Noch vier Tage. Dann empfangen die Schulen der Primar- und
Sekundarstufe Tausende Schüler wieder in den Klassenzimmern. Die Vorbereitungen
laufen auf Hochtouren. Vor allem eine Frage bereitet den Schulleitungen aber
noch Kopfzerbrechen: Schaffen sie es, für jeden Lehrer eine Stellvertretung zu
finden, der am Montag nicht in die Schule kommen darf, weil er oder jemand im
gleichen Haushalt zu einer Risikogruppe gehört?
Ersatzlehrer dringend gesucht, BZ Basel, 7.5. von Michael Nittnaus
«Das ist definitiv eine grosse
Herausforderung»,sagt Pascal Kreuer zur bz. Der Schulleiter der Primarstufe
Binningen sucht händeringend nach Ersatzpersonal. Von seinen insgesamt 210
Lehr-, Fach-oder Betreuungspersonen gehören rund 35 zu einer Risikogruppe oder
leben mit einer gefährdeten Person zusammen. Und Binningen ist kein Einzelfall.
In Allschwil seien etwa 15 Prozent von 200 Lehrern betroffen, sagt der dortige
Primarschulleiter Martin Münch. Das wären rund 30. Und auch in Muttenz sagt Schulleiterin
Marianna Hersche:«Wir suchen noch immer Stellvertretungen, doch es ist sehr schwierig.»
Sie rechnet sogar mit 20 Prozent Betroffenen. Es gebe im Baselbiet aber auch kleine
Schulen,die über die Hälfte der Lehrer ersetzen müssten. Der Kanton bestätigt dieses
stichprobenartige Bild:«Ich erachte es ebenfalls als eine grosse
Herausforderung», sagt der Leiter des Baselbieter Amts für Volksschulen, Beat Lüthy.
Studenten der FHNW mit Angeboten überschwemmt
ieviele Lehrer
genau deswegen nicht in die Schule kommen dürfen, ist unklar. Jede einzelne
Schule erhebt die Zahlen selber und der Kanton führt erst ab Freitag ein Monitoring
ein. Lüthy geht von 10 bis 20 Prozent aus. Die Unterschiede seien aber gross.«Wir
haben sowieso schon einen Lehrermangel und jeden Sommer Schwierigkeiten, genug zu
finden. Die Coronakrise verschärft dies», sagt Kreuer.
Da so viele Schulen gleichzeitig
und kurzfristig Ersatzsuchen, gibt es viel zu wenige reguläre
Stellvertretungslehrer. Daher setzt Binningen auch auf Förderlehrpersonen oder Heilpädagoginnen,
die einspringen, einen Klassenlehrer aber nicht einfach ersetzen können. Da
auch das nicht reicht, kommt eine weitere Möglichkeit ins Spiel: Studenten der Pädagogischen
Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz (PH FHNW) sind begehrt wie nie. Wie
die bz weiss, werden sie derzeit mit Angeboten für Aushilfen überschwemmt. Die
FHNW selber kann keine Zahlen nennen, sagt aber auf Anfrage, dass alle vier Trägerkantone
Bedarf angemeldet hätten. Die PH begrüsse solche Einsätze grundsätzlich, so Sprecher
Marc Fischer. Da zurzeit der Präsenzunterricht wegfalle, seien sie auch
möglich. Aber: «Eine Arbeitsbelastung von über 100 Prozent sollte mit Blick auf
ein erfolgreiches Studium nicht über längere Zeit andauern.»
Einige gefährdete Lehrer nehmen Risiko in Kauf
Doch was ist, wenn all das nicht genügt? «Es ist möglich,
dass der Stundenplan an gewissen Schulen ausgedünnt werden muss», sagt Lüthy. Dies
sei aber wirklich der letzte Schritt und man wisse erst Ende Woche, ob und wo
dies nötig werde. «Ich hoffe nicht, dass es so weit kommt», sagt Kreuer. Etwas
kommt den Schulleitungen dabei entgegen: Ein Teil der betroffenen Lehrer möchte
trotzdem vor die Klasse treten–auf eigene Verantwortung und schriftlich
bestätigt. Das ist erlaubt. Einer davon ist Jürg Lauener. «Meine Frau ist 66 und
daher offiziell gefährdet, doch wir sind beide gesund. Darum gehe ich sicher
arbeiten», sagt der Leiter der Sek Therwil.
Arbeiten müssen auch die Lehrer, die
zu Hause bleiben. Sie werden teils eingesetzt, um im Fernunterricht Schüler zu
betreuen, die ebenfalls daheim bleiben müssen. Lauener hat in Therwil noch etwas
anderes vor: Er möchte weitestgehend auf Stellvertretungslehrer verzichten. Stattdessen
soll der absente Lehrer seine Klasse mit Arbeitsblättern versorgen, welche die
Jugendlichen dann alleine im Klassenzimmer lösen. Darüber kann Kreuer nur
schmunzeln: «In der Primar brauchen wir sicher jemanden im Klassenzimmer. Für die
Sekstufe mag es gehen –aber die Schüler müssten auf jeden Fall sehr gut betreut
werden.»
Die Sitten und Gebräuche sind von Kanton zu Kanton verschieden. Das Bündner Schulinspektorat verschickte folgende Weisung in einem FAQ zur Öffnung der Schulen:
AntwortenLöschen"Was hat bei einer Lehrperson Vorrang, deren Angehörige im gleichen Haushalt zur Risikogruppe gehören: die Arbeitspflicht gegenüber dem Arbeitgeber oder die Sorgepflicht gegenüber ihrem Partner und ihren Kindern?
Für den Präsenzunterricht ist Anwesenheit der Lehrperson vor Ort zwingend. Deshalb kann der Lehrperson in diesem Fall kein Homeoffice gewährt werden. Sie muss für ihre Kinder eine andere Betreuungsmöglichkeit suchen. Auf Antrag der Lehrperson kann die Gewährung eines unbezahlten Urlaubs oder die vorübergehende Reduktion des Beschäftigungsgrads geprüft werden. "