Der Unterricht in der Schule ist verboten, die meisten Schüler und
Schülerinnen bleiben zuhause. Dennoch gilt an manchen Orten für die Lehrer und
Lehrerinnen Präsenzpflicht: Sie müssen in die Schule kommen – auch dann, wenn
sie dort keine Kinder zu betreuen haben. Das stösst auf Unverständnis. Einige
Lehrer machen ihrem Ärger darüber in den sozialen Medien Luft.
"Stupide Präsenzpflicht": Trotz Schulverbot müssen mancherorts viele Lehrer in die Schule gehen - das stösst auf Unverständnis, St. Galler Tagblatt, 19.3. von Maja Briner
Eine Lehrerin aus dem Kanton Zürich ruft dazu auf, sich gegen die
«stupide Präsenzpflicht» zu wehren. Es sei verantwortungslos, mit dem ÖV zu
pendeln, wenn die Arbeit auch von zuhause aus erledigt werden könne,
kritisierte sie. Eine Lehrperson aus dem Kanton St. Gallen klagt, sie müsse in
der Schule sein, auch wenn es keine Kinder zu betreuen gebe – während ihre
eigenen Kinder fremdbetreut würden. Andere Lehrer berichten von Sitzungen, die
unnötigerweise noch in der Schule abgehalten würden, und von Weiterbildungen,
die trotz Corona-Virus nicht abgesagt würden.
Es dürfte sich dabei um Einzelfälle handeln. Viele Schulen haben die
Lehrer dazu aufgerufen, wenn immer möglich von zuhause aus zu arbeiten.
Teilweise heisst es sogar, nur in dringenden Fällen dürften Lehrer in die
Schulen gehen. Doch auch wenn es Einzelfälle sind: Dass ausgerechnet einzelne
staatliche Schulen die Lehrpersonen zur Anwesenheit verpflichten, wenn der
Bundesrat zum Homeoffice aufruft, irritiert.
Lehrerverband: «Sicher nicht sinnvoll»
Der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer hat Kenntnis von der
Präsenzpflicht für Lehrpersonen an einigen Schulen. «Die Situation wird derzeit
unterschiedlich gehandhabt», sagt Zentralsekretärin Franziska Peterhans. Für
sie ist der Fall jedoch klar: Eine Präsenzpflicht sei nur zulässig, sofern der
Arbeitgeber das Notwendige zum Schutz seiner Mitarbeitenden vorgekehrt hat. Und
aktuell brauche es angepasste Lösungen – Präsenzpflicht für alle sei sicher
nicht der richtige Weg.
«Der Bundesrat war deutlich: Wenn immer möglich muss auf Homeoffice
umgestellt werden. Es ist sonnenklar, dass die Schulen sich daran halten
müssen», sagt sie. Selbstverständlich müssten einige Lehrpersonen weiterhin vor
Ort sein – insbesondere, um Kinder zu betreuen. «Aber alle Lehrpersonen in der
Schule zu versammeln, um den weiteren Unterricht zu besprechen, ist sicher
nicht sinnvoll.»
Das findet auch der Präsident des Schweizer Schulleiter-Verbands, Thomas
Minder. Zu Beginn der Woche sei eine Präsenzpflicht noch sinnvoll gewesen, erklärt
er. Denn die Schulen wussten noch nicht, wie viel Kinder betreut werden müssen.
Nun müssten die Schulen vor Ort entscheiden, welche Massnahmen Sinn ergäben,
erklärt Minder. Er schiebt aber nach: «Unseres Erachtens kann es nicht sein,
dass noch Anwesenheitspflicht in Schulen gelten kann.»
Kantone spielen Ball Gemeinden und Schulleitern zu
In den sozialen Medien beschwerten sich unter anderem Lehrpersonen aus
den Kanton St. Gallen und Zürich. Nachfrage bei den Behörden: Halten sie eine
Präsenzpflicht für Lehrpersonen aktuell für sinnvoll? Deutlich äussert
sich St. Gallen: Der Kanton empfehle, die Anwesenheitspflicht vor Ort «auf das
Nötigste zu beschränken», erklärt Alexander Kummer, Leiter des Amts für
Volksschule. Wie es die Schulen mit Präsenzpflicht und Homeoffice konkret
handhaben, regelt jedoch nicht der Kanton St. Gallen abschliessend, sondern die
Gemeinden selbst, da die Lehrpersonen bei ihnen angestellt sind.
Weniger klar äussert sich Zürich. Der Kanton spielt den Ball der
jeweiligen Schulleitung vor Ort zu. Diese entscheide, wo die Arbeit
geleistet wird, erklärt Amtschefin Marion Völger. Die Schulleiter müssten dabei
die Vorsorgemassnahmen der Behörden beachten. Weitere Vorgaben macht der Kanton
nicht: Die örtlichen Voraussetzungen seien sehr unterschiedlich, eine
einheitliche kantonale Regelung daher nicht zielführend,
heisst es. Nur am ersten Tag des Schulverbots hatte der Kanton
eingegriffen und alle Lehrpersonen aufgefordert, in die Schule zu kommen.
Schulschliessungen könnten länger dauern
Schliesslich war Anfang Woche nicht klar, wie viele Kinder in der Schule
betreut werden, weil sie nicht zuhause oder bei Nachbarn sein können. Laut
Franziska Peterhans vom Lehrerverband ist dies je nach Schule sehr
unterschiedlich. «Von einzelnen Klassen ist die Hälfte der Kinder anwesend, von
anderen fast niemand.»
Die aussergewöhnliche Situation wird laut Peterhans insgesamt gut
gemeistert. «Ich bin überzeugt, dass die Lehrerinnen und Lehrer zusammen mit
den Schulleitungen einen guten Job machen.» Die Lehrpersonen arbeiteten viel,
um zu klären, wie in der nächsten Zeit unterrichtet werden kann.
Gerade in den unteren Schulstufen müsse erst einmal abgeklärt werden, ob
die Schüler und Schülerinnen beispielsweise einen Mail-Zugang hätten. Die
Schulen müssten sich einrichten für den Fernunterricht, sagt Peterhans: «Es
wird immer klarer, dass die Schulschliessungen länger dauern könnten. Das beste
Szenario wäre, wenn wir nach den Frühlingsferien wieder regulären Unterricht
machen könnten. Doch das scheint aktuell eher unwahrscheinlich.»
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