehin bloss eine Frage der Zeit, bis Informatik an den Primarschulen zum Standard gehöre, sagt Forneck.
Das Timing für die neue Professur hat die Hasler-Stiftung mit Bedacht gewählt. Am Freitag wird die Konferenz der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren den Lehrplan 21 vorstellen und in die Vernehmlassung schicken. Dort sind Computeranwendung und Medienkompetenz lediglich als überfachliche Kompetenz vorgesehen, Informatik im engeren Sinn bleibt aussen vor. Die Lobby derjenigen, die das ändern wollen, hat mit Professor Repenning prominente Verstärkung erhalten.
Quelle: NZZaS, 23.6. von René Donzé

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