15. November 2020

Stadt Zürich hat kein Geld für Tagesschulen

Zürcher Eltern werden aufhorchen. Die Tagesschulen in der Stadt werden je nach Quartier nicht nur deutlich später eingeführt als erwartet, sie dürften auch mehr kosten. Bislang wussten davon nur Eingeweihte, nun ist es öffentlich. Dies, weil die Alternative Liste (AL) im Gemeinderat eine Debatte zum Thema angestossen hat, die am Mittwoch viel zu reden gab.

Für Tagesschulen fehlen Platz und Geld, Tages Anzeiger, 5.11. von Marius Huber

Die Zeit drängt. Schon nächstes Frühjahr machen sich die Behörden daran, die flächendeckende Einführung von Tagesschulen zu planen. 2022 folgt dann die Volksabstimmung. Aber wie viel wird das Konzept dann noch mit den Pilotversuchen zu tun haben, deren Ausdehnung die Stimmberechtigten vor zwei Jahren beschlossen haben? Bei Linken wie Rechten kommen Sorgen auf, das Grossprojekt komme in dieser kritischen Phase vom Weg ab.

Bislang waren die Tagesschulen in Zürich ein Versuch, experimentieren erlaubt - zumal sich fast alle einig waren, dass die Idee im Grundsatz richtig ist. Nun aber geht es darum, eine fixe Schablone für die ganze Stadt zu finden, und damit beginnen die Richtungskämpfe. 

Linke pocht auf Einheitstarif

Für die Linke wäre es etwa schwer zu akzeptieren, wenn die Kosten für die Mittagsbetreuung erhöht würden. Genau dies stehe aber zur Debatte, räumt der Stadtrat in einer ausführlichen Stellungnahme zu den von der AL aufgeworfenen Kritikpunkten ein. Wegen «steigender Defizite» werden derzeit zwei Optionen geprüft: entweder den Einheitstarif von sechs Franken für alle Eltern zu erhöhen oder nur für jene, die eine gewisse Einkommensgrenze überschreiten. 

Maya Kägi Götz (SP) hat Zweifel, ob sich so was mit der angestrebten Chancengleichheit vereinbaren lässt. Bereits entschieden hat Balz Bürgisser von den Grünen: Am Einheitstarif sei nicht zu rütteln. Sonst würden wohlhabende Eltern ihre Kinder abmelden, und die soziale Durchmischung sei gefährdet. 

Unter Linken geht auch die Angst um, das Tagesschulprojekt könnte kaputtgespart werden. Walter Angst (AL) kritisiert, dass der Stadtrat im aktuellen Budget die Finanzierbarkeit anzweifle und die Schulpflegen ermahnte, die Kosten in den Griff zu bekommen. «Ein Sparprogramm auf Kosten der Qualität wäre falsch», sagte Angst. Es dürfe nicht sein, dass man in der Betreuung auf unqualifiziertes Personal setze, wie das zum Teil bereits gemacht werde. «Sonst haben wir am Ende eine Tagesschule, die niemand will.»

Federkohl und Quinoa?

Die Freisinnigen fürchten angesichts solcher Klagen, dass von ihrer Idee einer «Tagesschule light» nicht viel übrig bleibt. «Die Tendenz geht Richtung Rundumbetreuung», mahnte Yasmine Bourgeois. Und bei der Verpflegung habe man sich weit entfernt von einem unkomplizierten Mittagessen. «Da kann man sich nicht wundern, wenn die Kosten explodieren.»

Stefan Urech von der SVP warf der FDP mit etwas Häme vor, die Büchse der Pandora geöffnet zu haben, als sie das Projekt Tagesschule unterstützte: «Jetzt heisst es, die Kinder müssten am Mittag zwischen Federkohl und Quinoa-Plätzchen wählen können und nur hoch qualifiziertes Personal sei gut genug - wollt ihr das wirklich flächendeckend einführen?»

Fragen wirft auch die Verzögerung auf, die der Stadtrat auf Anfrage der AL ausgewiesen hat. Die letzten Schulen würden das Konzept erst im Jahr 2031 einführen können statt 2025. Der zuständige Stadtrat Filippo Leutenegger begründet dies mit den rasant wachsenden Schülerzahlen. Viele Schulen platzten aus allen Nähten, es fehle schlicht an Räumen, um eine Tagesschule einzurichten. Auch das Kostenproblem lasse sich nicht wegdiskutieren. Leutenegger versprach aber: «An der Qualität machen wir keine Abstriche. Wir sind gut unterwegs.»

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