Am 11. Mai müssen Kinder wieder im Schulhaus antraben, ab dann
sind die Schulen in der ganzen Schweiz wieder geöffnet. Nicht alle freuen sich
auf diesen Tag. Eine Lehrerin aus dem Aargau, die anonym bleiben will, hat sich
bei 20 Minuten gemeldet. Sie hat Angst.
Schulöffnung mit Sicherungskonzept in Baden-Württemberg, Bild: Keystone/DPA/Felix Kästle
«Wir werden als Versuchskaninchen missbraucht» 20 Minuten, 1.5. von Joel Probst
Mehr Massnahmen als eine
markierte «Schutzzone» von zwei Metern, welche die Schüler nicht betreten
dürfen, sind an ihrer Schule bislang nicht geplant. Die Lehrerin klagt: «Das
kanns doch nicht sein. Es ist illusorisch, dass es möglich sein soll, zwei
Meter Abstand zu halten in einem vollen Klassenzimmer.»
Die Lehrerin will am 11.
Mai trotzdem unterrichten: «Aber ich habe wirklich Angst. Ich will nicht, dass
meine Kinder deswegen keine Mutter mehr haben.» Das Risiko, dass sie sich das
Virus im vollen Klassenzimmer einfängt, hält sie für gross. «Man strengt sich
sehr wenig an, um die Sicherheit zu garantieren. Wir Lehrpersonen und unsere
Kinder werden einfach als Versuchskaninchen missbraucht.»
Lehrerverband ist «überhaupt nicht glücklich»
Die Aargauer Lehrerin ist
mit ihren Bedenken nicht allein. Der Schweizer Lehrerverband ist mit den
jetzigen Rahmenbedingungen «überhaupt nicht glücklich», wie Präsidentin Dagmar
Rösler gegenüber 20 Minuten sagt. «Das BAG gibt zwar Grundprinzipien vor, doch
ganz vieles bleibt unklar und gibt den Kantonen grossen Spielraum. Es macht
keinen Sinn, dass es keine schweizweit einheitliche Umsetzung gibt, obwohl das
Coronavirus ein nationales Problem ist.»
Oberste Lehrerin «noch nicht überzeugt, dass Schule sicher ist»
Die oberste Lehrerin der
Schweiz fordert deshalb: «Wir wollen klare Vorgaben.» Jetzt gebe es riesige
Unterschiede zwischen den Kantonen. Es sei aber «unsicher, ob unter Vollbetrieb
der Schutz von Kindern und Lehrern gewährleistet werden kann». Rösler wird
deutlich: «Im Moment bin ich noch nicht überzeugt, dass es in der Schule sicher
ist für Kinder und Lehrpersonen.»
Das BAG sehe zwar vor,
dass Lehrpersonen auf zwei Metern Distanz zu den Schülern bleiben sollen. «Aber
sind wir ehrlich, das konsequent umzusetzen ist unmöglich. Mir bleibt
schleierhaft, wie man einem Erstklässler aus der Entfernung etwa eine
Rechenaufgabe erklären soll.» Rösler hofft, dass die Kinder wie vom BAG
kommuniziert für die Lehrpersonen keine Gefahr darstellen und umgekehrt. Aber:
«Ich verstehe die Eltern und Lehpersonen, die sich Sorgen machen.»
BAG und Kinderarzt stützen
Schulöffnung
Das BAG will dazu keine
Stellung nehmen und verweist stattdessen auf die heutige Medienkonferenz. Dort
sagt Experte Daniel Koch: «Es wird nicht zu einer Epidemie unter den
Schulkindern kommen und es besteht keine Gefahr für Eltern und Lehrerschaft.»
Laut Koch zeigten dabei Studien etwa aus Australien und China, dass Schulen die
Verbreitung des Coronavirus nicht vorantrieben.
Kinderarzt Christoph
Berger, der die Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene am Kinderspital
Zürich leitet, bekräftigt Kochs Aussagen auf Anfrage von 20 Minuten: «Basierend
auf den jetzigen Daten finde ich es richtig, die Schulen zu öffnen.» Wichtig
sei, dass die Kinder ihre Hände waschen, zwei Meter Abstand zu halten gehe in
der Schule hingegen nicht.
Berger mahnt aber auch:
«Wir müssen vorsichtig sein und die Lage beobachten, damit nicht unbemerkt ein
Infektionsherd entsteht.» Möglich wäre etwa, ganze Schulen stichprobenartig zu
testen. Bereits jetzt werden anders als zuvor Kinder mit Symptomen auf das
Coronavirus getestet. Klar ist laut Berger aber: «Mit allen Lockerungen wird es
eine grössere Viruszirkulation geben, besonders Gefährdete muss man deshalb
schützen.»
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