7. März 2021

Mit Tagesschulen fit für die Zukunft

Florence Brenzikofer ist Mutter von drei Kindern und unter richtet an der Sekundarschule Burg in Liestal. Sie kennt die Bedürfnisse von Kindern und Eltern. Ihr Anliegen: Sie will die Volksschule fit machen für die Zukunft. Ihr Vorschlag: die flächendeckende Förderung von Tagesschulen in der Schweiz. Die grüne Nationalrätin aus Baselland ist überzeugt, dass mit Tagesschulen Familie und Beruf besser vereinbart werden, der Fachkräftemangel gelindert und die Kinder und Jugendlichen bei ihren Aufgaben kom petent betreut und gefördert werden könnten. Gleichzeitig komme dies auch den Frauen zugute, weshalb ihr Vorschlag ein Teil eines ganzen Pakets an Vorstössen der Grünen zum Tag der Frau ist.

Schweiz soll flächendeckend Tagesschulen einführen, Tages Anzeiger, 6.3. von Gregor Poletti

Positive Haltung des Arbeitgeberverbands

Die Vizepräsidentin der Grünen hat sich für ihr Anliegen nicht nur Unterstützung aus dem linken Lager und der Lehrerinnen und Lehrer zugesichert. Brenzikofer war auch mit Valentin Vogt, dem Präsidenten des Schweizerischen Arbeitgeberver bandes, in Kontakt, der dem Anliegen grundsätzlich positiv gegenübersteht. 

Die Schweiz sei diesbezüglich auf einem tiefen Entwicklungsstand, und bei den Ta gesschulen herrsche grosser Nachhol bedarf, bestätigt Vogt: «Der Bund kann hier tatsächlich für Impulse sorgen.» Er plädiert dafür, die bisherige Anschub finanzierung, die heute vor allem den Kitas zugutekommt, auf die Tagesschulen umzupolen. Kitas bräuchten laut Vogt keine weitere Unterstützung mehr durch den Bund.

Impulsprogramm läuft 2023 aus

Vogt spricht damit die neueste Bestrebung der Bildungskommission an, das bestehende Impulsprogramm in eine stetige Unterstützung zu überführen. Ursprünglich war dieses auf acht Jahre bis Januar 2011 be fristet. Nach Ansicht der Par lamentsmehrheit war das Programm aber so erfolgreich, dass es seither zweimal verlängert worden ist. Das aktuelle Impulsprogramm läuft Ende Januar 2023 aus.

Die Sozialdemokraten und die Grünen haben sich schon länger auf eine stärkere Förderung der Tagesschulen fokussiert, bisher ist der Erfolg auf nationaler Ebene allerdings ausgeblieben: So hat der Ständerat erst im Dezember ein Postulat der Neuenburgerin Céline Vara (Grüne) abgelehnt, das ein Impulsprogramm des Bundes für die Förderung von Tagesschulen forderte. 

Warum sollte es dieses Mal klappen? Florence Brenzikofer ist überzeugt, dass mit der Diskussion zum auslaufenden Impulsprogramm der ideale Zeitpunkt gekommen sei, die För derung der Tagesschulen für die gesamte Volksschule zu fordern, und hofft mit der Unterstützung durch den Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer und die positive Haltung des Arbeit geberverbandes auch auf eine Mehrheit im Nationalrat.

Vorbehalte in ländlichen Kantonen und Gemeinden

Nicht alle Eltern können von den Tagesschulen gleichermassen profitieren. Generell lässt sich sagen: Wer in der Stadt wohnt, hat Glück, wer auf dem Land wohnt, muss selber schauen, wo er bleibt. «Wir leben - wenn es um die Kinderbetreuung geht - nach wie vor in einem konservativen Land», konstatiert Dagmar Rösler, Präsidentin des Schweizerischen Lehrerverbandes. In vielen ländlichen Kantonen und Gemeinden werde die Fremdbetreuung von Schulkindern immer noch sehr kritisch beurteilt.

Anders die Situation etwa in der Stadt Zürich: Dort hat das Stimmvolk im Juni 2018 mit überwältigenden 77,3 Prozent Ja gesagt zum Pilotprojekt «Tagesschule 2025». Dieses will die Volksschule in der Stadt Zürich künftig flächendeckend als Tagesschule organisieren. Das Projekt gilt als Pionierleistung und wird in anderen Städten wie etwa Bern oder Basel genau beobachtet.

Über 400 Millionen Franken investiert

Nach dem Pisa-Schock zu Beginn der 2000er-Jahre ging ein Ruck durchs Land: Das Bildungswesen wurde nicht nur stark reformiert. Es floss auch mehr Geld in das schulische Umfeld, und zwar in die familienergänzende Kinderbetreuung. So unterstützt der Bund seit 18 Jahren die Schaffung von Krippenplätzen, Tagesschulen und anderen Angeboten zur Entlastung von Familien

Mit 408 Millionen Franken wurden bis Ende Januar dieses Jahres so insgesamt über 65’000 neue Betreuungsplätze gefördert.

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