Im Kanton Solothurn können nicht genügend Lehrpersonen ausgebildet werden, um den Bedarf in den nächsten Jahren zu decken. Eine neue Ausbildung an der Fachhochschule Nordwestschweiz soll dem Mangel vorbeugen.
"Ein Gewinn für die Schule", Solothurner Zeitung, 20.11., von Rebekka Balzarini
Viele waren nach dem Schulabschluss froh, als sie
die Tür des Schulzimmers hinter sich zuknallen konnten. Nur, um Jahre später
festzustellen: Vielleicht war die Schulzeit doch nicht so schlecht. Und bei
manchen wächst Jahre später gar der Wunsch, selber eine Klasse zu unterrichten.
Spezielle
Angebote für Personen über 30 Jahren machen es seit einiger Zeit möglich, dass
dieser Traum doch noch wahr werden kann. Um dem Mangel an Lehrpersonen
vorzubeugen, bieten Hochschulen Ausbildungen für Quereinsteigerinnen und
Quereinsteiger an.
Ordentlicher
Studiengang statt Schnellbleiche
Im
nächsten Jahr startet an der Fachhochschule Nordwestschweiz ein neuer
Studiengang, der sich an Personen richtet, die sich erst spät dafür entschieden
haben, Lehrerin oder Lehrer zu werden. Die Studienvariante Quereinstieg richtet
sich an Personen mit Berufserfahrung, die älter als 30 Jahre alt sind.
Der
Studiengang wurde von der pädagogischen Hochschule in Zusammenarbeit mit den
Trägerkantonen der Fachhochschule entwickelt. Anders als vorherige Ausbildungen
für Quereinsteigende, führt diese zu einem schweizweit anerkannten Lehrdiplom
und dauert gleich lange wie ein normales Studium an der PH.
Unterricht
ab dem 2. Studienjahr
Damit
die Studierenden schnell Praxiserfahrungen sammeln und Geld verdienen können,
dürfen sie schon ab dem zweiten Studienjahr in einem Pensum von 30 bis 50
Prozent unterrichten und werden in dieser Zeit von einer Begleitperson betreut.
«Wir
sind mehr als zufrieden und auch überzeugt von der Studienvariante
Quereinstieg», schreibt Andreas Walter, der Leiter des kantonalen Volksschulamtes.
«Sie ist eine wichtige Massnahme, um dem Lehrermangel entgegenzuwirken und um
Perspektiven für erfahrene Berufsleute und für die Schulen zu öffnen.»
Mehr
Pensionierungen folgen
Der
Grundstein für die Ausbildung wurde laut Walter schon im Jahr 2010 gelegt. Eine
Analyse des Lehrpersonenbedarfs habe damals aufgezeigt, dass mehr Lehrpersonen
ausgebildet werden müssen.
«Durch
Pensionierungen der geburtenstarken Jahrgänge und zeitgleiches Wachstum der
Schülerzahlen steigt der Bedarf an qualifizierten Lehrpersonen in den kommenden
Jahren», fasst Walter die damaligen Erkenntnisse zusammen. «Obwohl die
Studierendenzahlen an der pädagogischen Hochschule stabil sind, kann der
prognostizierbare Bedarf durch die sich in Ausbildung befindenden Studierenden
allein nicht gedeckt werden.»
Basierend
darauf, habe man Quereinstiegsprogramme an der Fachhochschule Nordwestschweiz
und den pädagogischen Hochschulen in Bern und Zürich lanciert. Die verkürzten
Studiengänge führten zu Lehrdiplomen, die von den sechs Kantonen gegenseitig
anerkannt wurden. Diese Ausbildung haben rund 500 Personen absolviert.
Mit
diesen Lehrpersonen habe man gute Erfahrungen gemacht, so Walter:
«Quereinsteigende haben sich bewusst für diesen Wechsel in ihrer
Berufsbiografie entschieden und betreiben dafür einen erheblichen Aufwand»,
schreibt er. «Sie sind daher stark motiviert, haben bereits ausgeprägte Sozial-
und Selbstkompetenzen und sind ein Gewinn für die Schule.»
Optimismus
bei Lehrerinnen und Lehrern
Beim
Verband Lehrerinnen und Lehrer Solothurn (LSO) kommt die neue Ausbildung gut
an. «Sie ist zeitgemäss und nimmt die Anliegen der Studierenden auf, die
schnell in der Praxis arbeiten möchten», sagt Mathias Stricker, der Präsident
des LSO. «Wichtig ist aber, dass die neuen Lehrpersonen im Rahmen der
Ausbildung eng begleitet werden».
Die
Erfahrungen mit Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern an den Schulen seien
gut, betont er. «Sie haben einen anderen beruflichen Hintergrund, und bringen
deshalb neue Erfahrungen mit ein. Das ist ein wichtiger Beitrag», so Stricker.
«Ausserdem ist es eine gute Möglichkeit, mehr Männer für den Beruf zu
gewinnen.» Gerade auf der Primarstufe sei der Anteil der männlichen Lehrkräfte
klein, und auch auf der Oberstufe sei die Zahl der Lehrer in den letzten Jahren
zurückgegangen.
Konkurrenzfähige
Löhne
Damit
es im Kanton langfristig nicht zu einem Mangel an Lehrpersonen kommt, sei es
aber nicht nur wichtig, genügend neue Lehrkräfte auszubilden. Auch die
Rahmenbedingungen im Kanton müssten regelmässig optimiert werden, damit
Lehrerinnen und Lehrer im Beruf bleiben.
Die Löhne müssen konkurrenzfähig
bleiben. Die Kantone Bern und Aargau haben die Löhne eben erst angepasst, wir
müssen am Ball bleiben
, zählt Stricker einen der vielen Faktoren auf, die
man im Kanton im Auge behalten müsse.
Weiter
sei es allenfalls nötig, die Zahl der Lektionen zu überdenken, die eine
Lehrperson für ein Vollpensum abdecken muss. Im Kanton Solothurn sind das 29
Lektionen, in den Kantonen Bern, Aargau oder Baselland ist die Zahl laut
Stricker tiefer.
Zusätzlich
nötig sei eine weitere Entlastung der Klassenlehrpersonen: «Klassenlehrpersonen
erhalten pro Woche eine Lektion, um die anfallenden Aufgaben zu erledigen. Das
ist zu wenig», so Stricker.
Und
auch die Grösse der Klassen sei relevant, damit Lehrerinnen und Lehrer mit den
Jahren nicht ausbrennen. In einer Klasse sollten maximal 20 Schülerinnen und
Schüler eingeteilt sein, fordert der Präsident des LSO. «Die Klassen sind heute
sehr heterogen. Damit die Kinder und Jugendlichen individueller betreut werden
können, dürfen die Klassen nicht zu gross sein.»
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