28. Juli 2011

Rumantsch Grischun: Fragen an Bündner Persönlichkeiten

Im Zusammenhang mit der Debatte ums Rumantsch Grischun (Rumantsch Grischun ausgebremst; Rechtliche Fragen prioritär) will ich die Meinung von verschiedenen Persönlichkeiten erfahren. Dazu zwei Fragen:
1. Bedeutet der Vorschlag der Regierung das Ende einer einheitlichen romanischen Unterrichtssprache?
2. Sollen sich die nichtromanischen Bündner Grossräte in die Diskussion einmischen?
Die Antworten werden unter den Kommentaren gesammelt.
Andrea Urech (Pro Idioms) blickt zurück auf den Konflikt

3 Kommentare:

  1. Urs Kühne, Schulleiter Val Müstair meint: "Ich denke wie Arno Lamprecht, dass durch den Vorschlag, gewisse Lehrmittel wieder in den Idiomen zu drucken, es schwierig werden dürfte, die Abstimmung der Gemeindeversammlung im Herbst (im Val Müstair) zugunsten "Rum. Grischun" durchzubringen.
    Die nicht-romanischen Bündner Grossräte werden sich meiner Meinung nach automatisch in die Diskussion einmischen, wenn es um die Rechtmässigkeit des Entscheids vom 2003 geht. Im Moment steht dieses Argument ja fast im Zentrum der Medien-Berichterstattung."

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  2. Romedi Arquint meint:1. Bedeutet der Vorschlag der Regierung das Ende einer einheitlichen romanischen Unterrichtssprache? Nicht unbedingt; es beruhigt die aufgewühlten Sprachromanenseelen. Das RG hat eine Chance, wenn es sich langsam und organisch von unten nach oben sich durchsetzen kann. Es ist jedoch zweifelhaft, ob eine vorwiegend lokal und regional verwurzelte Kleinsprache nicht eben auf diesem Umfeld erhalten werden sollte und „Weltsprachenallüren“ doch einen zu intellektuellen und realitätsfremden Anspruch bilden!
    2. Sollen sich die nichtromanischen Bündner Grossräte in die Diskussion einmischen?
    Ich denke, dass dies in erster Linie die Sprachgemeinschaft zu bestimmen hat (als eines der Grundrechte der Selbstbestimmung der Völker (UNO) und der europäischen Standards in Sachen Regional- oder Minderheitensprachen). Der Grundsatzentscheid darf nicht von einer politischen Behörde, deren Mitglieder mehrheitlich aus Nicht-Romenen besteht, getroffen werden. Ist ein Grundsatzentscheid - etwa von der Lia Rumantscha – getroffen, so hat die politische Behörde durchaus das Recht, aus finanziellen und anderen Gründen die maximalen Forderungen der Sprachgemeinschaft einzuschränken."

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  3. Domenic Toutsch meint: 1. Bedeutet der Vorschlag der Regierung das Ende einer einheitlichen
    romanischen Unterrichtssprache?
    Das ist zu hoffen, denn es gibt Regionen, in denen die Schule wegen der starken Germanisierung die Hauptrolle bei der Vermittlung des lokalen Idioms innehat. Müsste dort nun auch noch das vom Idiom weit entfernte Rumantsch Grischun gelernt werden, resultierte in beiden Formen eine völlig ungenügende Sprachkompetenz, was dem Gebrauch des Deutschen Vorschub leisten und dadurch den Rückgang des Romanischen beschleunigen würde. Dieser kann nur aufgehalten werden, wenn das gesprochene Idiom so energisch wie möglich gefördert wird, u.a. eben auch durch die Anwendung seiner schriftlichen Form.
    Zudem ist die Bedeutung einer gemeinsamen Schriftsprache für den Durchschnittsromanen marginal, weil er erstens für die lokalen und regionalen Schreibbedürfnisse (private und berufliche) sehr gut sein Idiom verwenden kann und er zweitens für die überregionalen und komplexeren Schreibanlässe ohnehin die deutsche Schriftsprache verwenden muss und/oder will, weil dies einerseits das Verstehen des Adressaten garantiert und weil andrerseits die Schriftkompetenz der Romanen im Deutschen im Allgemeinen grösser ist.

    2. Sollen sich die nichtromanischen Bündner Grossräte in die Diskussion
    einmischen?
    Es wäre zu wünschen, dass sie das nicht täten, weil sie unsere Sprachsituation verständlicherweise mit der ihren vergleichen und dann auf die für sie naheliegende Lösung der einheitlichen Schriftsprache kommen. Die romanische Sprachsituation ist nun aber nicht zu vergleichen mit der deutschen oder italienischen und darum sind solche Analogieschlüsse unstatthaft und u.U. schädlich. Dies v.a. aus folgenden Gründen: Das romanische Sprachgebiet ist nicht kompakt; die Sprachsituation in den verschiedenen Regionen ist äusserst uneinheitlich; Deutsch als Schriftsprache dominiert überall; die Position des Romanischen ist in vielen Orten schwach und verlangt eine uneingeschränkte Pflege des Idioms; die Bedeutung einer aktiv beherrschten einheitlichen Schriftsprache ist für die Durchschnittsromanen sehr klein; das Potenzial von gerade einmal 60'000 Sprachträgern ist viel zu gering, um einer gemeinsamen Schriftsprache zu mehr Bedeutung und damit zum Durchbruch zu verhelfen.

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