Im Kanton Zürich wurden 2019 so viele Jugendliche wie noch nie wegen Pornografie und Gewaltdarstellungen verzeigt. Insbesondere die Weiterverbreitung von pornografischem Material hat deutlich zugenommen: 278 Jugendliche seien im vergangenen Jahr im Kanton Zürich wegen Pornografie verzeigt worden, teilte die Oberjugendanwaltschaft am Dienstag mit. Dies sind 230 Prozent mehr im Vergleich zum Vorjahr. Wie sich Social-Media-Experte Philipp Wampfler das Verhalten erklärt – und wie man dies verhindern könnte.
Nur noch krasse Videos fallen auf, 20 Minuten, 12.8. von Céline Krapf
20 Minuten: Noch nie wurden im Kanton Zürich so viele Jugendliche wegen Pornos angezeigt. Können Sie sich diesen Anstieg erklären?
Philippe Wampfler: Eine präzise
Erklärung kann nur eine Untersuchung liefern. Meine Vermutung wäre, dass sowohl
bei den Anzeigen als auch beim Verhalten eine Steigerung erfolgt ist, wodurch
dieser krasse Effekt erfolgt.
Ticken die Jugendlichen heute
anders als früher?
Sie
haben andere mediale Möglichkeiten und haben sich an andere Inhalte gewöhnt.
Wenn Pornografie im Netz frei verfügbar ist, fallen nur krasse Darstellungen,
Videos und Bilder auf und geben Jugendlichen die Möglichkeit, damit andere zu
verstören und ihre Aufmerksamkeit zu erhalten.
Haben sich die moralischen
Grundwerte verändert – zum Beispiel durch unseren Medienkonsum?
Ich
denke nicht. Jugendliche finden die Darstellungen abstossend, sie sind nicht
stärker von Gewalt oder Sexualität fasziniert, als das früher der Fall war.
Aber sie haben leichter Zugang zu Material und ein anderes Verhältnis zu
medialen Darstellungen, als das früher der Fall war: Sie können alles um sich
herum in HD aufzeichnen und verschicken, was sie wahrnehmen. Weil das weltweit
der Fall ist, werden auch Grenzüberschreitungen gefilmt und verbreitet.
Wie könnte man verhindern, dass
illegales Bildmaterial weitergegeben wird?
Filter
sind eine technische Möglichkeit, mit der solches Material zunehmend geprüft
wird – direkt in den Chat-Apps. Diese schützen Individuen teilweise, weil sie
auch umgangen werden können. Die konsequente Strafverfolgung ist die zweite
Möglichkeit: Es ist weniger lustig, Filmchen zu verschicken, wenn das
juristische Konsequenzen hat. Und letztlich braucht es immer wieder Aufklärungsarbeit: Schulen
müssen mit Kindern schon über die Darstellung von Gewalt und Sexualität
sprechen – in einer ihrem Alter entsprechenden Form.
Was ist Ihre Empfehlung, wenn man
derartiges Bildmaterial erhält?
Material
löschen, anderen mitteilen, dass sie das nicht schicken sollen und sowas
strafbar sei. Im Wiederholungsfall bei Lehrpersonen melden, wenn es sich um den
Klassenchat handelt, oder die Polizei einschalten.
Wen sehen Sie in der Verantwortung?
In
der Verantwortung sind Eltern und Schule gemeinsam. Die Eltern müssen Kinder
begleiten und besonders Knaben zeigen, was übergriffig ist – die Schule muss
aufklären.
Denken Sie, dass diese Entwicklung anhält?
Es ist eine durch Geschlechternormen geprägte Entwicklung: Meist sind es junge Männer, die sich damit profilieren wollen. Feministische Bewegungen fordern seit langem, dass in der Erziehung von Knaben ein Bewusstsein entstehen muss, welche Grenzen diese nicht überschreiten dürfen. Ob diese Forderungen gehört werden, bleibt abzuwarten – zu wünschen wäre es.
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