21. November 2020

Quereinsteiger-Ausbildung für über 30-Jährige

Im Kanton Solothurn können nicht genügend Lehrpersonen ausgebildet werden, um den Bedarf in den nächsten Jahren zu decken. Eine neue Ausbildung an der Fachhochschule Nordwestschweiz soll dem Mangel vorbeugen.

"Ein Gewinn für die Schule", Solothurner Zeitung, 20.11., von Rebekka Balzarini

Viele waren nach dem Schulabschluss froh, als sie die Tür des Schulzimmers hinter sich zuknallen konnten. Nur, um Jahre später festzustellen: Vielleicht war die Schulzeit doch nicht so schlecht. Und bei manchen wächst Jahre später gar der Wunsch, selber eine Klasse zu unterrichten.

Spezielle Angebote für Personen über 30 Jahren machen es seit einiger Zeit möglich, dass dieser Traum doch noch wahr werden kann. Um dem Mangel an Lehrpersonen vorzubeugen, bieten Hochschulen Ausbildungen für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger an.

Ordentlicher Studiengang statt Schnellbleiche

Im nächsten Jahr startet an der Fachhochschule Nordwestschweiz ein neuer Studiengang, der sich an Personen richtet, die sich erst spät dafür entschieden haben, Lehrerin oder Lehrer zu werden. Die Studienvariante Quereinstieg richtet sich an Personen mit Berufserfahrung, die älter als 30 Jahre alt sind.

Der Studiengang wurde von der pädagogischen Hochschule in Zusammenarbeit mit den Trägerkantonen der Fachhochschule entwickelt. Anders als vorherige Ausbildungen für Quereinsteigende, führt diese zu einem schweizweit anerkannten Lehrdiplom und dauert gleich lange wie ein normales Studium an der PH.

Unterricht ab dem 2. Studienjahr

Damit die Studierenden schnell Praxiserfahrungen sammeln und Geld verdienen können, dürfen sie schon ab dem zweiten Studienjahr in einem Pensum von 30 bis 50 Prozent unterrichten und werden in dieser Zeit von einer Begleitperson betreut.

«Wir sind mehr als zufrieden und auch überzeugt von der Studienvariante Quereinstieg», schreibt Andreas Walter, der Leiter des kantonalen Volksschulamtes. «Sie ist eine wichtige Massnahme, um dem Lehrermangel entgegenzuwirken und um Perspektiven für erfahrene Berufsleute und für die Schulen zu öffnen.»

Mehr Pensionierungen folgen

Der Grundstein für die Ausbildung wurde laut Walter schon im Jahr 2010 gelegt. Eine Analyse des Lehrpersonenbedarfs habe damals aufgezeigt, dass mehr Lehrpersonen ausgebildet werden müssen.

«Durch Pensionierungen der geburtenstarken Jahrgänge und zeitgleiches Wachstum der Schülerzahlen steigt der Bedarf an qualifizierten Lehrpersonen in den kommenden Jahren», fasst Walter die damaligen Erkenntnisse zusammen. «Obwohl die Studierendenzahlen an der pädagogischen Hochschule stabil sind, kann der prognostizierbare Bedarf durch die sich in Ausbildung befindenden Studierenden allein nicht gedeckt werden.»

Basierend darauf, habe man Quereinstiegsprogramme an der Fachhochschule Nordwestschweiz und den ­pädagogischen Hochschulen in Bern und Zürich lanciert. Die verkürzten Studiengänge führten zu Lehrdiplomen, die von den sechs Kantonen gegenseitig anerkannt wurden. Diese Ausbildung haben rund 500 Personen absolviert.

Mit diesen Lehrpersonen habe man gute Erfahrungen gemacht, so Walter: «Quereinsteigende haben sich bewusst für diesen Wechsel in ihrer Berufsbiografie entschieden und betreiben dafür einen erheblichen Aufwand», schreibt er. «Sie sind daher stark motiviert, haben bereits ausgeprägte Sozial- und Selbstkompetenzen und sind ein Gewinn für die Schule.»

Optimismus bei Lehrerinnen und Lehrern

Beim Verband Lehrerinnen und Lehrer Solothurn (LSO) kommt die neue Ausbildung gut an. «Sie ist zeitgemäss und nimmt die Anliegen der Studierenden auf, die schnell in der Praxis arbeiten möchten», sagt Mathias Stricker, der Präsident des LSO. «Wichtig ist aber, dass die neuen Lehrpersonen im Rahmen der Ausbildung eng begleitet werden».  

Die Erfahrungen mit Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern an den Schulen seien gut, betont er. «Sie haben einen anderen beruflichen Hintergrund, und bringen deshalb neue Erfahrungen mit ein. Das ist ein wichtiger Beitrag», so Stricker. «Ausserdem ist es eine gute Möglichkeit, mehr Männer für den Beruf zu gewinnen.» Gerade auf der Primarstufe sei der Anteil der männlichen Lehrkräfte klein, und auch auf der Oberstufe sei die Zahl der Lehrer in den letzten Jahren zurückgegangen.

Konkurrenzfähige Löhne

Damit es im Kanton langfristig nicht zu einem Mangel an Lehrpersonen kommt, sei es aber nicht nur wichtig, genügend neue Lehrkräfte auszubilden. Auch die Rahmenbedingungen im Kanton müssten regelmässig optimiert werden, damit Lehrerinnen und Lehrer im Beruf bleiben.

 

Die Löhne müssen konkurrenzfähig bleiben. Die Kantone Bern und Aargau haben die Löhne eben erst angepasst, wir müssen am Ball bleiben

, zählt Stricker einen der vielen Faktoren auf, die man im Kanton im Auge behalten müsse. 

Weiter sei es allenfalls nötig, die Zahl der Lektionen zu überdenken, die eine Lehrperson für ein Vollpensum abdecken muss. Im Kanton Solothurn sind das 29 Lektionen, in den Kantonen Bern, Aargau oder Baselland ist die Zahl laut Stricker tiefer.

Zusätzlich nötig sei eine weitere Entlastung der Klassenlehrpersonen: «Klassenlehrpersonen erhalten pro Woche eine Lektion, um die anfallenden Aufgaben zu erledigen. Das ist zu wenig», so Stricker.

Und auch die Grösse der Klassen sei relevant, damit Lehrerinnen und Lehrer mit den Jahren nicht ausbrennen. In einer Klasse sollten maximal 20 Schülerinnen und Schüler eingeteilt sein, fordert der Präsident des LSO. «Die Klassen sind heute sehr heterogen. Damit die Kinder und Jugendlichen individueller betreut werden können, dürfen die Klassen nicht zu gross sein.»

 

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