28. April 2020

Der Geschichtsunterricht braucht einen kräftigen Anschub

PeterGautschi sieht im Geschichtsunterricht aktuell die grosse Herausforderung, anstelle spekulativer Narrative spannende Erzählungen zu finden, die auf Fakten beruhen und nicht ins Ideologische kippen. Ich stimme ihm voll zu, dass bildendes Storytelling auch ohne mythische Überhöhung die zentrale Rolle in einem lebendigen Geschichtsunterricht übernehmen sollte.
Der Geschichtsunterricht braucht einen kräftigen Anschub, von Hanspeter Amstutz, 28.4.


Weniger rosig sehe ich seine qualitative Einschätzung des Geschichtsunterrichts an der Volksschule. Das Fach Geschichte ist bei den Verteilkämpfen um Lektionenanteile und bei der Selbständigkeit als Studienfach völlig zwischen Stuhl und Bank gefallen. Mit nur einer wöchentlichen Geschichtslektion in der Sekundarschule kann geschichtliches Wissen nur bruchstückhaft vermittelt werden. Von einem für Jugendliche verständlichen Aufbau des Werdens der modernen Schweiz von 1848 bis in die Gegenwart kann kaum noch die Rede sein. Dabei ist die moderne Schweizer Geschichte eine Fundgrube für politisch relevante Ereignisse, wenn diese didaktisch gut aufbereitet werden. Zwar finden sich in den neuen Lehrmitteln gute Anregungen für entdeckendes Lernen, doch bei der Förderung der bildunterstützten Erzählkunst besteht in der Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen grosser Nachholbedarf.

In der Praxis hat der elementare Geschichtsunterricht den Weg nach der Dekonstruktion der Mythen noch nicht gefunden. Aus dem Bedenken heraus, das Erzählen von fragwürdigen Ereignissen aus der Schweizer Urgeschichte sei nicht zu rechtfertigen, hört der Geschichtsunterricht in vielen sechsten Klassen nach dem Thema Ritter und Burgen einfach auf. Die bewegte Sturm- und Drangzeit der Alten Eidgenossenschaft bleibt so ein weisser Fleck. Dies wäre eher zu verschmerzen, wenn dafür identitätsstiftende Alternativen wie beispielsweise die grossartige Geschichte der Gotthardbahn vermittelt würden.

Der festgefahrene Karren des Geschichtsunterrichts benötigt dringend einen kräftigen Anschub. Dafür braucht es ein schülergerechtes Bildungsprogramm mit zusammenhängendem Basiswissen, eine fachspezifische Ausbildung der Lehrpersonen und eine Aufstockung der Lektionenzahl. Nur so kann es gelingen, dem kulturbildenden Fach Geschichte wieder einen besseren Platz an unseren Schulen einzuräumen.


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