Jahr für Jahr gibt es im Thurgau mehr Kinder mit Sonderschulstatus. 2019 waren es rund 880 Schülerinnen und Schüler, was 2,9 Prozent entspricht. «Einen besonderen Anstieg beobachten wir bei den Kindergärtlern mit Verhaltensauffälligkeiten», sagte Beat Brüllmann, Chef des kantonalen Amts für Volksschule, am Mittwoch am Medientermin zum Schuljahresbeginn. Brüllmann sprach von Kindern, die auf ihre Kindergärtnerin losgehen, sie beissen oder kratzen.
Davon weiss auch Heinz Leuenberger, Präsident des Verbands Thurgauer
Schulgemeinden. Er ergänzte:
«Das Alter für den Kindergarteneintritt wurde
heruntergesetzt. Die Kinder sind daher auch unselbständiger.»
Die Kindergärtnerinnen müssten zum Beispiel helfen, Schuhe anzuziehen. Brüllmann sprach von der schwierigen Aufgabe, die Kinder für den Schuleintritt zu sozialisieren.
Über die Gründe für die Verhaltensauffälligkeiten kann Brüllmann nur
spekulieren: Vielleicht habe es damit zu tun, dass viele Kinder die Sprache
nicht können oder dass sie zu Hause nicht richtig betreut werden. Das Amt
arbeitet an Massnahmen, welche die Situation verbessern sollen.
Rund 23 Prozent aller Kinder mit Sonderschulstatus werden in
Regelklassen unterrichtet, die übrigen separat in eigenen Klassen.
Dass es mehr Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten gibt, hat auch damit
zu tun, dass es insgesamt mehr Schüler gibt. Am Montag treten im Thurgau rund
2900 Mädchen und Knaben neu in den Kindergarten ein. Insgesamt erwarten die
Volksschulen rund 30'400 Kinder und Jugendliche zum Start ins neue Schuljahr.
Das sind 1,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Im Vergleich zu heute wird es bis
2028 gemäss Prognosen einen weiteren Anstieg von 14 Prozent geben.
Schulische Heilpädagogen sind weiter gesucht
Mit einem Lehrermangel sehen sich die Thurgauer Schulgemeinden aktuell
nicht konfrontiert. «Praktisch alle Stellen konnten besetzt werden», sagte
Leuenberger. Er wies aber darauf hin, dass viele Lehrpersonen bald in Pension
gehen. Engpässe könnte es eventuell bei Kindergartenlehrern und Schulleitungen
geben. «Vor allem, wenn kleine Pensen zu vergeben sind», präzisierte Brüllmann.
«Wir beobachten die Situation.»
Schwierig zu besetzen sind auch die Stellen für Schulische
Heilpädagoginnen. Dieses Thema wird das Amt für Volksschule in nächster Zeit
schwerpunktmässig anschauen und gegebenenfalls den Einsatzbereich dieser
Fachpersonen überarbeiten.
Leuenberger berichtete weiter von einer gestiegenen Nachfrage nach
Logopädie für Kinder vor dem Kindergarteneintritt. Das stelle die
Schulgemeinden vor eine Herausforderung, sodass es zum Teil Wartelisten für
einen ersten Termin gebe.
Trotz «Chaosphase» gutes Corona-Zwischenzeugnis
Die Coronakrise haben die Thurgauer Schulen bisher erfolgreich
gemeistert, bilanzierten Brüllmann und Leuenberger. Auch wenn der Amtschef die
Übergangsphase von der Schulschliessung bis zum Start des Fernunterrichts als
Chaosphase bezeichnete. Die Schulen hätten etwas völlig Neues auf die Beine
stellen müssen.
Dank des Einsatzes der Lehrer, die zum Teil auch bei Schülern zu Hause
vorbeigegangen seien, hätten aber alle auch während des Lockdowns erreicht
werden können. Leuenberger berichtete, dass die Schulen die Arbeit der
kantonalen Task-Force geschätzt haben.
Sek Müllheim setzt Lehrplan für Schule mit Lernlandschaft um
Die Lehrer der Sek Müllheim, wo der Medientermin stattfand, arbeiten
bereits an der Zeit nach Corona. Schulleiter Walter Strasser erklärte, wie an
seiner Schule vor allem in Lernlandschaften gearbeitet werde.
Mit finanzieller Unterstützung des Kantons bereitet die Schule nun für
das übernächste Schuljahr den Unterricht so vor, dass die Inhalte des neuen
Lehrplans und die Stundentafel zum Arbeiten in der Lernlandschaft passt. Vor
allem junge Lehrer direkt nach der Ausbildung haben grosses Interesse an dieser
Art von Schule, sagte Strasser.
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