Abschaffung der Kanti-Prüfungen unter der Lupe, Südostschweiz, 30.4. von Patrick Kuoni
Die Bündner Regierung steht einer Abschaffung der Prüfung für die
Aufnahme an Bündner Mittelschulen skeptisch gegenüber. Dies lässt sie in einer
Antwort auf einen Auftrag von CVP-Grossrat Remo Cavegn (Bonaduz) durchblicken.
Der Auftrag fordert von der Regierung, die Grundlagen für einen Systemwechsel
zu schaffen.
Mehr Druck auf die Lehrpersonen
In ihrer Antwort begründet die Regierung ihre kritische Haltung
gegenüber der Idee damit, dass ein Verzicht den Druck auf die zuweisenden
Lehrpersonen erhöhen würde. Sie lässt auch die Begründung von Cavegn nicht
gelten, dass die Prüfung aufgrund von externen Vorbereitungskursen zu einer
sozialen Ungleichheit führe, weil sich nur Vermögende diese leisten könnten.
Die Regierung hält fest, dass sie externen Kursen zwar kritisch
gegenüberstehe. «Wie der Schweizer Bildungsbericht 2018 bestätigt, sind solche
Kurse für einen nachhaltigen schulischen Erfolg aber nicht entscheidend.» Es
sei gar anzunehmen, dass Angebote für Nachhilfeunterricht bei einem
Aufnahmeverfahren ohne Prüfung zunehmen würden, sodass auch die Ungleichheit
grösser werden könnte. «Auch konnte aufgezeigt werden, dass die
Wahrscheinlichkeit, trotz ungenügender Kompetenzen ins Gymnasium aufgenommen zu
werden, in Kantonen ohne Aufnahmeprüfung deutlich höher ist als in solchen, in denen
eine Prüfung das hauptsächliche Selektionsinstrument darstellt», schreibt die
Bündner Regierung weiter.
Cavegn ist erfreut
Trotz der kritischen Anmerkungen wird das Anliegen von Cavegn aber von
der Regierung nicht abgelehnt. Sie will den Auftrag von Cavegn abändern, um
eine umfassendere Prüfung des Anliegens zu ermöglichen. So soll ein externes
Gutachten in Auftrag gegeben werden.
Cavegn zeigt sich denn auch gegenüber Radio Südostschweiz ziemlich
zufrieden mit der Antwort: «Es ist positiv, dass die Bündner Regierung eine
neutrale Stelle beauftragen möchte, um die Vor- und Nachteile eines
Systemwechsels aufzuzeigen.» Dies sei sinnvoll, um einen faktenbasierten
Entscheid treffen zu können. «Es ist wichtig, dass ein Thema, das bei vielen
Eltern Unverständnis auslöst, genauer angeschaut wird.»
Graubünden wäre nicht der erste Kanton, der einen prüfungsfreien
Übertritt ins Gymnasium einführen würde. Die Kantone Zug, Luzern, Bern, Uri und
der Halbkanton Basel-Landschaft kennen beispielsweise bereits ein solches
System.
Grossrat Remo Cavegn (CVP) möchte die Aufnahmeprüfung ans Gymnasium abschaffen und damit die «Chancengleichheit» der Schüler erhöhen. Diese werde durch den Besuch von Kursen, die auf die Aufnahmeprüfung vorbereiten, eingeschränkt. Graubünden hat die höchste Gymnasialquote der Ostschweiz. Eine Abschaffung der Prüfung führt dazu, dass die Zahl der Gymnasiasten noch ansteigen wird, denn Lehrpersonen erteilen Schülern eher gute Noten, um nicht in Konflikt mit ehrgeizigen Eltern zu geraten. Das ist das Gegenteil von Chancengerechtigkeit. Lehrerurteile und Erfahrungsnoten sind immer auch subjektiv, Prüfungen sind demgegenüber gerechter. Weiter ist anzufügen, dass höhere Gymnasialquoten auch mit sinkenden Ansprüchen einhergehen. Wollen wir das wirklich? Bereits jetzt gehen Wissenschaftler davon aus, dass mindestens 30 Prozent der Schüler nicht die nötige Intelligenz für ein Gymnasium mitbringen. Wieso also den Weg für noch mehr frustrierte Studenten ebnen? Sinnvoller erscheint es mir, darüber nachzudenken, wie die Geschlechterquote zwischen Mädchen und Buben ausgeglichen werden könnte. Hier fehlt offenbar der politische Wille, die seit Jahren benachteiligten Buben zu fördern. Ausserdem könnte man, statt die Aufnahmeprüfung abzuschaffen, diese so gestalten, dass sie auf dem Stoff basiert, der in der Schule auch durchgenommen wird.
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