26. April 2020

Grosse Verunsicherung hinsichtlich Schulöffnung


Daniel Koch wischte die Frage mit einer saloppen Bemerkung zur Seite: «Es wird nicht so sein, dass die Lehrer den Unterricht mit der Maske durchführen müssen», sagte der Corona-Delegierte beim Bundesamt für Gesundheit am Freitag vor den Medien.
Die Frage aber lautete: Müssen die Kinder im Klassenzimmer Abstandsregeln einhalten, wenn die Schulen am 11. Mai ihren Betrieb wieder aufnehmen? Koch verwies darauf, dass der Bundesrat am 29. April ein Schutzkonzept verabschieden wird für die Schulen. Ob darin die Frage nach Abstandsregeln geklärt wird, bleibt mindestens solange noch offen.
Entsprechend gross ist die Planungsunsicherheit für die Lehrer - und die Eltern, die nicht wissen, ob ihr Kind wieder regulär zur Schule gehen kann.
Der Turnunterricht findet statt - doch die Schulreisen fallen aus, NZZaS, 26.4. von René Donzé

Die oberste Bildungsdirektorin, die Zürcherin Silvia Steiner (cvp.), geht davon aus, dass der Bund keine Abstände zwischen den Schülern vorschreibt: «Das Konzept macht Vorschriften zum Schutz der vulnerablen Personen, zur Prävention und Aufklärung sowie zu Hygienemassnahmen», sagt die Präsidentin der Erziehungsdirektorenkonferenz.
«Zu pädagogischen Aspekten wie Unterricht und Klassengrösse erwarte ich keine Vorgaben für die Volksschule.» Sicher ist das nicht. Der «Tages-Anzeiger» schrieb am 25. April, dass es für über Zehnjährige eine Kann-Formulierung gebe betreffend Abständen.
Möglich wäre auch eine Verschärfung durch den Bundesrat. Möglich auch, dass einzelne Kantone von sich aus schärfere Regeln formulieren. Im Moment planen die meisten mit verschiedenen Szenarien, so auch Zürich: In einer internen Weisung wird von einer Variante «gemäss Stundenplan» und einer mit «Sonderstundenplan Halbklassenunterricht» ausgegangen. Letzteres wäre aber laut Steiner «organisatorisch sehr aufwendig».

«Klares und bestätigendes Signal» erwartet
Ähnlich tönt es in anderen Kantonen: «Ich möchte, dass wir wieder Vollunterricht durchführen können», sagt Conradin Cramer, der liberale Erziehungsdirektor von Basel-Stadt. «So könnte man auch das Betreuungsproblem für die Eltern lösen.» Unmöglich wäre für ihn die «Hybrid-Option», dass ein Teil des Unterrichts in der Schule und der andere zu Hause stattfindet. «Die Lehrerinnen können nicht gleichzeitig zwei Gruppen bedienen.»
Das sieht sein Aargauer Kollege Alex Hürzeler gleich. «Wir fokussieren auf Vollunterricht», sagt der SVP-Politiker. Dazu gehöre auch der Turnunterricht; dieser soll stattfinden, nicht nur im Aargau, wie mehrere Quellen bestätigen. «Die Abstandsregeln gelten nicht zwischen den Kindern, sondern bloss unter Erwachsenen», sagt Hürzeler. Er erwartet, diesbezüglich «ein klares und bestätigendes Signal» des Bundes.

Das erhoffen sich auch die Lehrerinnen und Lehrer. «Die Verunsicherung ist gross», sagt Dagmar Rösler, Präsidentin des Schweizer Dachverbandes LCH. Sie verstehe auch, wenn Eltern Angst hätten, ihre Kinder zur Schule zu schicken. «Es braucht eine klare, wissenschaftlich fundierte Aussage der Experten zur Gefährlichkeit des Virus für die Kinder und zur Gefahr einer Übertragung durch die Kinder.»

Diesbezüglich gebe es immer wieder andere Signale. Mal heisse es, Kinder seien keine Vektoren für das Virus, dann wiederum heisse es, dass Enkel weder ihre Grosseltern besuchen noch von ihnen gehütet werden dürften wegen Ansteckungsgefahr.

Unterschiedlicher Umgang mit Lehrpersonen
Inwiefern ein geregelter Schulbetrieb ab dem 11. Mai möglich sein wird, hängt nicht zuletzt auch davon ab, wie viele Lehrer den Schulhäusern fernbleiben. Für Rösler ist klar, dass all jene, die zur Risikogruppe gehören, nicht zum Präsenzunterricht gezwungen werden können. «Für sie ist die Gefahr zu gross», sagt sie.

In Basel werde man sie von der Anwesenheit in der Schule dispensieren, sagt Cramer. Er geht davon aus, dass dies mindestens zehn Prozent der Lehrerschaft sein werden. Zürich hingegen will alles daran setzen, «dass diese Lehrpersonen arbeiten können, ohne dass sie gefährdet sind», sagt Steiner. «Wir werden die wertvollen Erfahrungen dieser Lehrpersonen dringend benötigen.» Denkbar wären Arbeiten von zu Hause aus oder mit genügend Abstand im Schulhaus.

Noch nicht abschliessend geklärt ist zudem die Frage nach Schulreisen und Klassenlagern, die vielerorts vor den Sommerferien stattfinden. Zürich hat bereits entschieden, dass sie nicht durchgeführt werden, wie in einem Schreiben des Volksschulamtes steht. Auch nach dem 11. Mai gelte das Versammlungsverbot in der Öffentlichkeit sowie die Regel, möglichst auf Reisen zu verzichten. Die Erziehungsdirektorenkonferenz will demnächst auch dazu Empfehlungen abgeben.


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